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Konjunkturumfrage: So ergeht es der Vorarlberger Industrie nach der Krise

©VOL.AT/Mayer
Der Weg zurück ist für die Vorarlberger Industrie nach der Krise schwer. Das bestätigt auch die am Montag präsentierte Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung Vorarlberg.
IV präsentierte Konjunkturumfrage
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Wie ergeht es der Vorarlberger Wirtschaft mit den Folgen der Coronakrise im Land? IV-Präsident Martin Ohneberg, IV-Geschäftsführer Mathias Burtscher und Michael Amann, Geschäftsführer der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Vorarlberg, präsentierten am Montagvormittag die Ergebnisse der Konjunkturumfrage im zweiten Quartal 2020. "Wir sind noch nicht über den Berg", erklärte Ohneberg. Die Vorarlberger Industrie kämpfe nach wie vor massiv mit den Folgen der Coronakrise.

Tiefstand spürbar nahe

44 Vorarlberger Unternehmen mit fast 26.000 Beschäftigten haben sich an der aktuellen Konjunkturumfrage im zweiten Quartal 2020 beteiligt. Der Geschäftsklimaindex, der Mittelwert der Einschätzung zur aktuellen Geschäftslage und jener in sechs Monaten, ist nach dem drastischen Absturz um 45 Prozentpunkte im ersten Quartal nochmals von -13,30 auf -14,50 zurückgegangen.

Der historische Tiefstand der letzten Jahrzehnte von -24,20 während der Finanzkrise 2008 ist damit zwar noch nicht erreicht, aber spürbar nahe.

Die Geschäftslage beurteilen nur neun Prozent als gut, 43 Prozent als schlecht. Die Erwartung der Geschäftslage in sechs Monaten ist dagegen leicht positiv und verleiht Hoffnung: 15 Prozent beurteilen diese als gut, 11 Prozent als schlecht.

Weg zurück mühsam

Es sei leider genau das eingetreten, was man zu Beginn der Krise befürchtet habe, so Ohneberg. In vielen Betrieben seien die Aufträge, insbesondere im Ausland, eingebrochen. Der Weg zurück sei mühsam. Vier von fünf Betrieben planen den Mitarbeiterstand zu halten. Es gebe aber auch Betriebe, die den Beschäftigtenstand reduzieren hätten müssen. Jeweils über 40 Prozent der Betreibe bezeichnen den Auftragsbestand als schlecht. Die Ertragslage bezeichnen 35 Prozent als schlecht, nur fünf Prozent als gut. Die Erwartung der Produktionstätigkeit in drei Monaten hat sich hingegen leicht ins positive gedreht: 19 Prozent erwarten eine Steigung, 13 Prozent eine weitere Abnahme.

Prinzip "Gürtel und Hosenträger"

Was die wirtschaftspolitischen Maßnahmen im Land angeht, braucht es laut Ohneberg neben weiteren positiven Impulsen auch mehr Vertrauen in die Eigenverantwortung der Betriebe. Optimismus und Vertrauen sein die geeigneten Zutaten, um rasch wieder in ein Wachstum zu kommen. Die Schweiz habe hier Vorbildcharakter. "Während die Schweiz die ersten Gelder an die Unternehmen unter dem Motto besser schneller als zu spät ausbezahlt hat, gilt bei uns zu oft aufgrund des mangelnden Vertrauens in die Betriebe und Menschen das Prinzip ‚Gürtel und Hosenträger‘", verdeutlicht der IV-Präsident. Statt eines Vertrauensvorschusses werde doppelt abgesichert, dass gut gemeinte Hilfsmaßnahmen nicht missbräuchlich verwendet werden.

Krise als Chance sehen

Es gebe zusätzlich das Risiko, dass die Unterstützungsprogramme zu früh auslaufen würden, was zu Insolvenzen und einer hohen Arbeitslosigkeit führen würde. An einen neuerlichen Shutdown will Ohneberg gar nicht denken. Diesen würde die Industrie nur schwer überstehen. Belastungsideen wie neuen Steuern oder gar einer Arbeitszeitverkürzung erteilt er eine klare Absage. Auf landespolitischer Ebene gelte es professionelle Vorkehrungen zu treffen, um auf weiter Infektionsherde vorbereitet zu sein. Parallel sei jetzt auch die Zeit, die Krise als Chance für einen digitalen Schub der öffentlichen Verwaltung und Schulen zu sehen, Verfahren ohne Qualitätsverlust zu vereinfachen und den Betrieben mehr Planungssicherheit zu geben.

Die Branchenergebnisse im Detail

„Die in Vorarlberg dominante Maschinen- und Metallindustrie hält sich vergleichsweise robust, wenngleich auch hier nahezu alle Indikatoren in Summe negativ bewertet werden“, so Mathias Burtscher, Geschäftsführer der IV-Vorarlberg. Die derzeitige Geschäftslage wird von fast jedem dritten Betrieb schlecht eingeschätzt, ebenso die derzeitige Ertragslage. Dass trotzdem fast 80 Prozent den Beschäftigtenstand in den nächsten drei Monaten halten möchten, ist ein positives Indiz. Es zeigt aber auch, dass die Erholung am Arbeitsmarkt noch länger andauern wird.

„Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie hat seit Beginn der Krise die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt und sie bisher am besten überstanden. Mittlerweile sind aber auch hier negative Effekte deutlich erkennbar“, fasst Burtscher eine bisher weniger betroffene Branche zusammen. Fast 60 Prozent der Betriebe sprechen von einer schlechten Geschäfts-lage und einem schlechten Auftragsbestand. Mit einem Mitarbeiterabbau ist aber trotzdem kaum zu rechnen, da die Aussichten für die nächsten Monate wieder besser scheinen. Fast jeder dritte Betrieb geht von einer günstigeren Geschäftslage in sechs Monaten aus.

„Anhaltend schwierig ist die Lage in der Textilindustrie. Viele ausländische Absatzmärkte sind sehr stark betroffen, die derzeitige Ertragssituation sehr belastet“, so Michael Amann, Geschäftsführer der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Vorarlberg. Fast drei Viertel der Betriebe sprechen von schlechten Auslandsaufträgen, über die Hälfte bewertet die Geschäftslage derzeit als schlecht. Trotzdem behält die Textilbranche ihren Optimismus, fast jeder zweite Betrieb rechnet mit einer besseren Ertragslage in sechs Monaten. „Zwar haben wir im Modebereich praktisch überall durch COVID19 eine ganze Kollektion verloren, gleichzeitig geben – etwas überraschend – exotische Märkte, wie zum Beispiel Westafrika für unsere Textiler auch weiterhin interessante Perspektiven“, betont Michael Amann.

„Die Elektro- und Elektronikindustrie war zu Beginn der Krise noch weniger betroffen, wie sie es heute ist“. Das hängt laut Amann nicht zuletzt mit den fehlenden Aufträgen primär aus dem Bau- und Automotivbereich sowie den internationalen Absatzmärkten zusammen. 86 Prozent der Betriebe sprechen von einer schlechten Geschäftslage und schlechten Aufträgen. Eine Besserung der Geschäftslage in sechs Monaten sehen zwar 15 Prozent der Betriebe, allerdings sehen die restlichen 85 Prozent eine gleichbleibende Entwicklung. „Auch hier zeigt sich, dass wir noch einen langen Atem zur Überwindung der Wirtschaftskrise brauchen,“ betont Amann.

(Red.)

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