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KommR Egon Blum: "Die derzeitige Entwicklung der Lehre ist dramatisch!"

©Experte Blum mahnt Änderungen für die Lehre ein
In den vergangenen sechs Jahren haben mehr als 7500 Lehrbetriebe in Österreich „gänzlich“ und tausende „teilweise“ aufgegeben. Im Vorjahr haben um fast 10.000 Jugendliche weniger eine Ausbildung begonnen als 2008. Und dass, obwohl Österreich dringend auf gut ausgebildete Facharbeiter angewiesen ist.
Zur Broschüre von Egon Blum

Das im Ausland hochgepriesene duale Ausbildungssystem droht im eigenen Land zu scheitern. Egon Blum, der frühere Lehrlingsbeauftragte der Regierung, schlägt Alarm. Denn nicht nur die Zahlen in der betrieblichen Lehrausbildung brechen ein, auch das Image der Lehre ist angeknackst.

Trauriges Bild von der Lehre

„Schüler mit guten Noten sollen auf eine höhere Schule mit Blickrichtung Universität oder Fachhochschule gehen. Die Schüler mit den schlechten Noten sollen in die Lehre“, umreißt Blum die öffentliche Meinung, die sich in den letzten Jahren noch mehr herausgebildet hat.  Auch die Regierung trüge Schuld daran, wenn zwar viel über eine Akademikerquote diskutiert wird, aber niemand – außer dem Land Vorarlberg – von einer Facharbeiterquote spreche. Aus Sicht von Blum ist es die Mehrzahl der Ausbildungsbetriebe die gut bis sehr gut ausbilden. Aber es sind leider zu viele Unternehmen, die nicht berufsbildkonform ausbilden, was letztlich dem Image der dualen Ausbildung enorm schadet.

“Wenn die leistungsstarken Jugendlichen zusehends mehr die rein schulische Ausbildung bevorzugen,  ganz gleich ob eine entsprechende Eignung und Neigung des Jugendlichen vorliegt, steigt der Prozentsatz jener Lehranwärter, die eine wenig bis ungenügende Ausbildungsfähigkeit vorweisen können”, beschreibt Blum das Malheur der Ausbildungsbetriebe.

Wichtig für das Wirtschaftswachstum, von dem alle reden bzw. fordern

Doch für das Wirtschaftswachstum “von dem alle reden bzw. fordern” sind Facharbeiter unabdinglich. Wettbewerbsfähige Unternehmen benötigen sowohl Theoriekompetenz, in Form von Marketing, Forschung & Entwicklung, als auch Praxiskompetenz. „Die betriebliche Elite der Facharbeiter setzt die theoretischen Konzepte in verkaufbare Produkte um“, sagt der 75-jährige Vorarlberger, der beim Beschlägehersteller Blum jahrzehntelang die Fachkräfte-Ausbildung und die Technik leitete. Doch österreichweit werden zwischen 2014 und 2017 mehr als 30.000 betriebliche Lehrabsolventen weniger zur Verfügung stehen. Trendwende sei keine in Sicht, und niemand zeige sich verantwortlich.

30.000 weniger betriebliche Lehrabsolventen zwischen 2014 bis 2017

Egon Blum hat dazu eine von ihm verfasste Broschüre an die Regierung und die Sozialpartner verschickt.  Darin untermauert er seine Sorge um den Fachkräftenachwuchs in Österreich  mit aktuellen Zahlen:

So haben von 2008 bis 2014 mehr als 7500 Lehrbetriebe in Österreich aufgegeben, die Lehrlingszahlen sind in diesem Zeitraum um mehr als 22.000 gesunken. „Noch dramatischer“ ist die Situation bei den Lehranfängern. Im Vorjahr haben um fast 10.000 Jugendliche weniger eine Ausbildung begonnen als 2008. Das Minus fällt weitaus stärker aus als der Geburtenrückgang. „Den demografischen Wandel zu beschwören, ist schlichtweg falsch“, sagt Blum. Der Rückgang der betrieblichen Lehrlinge seit 2008 ist mit 22.372 um einiges höher als der Rückgang der 15-Jährigen um 20.787.

Egon Blum hatte als Lehrlingsbeauftragter der Regierung (im Bild mit Wolfgang Schüssel) den Blum-Bonus eingeführt.
Egon Blum hatte als Lehrlingsbeauftragter der Regierung (im Bild mit Wolfgang Schüssel) den Blum-Bonus eingeführt. ©Egon Blum hatte als Lehrlingsbeauftragter der Regierung (im Bild mit Wolfgang Schüssel) den Blum-Bonus eingeführt.

Einmahnungen für die Lehrlings-Entwicklung

Kommerzialrat Blum bietet in seiner Broschüre Lösungsvorschläge an. Besonders wichtig sei eine überbetriebliche Qualitätsprüfung nach dem zweiten Lehrjahr. Dies soll die Qualität der Ausbildung nachhaltig und überzeugend sichern. Er begründet diese dringend erforderliche Neuorientierung in der Lehre damit, weil (oder da) die Lehre der einzige Ausbildungsweg ist, bei dem nach dem Antreten nur eine einzige verpflichtende Prüfung steht, nämlich die am Ende der Lehrzeit.

Seit Jahren sind es ca. ein Fünftel der Lehrlinge die bei der Lehrabschlussprüfung durchgefallen. Auf Vorschlag von Blum soll: „Ein Betrieb pro Lehrling, der den Qualifkationsnachweis zur Mitte der Lehrzeit besteht, einen Qualitäts-Bonus von 3.000 Euro erhalten“. Die Kosten dafür beziffert er bei 28.900 Lehrlingen im zweiten Lehrjahr auf ca. 86 Millionen Euro.

Blum-Bonus-Neu

Blum mahnt auch die Einführung eines Blum-Bonus Neu ein. Mit dem Blum-Bonus alt, der zwischen 2004-2008 angeboten wurde, waren es über 12.5000 zusätzliche betriebliche Lehrstellen,  die geschaffen werden konnten. Dieser Anreiz für die Aufnahme zusätzlicher Lehrlinge wurde 2009 – anscheinend – aus Kostengründen abgeschafft. Und um die Lehrstellen zu halten, pocht Blum auch auf die Einführung eines Treuebonus von 2.000 Euro für maximal zwei Lehrlinge pro Unternehmen und Jahr, um zu verhindern, dass sich noch mehr Betriebe von der Verantwortung der Lehrlingsausbildung zurückziehen.

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