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Konflikt um Brustkrebs-Screening

Bregenz/VN - Radiologen wettern gegen eine Mammografie ohne obligaten Ultraschall.

Zwischen Ärzteschaft und Sozialversicherungsträgern fliegen wieder einmal die Fetzen. Diesmal „meutern“ die Radiologen. Sie wehren sich gegen die Einführung eines Mammografie-Screenings zur Brustkrebsfrüherkennung nach EU-Standards. Das würde bedeuten, dass die jetzt obligat zur Mammografie durchgeführten Ultraschalluntersuchungen nur noch als Kassenleistung gelten, wenn eine weitere Abklärung des Befundes notwendig ist.

Einen bereits beschlossenen Kompromiss, wonach der Ultraschall zumindest bei Frauen mit dichtem Brustgewebe beibehalten werden soll, haben die Radiologen ohne Begründung platzen lassen. Stattdessen werfen sie dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger vor, mit dem neuen Modell 600 zusätzliche Todesfälle durch Brustkrebs zu riskieren.

Zwei Meinungen

Als „haarsträubend“ bezeichnet Primar Dr. Hans Concin diese Aussage. Er ist Mitglied jener Expertengruppe, welche die Thematik seit nunmehr zwölf Jahren ohne Aussicht auf ein Ergebnis verhandelt. „Da sind eindeutig geschäftliche Interessen im Spiel“, kommentiert er die Blockade der Radiologen.Denn es gebe keinen wissenschaft­lichen Beleg für den Ge­samtnutzen einer mit Ultra­schall kombinierten Mammografie.

Einen zusätzlichen Ultraschall sieht auch das 400 Seiten umfassende Qualitätshandbuch der EU nicht vor. Stattdessen soll die Mammografie von zwei Ärzten befundet werden. Im Zweifelsfall wird eine dritte Meinung eingeholt. Dafür fordern die EU-Richtlinien entsprechend hochwertige Gerätschaften ein, die laut Concin aber noch längst nicht in jeder Radiologiepraxis stehen. Er attestiert der unabhängigen Doppel- bzw. Dreifachbefundung überdies eine weit höhere Qualität als sie ein Ultra­schall bieten könne. Falsch positive Befunde seien nie auszuschließen.

Die Kunst des Screenings bestehe darin, sie so niedrig wie möglich zu halten „Jeder zusätzliche Ultraschall liefert jedoch zusätzliche falsch positive Befunde“, hält der Gynäkologe und Vorsorgemediziner diesbezüglicher Kritik entgegen und stellt die Frage: „Wer verantwortet die Angst dieser Frauen?“

EU-Modell in Bludenz

Die Arbeit der Radiologen in Vorarlberg bezeichnet Hans Concin als „vorbildlich“. Zum einen gibt es in Bludenz schon seit Längerem ein Screening-Projekt, das den EU-Vorgaben entspricht. Zum anderen führen die Radiologen die Doppelbefundung auf freiwilliger Basis durch. Aufgrund des Zusammenschlusses würden sie auch eine hohe Frequenz erreichen. Der Anteil der Ultraschalluntersuchungen liege bei 50 Prozent. „Vorarlberg fehlt also wenig zum EU-Standard“, so seine Einschätzung. Er selbst will zum EU-Screening, das Österreich als einziges „altes“ EU-Land noch nicht eingeführt hat, ein Einladungssystem für alle Frauen sowie die Beibehaltung der freien Arztwahl. Dann könne es nur Gewinner geben.

Vorderhand fühlen sich die Frauen allerdings eher verunsichert. „Es kann und darf nicht sein, dass die
Brustkrebs-Früherkennung verschlechtert werden soll“, meint etwa Gertraud Burgstaller von der „Frauen­selbsthilfe nach Krebs“. Hans Concin beruhigt: „Jede Frau erhält jede Abklärung, die sie nötig hat.“ Auch Dr. Gebhard Mathis, Präsident der Krebshilfe, glaubt nicht, dass es in Vorarlberg zu einem Rückschritt kommt. Die freie Arztwahl werde bleiben, die Qualitätskontrolle ausgebaut. Auch die Sonografie soll dem Vernehmen nach vermehrt zum Einsatz kommen. Das Aufbäumen der Radiologen sieht Mathis als „standespolitisches Geplänkel“. Österreichweit werden jährlich rund 800.000 Mammografien durchgeführt. In Vorarlberg sind es rund 14.000 Untersuchungen.

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