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Land der Guten

Ulrich Gabriel
Ulrich Gabriel

Viele Gute leben hier. Es ist ein gutes Land, ja. Ein ganz Gutes. In diesem Land sind so gut wie alle gut, wenn sie gut verdienen. Gerade wieder ist das Land Erster geworden. Ganz gut sind etwa die kleinen Geldhändler (Banker). Sie beginnen gut am Schalter, um dann ein gutes Bankdirektörle zu werden. Streben und verkaufen ist das Merkmal dieses fleißigen, reichen, geschichts- und kulturbefreiten guten Landes. Alle hier sind gut zu sich, verkaufen gut, leben gut, spielen gut Tennis und Golf, finden sich gut und Gabalier, legen an und haben gut auf die Seite gelegt. Darüber hinaus sind sie manchmal gut zu den Hungernden der Welt, wenn sie zum Spendenevent eingeladen werden. Sie sind gut zu ihrer guten Frau, die Gute kauft bei Carla und im Weltladen, gut zur Partei, gut zum Hund und gut zu den zwei Kindern (beide lauter Einser).

Um gut zu sein, muss man gut durch-greifen können. Drum frisst der Hai die kleinen Fischlein. Nicht weil er so viel Hunger hat, nein, um denen zu lehren, gut zu werden durch geschicktes Schwimmen. Ist der kleine Fisch gefressen, kann er nicht mehr gut werden. Durch Härte kommt der Gute zur Güte. Unbarmherzig sein ist wichtig. „Jeder ist für sich selber verantwortlich“, doziert der erfahrene Gute an der Bar. „Gut ist, wer hat. Wer nichts hat, kann nicht gut sein. Alle müssen so gut werden, dass der Staat überflüssig ist. Wer beim Staat holt, ist nicht gut! Nochmals: Jeder ist für sich selbst verantwortlich!“. Dann singt er leise und ein bisschen falsch: „Der Mensch ist gar nicht gut, drum hau ihn auf den Hut. Hast Du ihn auf den Hut gehau‘n, dann wird er vielleicht gut.“ Das hat er sich aus der Dreigroschenoper (bei den Salzburger Festspielen) gemerkt. Mehr nicht.

Die Güte der Guten ist gut für den Volk, weil der Volk Vorbilder bekommt. So viele gute Gutverdiener, so viele Vorbilder. „Immer schön bücken“ sagt der gute Gute. Ohne diese guten Guten wär das Land nicht so gut. Hier entstehen die guten Vorbilder, ORF-Direktörle, Versicherungsdirektörle, VKW-Vorständle, Parteibönzle, Arbeiterkammerfunktionärle, Wirtschaftkammerherrle und viele andere Gutle, von den guten Industriellen bis zu den Gesundheitsmanagern, Primaren, Politikpensionisten, Angefütterten und „wohlverdienten“ Ruheständlern. Sie erklären dem Volk auch gern, warum sie mindestens zehnmal mehr kriegen müssen als ein kleiner Angestellter. Nicht weil sie zehnmal soviel arbeiten. Nein, der Grund ist, weil sie eine schwere Verantwortung tragen. Tagtäglich schleppen sie ihre tonnenschwere Verantwortung mit. Überall hin. Sogar nach Lech und in die Toskana. Ihre Gesichter sind ob der tonnenschweren Last, mit der sie täglich in der Sonne stehen, bereits ganz gebräunt, während jene der Angestellten blass bleiben. An íhrer Bräune erkennt man die Guten.

(Ulrich Gabriel)

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