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Koalitionswechsel in Finnland

Die finnischen Zeitungen waren sich am Montag in der Beurteilung der Parlamentswahlen einig: Die Zeichen stehen auf Koalitionswechsel, als großer Sieger wird Jyrki Katainen gefeiert.

Der 35-jährige Katainan hatte die konservative Sammlungspartei mit einem Plus von zehn Mandaten zu einem der besten Wahlergebnisse ihrer Geschichte geführt und die Sozialdemokraten auf den dritten Platz verwiesen. Als Gewinner stehen auch die Grünen da, die ihr Ergebnis von 2003 verbessern konnten und denen möglicherweise sogar eine Regierungsbeteiligung winkt.

Der favorisierte Ministerpräsident Matti Vanhanen und seine gemäßigt-konservative Zentrumspartei retteten ihren Vorsprung aus den Umfragen nur knapp über die Runden. Obwohl die Sozialdemokraten in ihrem ersten Schock – zum ersten Mal seit 1962 sind sie nur noch Dritte – vorerst nicht bereit waren, den Weg in die Opposition anzutreten und auch Vanhanen den Regierungsverhandlungen nicht vorgreifen wollte, steht der bisherige Regierungschef nun unter starkem Druck, gemeinsam mit den Konservativen eine Mehrheit im Parlament zu bilden.

Historischer Sieg der Konservativen

Noch am Sonntagabend meinte der erklärte Wahlsieger Katainen, dass seine Partei nach diesem Ergebnis wohl nur mit „erheblicher Gewalt“ von der Regierung fern gehalten werden könne. Ähnlich sahen das auch die finnischen Tageszeitungen. Das Meinungsbildungs-Flaggschiff „Helsingin Sanomat“ etwa sprach von einem „historischen Sieg“ der Konservativen: Nach dem Wahlergebnis sei eine „bürgerliche“ Regierung daher unvermeidlich die erste Alternative.

Politologe Jan Sundberg von der Universität Helsinki erwartet ebenfalls eine bürgerliche Regierung. Als Hauptgrund für die schwere Niederlage der Sozialdemokraten sieht er das Versagen, ihre Stammwähler zu motivieren. „Ich glaube nicht, dass so viele anders gewält haben, sie haben gar nicht gewählt“. Zu der überraschend niedrigen Wahlbeteiligung von 67,8 Prozent sei es unter anderem auch deshalb gekommen, weil besonders viele Finnen schon im Voraus ihre Stimme abgegeben hätten: „Der Status des Wahltages ist in Finnland nicht mehr so wie früher“.

Eine interessante Frage in den kommenden Wochen wird sein, welche weiteren Parteien an die Regierung gelangen könnten. Obwohl Zentrum und Konservative nun über eine knappe Mehrheit von 101 Stimmen im Parlament verfügen, hat Premier Vanhanen angekündigt, eine Regierungsbasis von 115-120 Abgeordneten anzustreben. Das bedeutet, dass zwei weitere Parteien in die Regierung aufgenommen werden müssten.

Neben der Schwedischen Volkspartei, die als Vertreterin der schwedischen Sprachminderheit ein ungeschriebenes Vorrecht auf Regierungsbeteiligung hat, glauben viele an eine mögliche Rückkehr der Grünen an die Regierung. Die konsensorientierten Finnen bevorzugten bisher stets ausgewogene Kabinette.

In den beiden „Regenbogenregierungen“ (1995 und 1999) des Sozialdemokraten Paavo Lipponen saßen die Grünen bereits einmal Schulter an Schulter mit den Konservativen im Ministerrat – bis Finnland im Jahr 2002 den historischen Beschluss für den Bau eines neuen Atomkraftwerks fällte und die Grünen aus Protest aus der Regierung austraten. Nach seiner Wahl zum Parteichef vor drei Jahren ventilierte Katainen jedoch, dass er sich in Zukunft wieder eine Zusammenarbeit mit den Grünen vorstellen könnte.

Gerade die Atomfrage dürfte aber einer der Punkte in den von Ministerpräsident Vanhanen erwarteten „schwierigen Verhandlungen“ bei der Regierungsbildung werden. Denn während die Grünen unter ihrer Chefin Tarja Cronberg einen weiteren Ausbau der Kernkraft in Finnland bisher strikt ablehnten, drängen die Konservativen auf den Bau eines weiteren, sechsten Atomreaktors, für den die Industrie die Pläne bereits in den Schubladen hat.

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