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Lage in Nahost wird hochexplosiv: Bricht nun das totale Chaos aus?

Lage wird zusehends brenzliger.
Lage wird zusehends brenzliger. ©AFP
Mindestens 28 Tote forderte die Explosion einer Autobombe in Ankara. Dahinter soll ein kurdischstämmiger Syrer stecken. Der starke Mann der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, hat Rache angekündigt, rollende Angriffe auf PKK und kurdische Milizen laufen bereits. Das Problem: die Kurden haben einen starken Verbündeten - Wladimir Putin.

So hätte sich Erdogan den Ausgang des “Syrien-Abenteuers” wahrscheinlich nicht vorgestellt. Als er bei Ausbruch des Bürgerkrieges verkündete, der Fall Assads sei eine Frage von wenigen Monaten, er selbst werde – gesagt 2011 – binnen Wochen in der Umayyaden-Moschee in Damaskus beten, schien das auch aus Sicht internationaler Beobachter und regionaler Akteure eine durchaus realistische Prognose. Doch Bashar al-Assad, seine Baath-Partei (ein Ableger der Partei des ehemaligen irakischen Herrschers Saddam Husseins) sowie die Syrisch-Arabische Armee (SAA) samt Verbündeter erwiesen sich als zähe Gegner – viel zu zäh. Der Bürgerkrieg wird in Bälde in sein sechstes Jahr gehen, und niemals schien der Sturz Assads ferner denn heute.

Wäre es nach Erdogans Wünschen gegangen, wäre aus Syrien vermutlich ein türkischer Satrapenstaat geworden. In einigen türkischen Zeitungen wurden bereits Landkarten veröffentlicht, nach denen weite Teile der syrischen Provinzen Idlib und Aleppo sogar als neue Provinz der Türkei eingegliedert worden wären.

Kurden rücken vor, Rebellen in der Defensive

Der Konflikt im Nachbarland greift nun zusehends auf die Türkei über, Anschläge des IS – und nun auch, so türkische Offizielle – der Kurden, häufen sich. Die Verantwortung für den Anschlag in Ankara ortet die Türkei bei der PKK und den kurdischen Milizen in Syrien. Auch Assad ist aus Sicht der Türkei schuld, dieser unterstütze die kurdischen Milizen. Die syrische YPG, der militärische Arm der in Syrien aktiven PYD – von vielen als PKK-Ableger angesehen – weist jedoch eine Verantwortung für den Anschlag zurück. Man habe “keinerlei Verbindung” zu dem Mann, der als Attentäter gilt. Auch die PYD bestreitet dies.

Die Vermutung der Kurden: Die Türkei suche nach Vorwänden, um die Kurden attackieren zu können. Denn die Kurden konnten in den vergangenen Wochen große militärische Erfolge in Nordsyrien verbuchen. Diese gingen vor allem zu Lasten der Rebellenfraktionen, die mit der Türkei verbündet sind. So attackierten kurdische Volksverteidigungseinheiten nach dem Sturm der SAA auf den Korridor nördlich Aleppo (
VOL.AT berichtete
) ihrerseits die Rebellen, und nahmen weite Gebiete ein.     

Alptraum kurdisches Autonomiegebiet

Die Rebellen sind nun noch weiter von ihrer wichtigsten Versorgungslinie aus der Türkei und dem IS-Gebiet abgeschnitten. Unterstützt wurden die Kurden dabei offen von russischen Kampfjets, deren Bombardements das Vorrücken der Kurden begünstigte. Nicht nur das, so wurde in Moskau ein Verbindungsbüro der PYD eröffnet. Auch das ein Zeichen der Annäherung.

Russland scheint überdies dafür zu sorgen, dass sich YPG- und Assad-Einheiten nicht bekämpfen. Dem nicht genug, übergab die SAA sogar nördlich Aleppos eroberte Gebiete den Kurden, wenn sie in den “Einflussbereich” Westkurdistans – Rojavas – fallen. In der Türkei befürchtet man nun, die Kurden könnten in Syrien, ähnlich wie im Irak, ein Autonomiegebiet einrichten. Damit würde die gesamte Syrien-Strategie Erdogans fallen. Ein kurdisches Autonomiegebiet, Assad fest im Sattel – und die Rebellen in der Defensive.

Wie reagiert Russland?

Der Anschlag, so Kritiker, könnte nun als Vorwand dafür herhalten, noch härter gegen kurdische Milizen vorzugehen. In sozialen Medien machen laut “spiegel.de” bereits Verschwörungstheorien die Runde, es hätte sich bei dem Anschlag um einen “Inside-Job” gehandelt: Die türkische Regierung stecke demnach selbst hinter der Terrorattacke, um ein härteres Vorgehen in Syrien und gegen die Kurden zu rechtfertigen. Die türkische Artillerie jedenfalls beschießt die YPG-Stellungen weiterhin, auch zu Luftangriffen soll es bereits gekommen sein. Das Vorgehen der Türkei birgt allerdings einige Gefahren, schließlich wurde das Vorgehen von der Assad-Regierung und dessen Verbündeten Russland bereits als illegal gebrandmarkt. Es ist äußerst fraglich, wie Russland bei einem verschärften Vorgehen der Türkei reagieren würde.

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