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"Lebensrealität akzeptieren"

"VN"-Interview: Justizministerin Karin Gastinger (BZÖ) über die Familienrechtsnovelle. Gastinger kritisiert den ÖVP-Widerstand gegen Homo-Partnerschaften.

VN: Im heutigen Ministerrat wird die Familienrechtsnovelle behandelt. Was werden Sie vorlegen, nachdem die ÖVP plötzlich gegen eine geschlechtsneutrale Definition von Lebensgemeinschaft auftritt?
Karin Gastinger: Das Paket, das ursprünglich mit der ÖVP akkordiert war. Ich schätze einmal, dass sie dem Teil, in dem es um die Definition von Lebensgemeinschaften geht, nicht zustimmen wird.

VN: Hätte man nicht erwarten können, dass diese Bremse nach dem Höchstgerichtsurteil ausbleibt?
Gastinger: Das müssen Sie die ÖVP fragen.

VN: Und wie sehen Sie das?
Gastinger: Wir hatten einen Konsens mit der ÖVP, jegliche Diskriminierung von Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung auszuschließen, soweit es um Lebensgemeinschaften geht. Mein Lösungsvorschlag ist, Lebensgemeinschaft geschlechtsneutral zu definieren – und zwar in Anlehnung an die Judikatur des Obersten Gerichtshofes. Von der ÖVP gibt es Bedenken, dass das Konsequenzen für andere Rechtsbereiche haben könnte.

VN: Sind diese Bedenken nachvollziehbar?
Gastinger: Nein, nicht wirklich. Wir haben aber versucht, andere Lösungen zu finden. Ich finde es schade, dass auch das nicht möglich war.

VN: Die ÖVP befürchtet offenbar, dass der Familienbegriff unterwandert werden könnte.
Gastinger: Nein, das plane ich überhaupt nicht: Ich glaube, dass die Familie einen Sonderstatus hat und auch behalten soll. Das Eherecht ist gesondert zu betrachten. Das ist mir wichtig. Nur: Lebensgemeinschaften sind Lebensrealitäten, auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind Lebensrealitäten.

VN: Haben Sie das Gefühl, dass die ÖVP einem verzopften Weltbild nachhängt?
Gastinger: Die ÖVP hat vielleicht einen anderen Ansatz. Teile der Partei sagen, die Ehe ist das Allseeligmachende: Alles, was Ehe ist, wird daher gefördert, alles, was nicht Ehe ist, zur Kenntnis genommen, aber nicht gefördert.

VN: Was passiert, wenn die Definition von Lebensgemeinschaft nicht kommt?
Gastinger: Ich hätte gerne gehabt, dass uns der Verfassungsgerichtshof nicht eine richtungweisende Entscheidung nach der anderen übermitteln muss. Als Politikerin würde ich Probleme gerne selbst lösen.

VN: Sie haben aber schon einmal gesagt, dass die Familienrechtsnovelle ohnehin nur noch ein Fuzzipaket ist.
Gastinger: Mir ist es wichtiger, einen kleinen Schritt zu machen als gar keinen. Damit ist wenigstens eine Richtung vorgegeben. So werden immerhin auch Patchworkamilien anerkannt.

VN: Diskriminierungen gibt es noch in vielen Bereichen, zum Beispiel im Erbrecht.
Gastinger: Das muss man alles diskutieren. Gerade das Erbrecht spielt eine wichtige Rolle. Ehen und Lebensgemeinschaften müssen in diesem Bereich gleichbehandelt werden, damit die Wahlfreiheit gewahrt bleibt.

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