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Klagen nach Gesetzesänderung für Kinderbetreuungsgeld

Kinderbetreuungsgeld-Novelle vom März 2017 in der Kritik
Kinderbetreuungsgeld-Novelle vom März 2017 in der Kritik ©APA (dpa)
Wegen mangelnder Übergangsfristen zur Gesetzesänderung für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld haben zwei Frauen aus Wien im Oktober Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebracht. Der finanzielle Verlust für die Lehrerin und die Angestellte beträgt jeweils rund 20.000 Euro, wie deren Rechtsanwalt Sebastian Kinberger aus Salzburg im APA-Gespräch erklärte.

Die Novelle trat am 1. März 2017 in Kraft. Welche Problematik dahinter steckt, wenn sich Frauen für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld entschieden haben und im Vertrauen auf die damals noch geltende Gesetzeslage erneut schwanger wurden, erläuterte Kinberger anhand des Beispiels der Lehrerin. Die Frau bekam im November 2015 ihr erstes Kind, wurde 2016 erneut schwanger und brachte schließlich im August 2017 ihr zweites Kind zur Welt.

Schutzfrist gestrichen

Nach der alten Rechtslage wäre das Einkommen vor der Geburt des ersten Kindes herangezogen worden. Nach dem neuen Gesetz gilt aber das Einkommen in dem letzten Jahr vor der zweiten Geburt, “in dem die Mutter natürlich kein oder wenig Einkommen bezogen hat”, so der Jurist. “Zudem ist die 32-wöchige Schutzfrist vor dem Geburtstermin beim Wochengeld von der Gesetzgebung gestrichen worden.”

Voraussetzung für ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld für das zweite Kind sei aber die Zuerkennung des Wochengeldes. “Wenn also die Mutter für das zweite Kind kein Wochengeld bekommt, dann bleibt ihr auch das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld verwehrt. Sie kann lediglich das pauschale Kinderbetreuungsgeld beziehen, das naturgemäß viel geringer ausfällt”, kritisierte der Anwalt der Kanzlei Kinberger-Schuberth-Fischer aus Zell am See.

“Massive Gesetzesänderung” nicht absehbar

Die Lehrerin hatte sich bei der Planung ihres zweiten Kindes abermals für das Modell des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes entschieden. In diesem Zeitraum sei von einer “derart massiven Gesetzesänderung” nie die Rede gewesen, so der Jurist. “Wenn die Mütter davon gewusst hätten, hätten die wenigsten ein zweites Kind in der Karenzzeit eingeplant.” Nach der neuen Rechtslage, über welche die Lehrerin damals nicht informiert war, wurde nicht mehr das Gehalt vor dem ersten Kind berücksichtigt, “sondern es wurde einfach das Gehalt vor der zweiten Geburt herangezogen, wo wenig beziehungsweise gar kein Einkommen erwirtschaftet werden konnte.”

Angemessene Übergangsfrist

Die neue Rechtslage greife enorm in die Anwartschaftsrechte werdender Mütter ein, kritisierte Kinberger. Das Fehlen einer angemessenen Übergangsfrist und einer ordnungsgemäßen Aufklärung der Bevölkerung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und Vertrauensgrundsatz. Das neue Gesetz sei daher verfassungswidrig. “Bei einer Übergangsfrist von eineinhalb Jahren hätte sich jeder auf die Gesetzesänderung einstellen können.”

Die Lehrerin erhielt einen Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter (BVA), in dem das Kinderbetreuungsgeld abgewiesen wurde. Dagegen brachte Kinberger am 31. Oktober Klage ein. Im Fall der Angestellten habe er am 17. Oktober die Wiener Gebietskrankenkasse geklagt. Am 5. Dezember kommt es am Wiener Arbeits- und Sozialgericht zu einer ersten Verhandlung, eine weitere Verhandlung findet dort im März statt. Das Gericht habe die Möglichkeit, von sich aus den Akt dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) vorzulegen oder selbst ein Urteil zu fällen. Falls dieses für die beiden Frauen negativ ausgeht, besteht die Möglichkeit, eine Gesetzesbeschwerde beim VfGH einzubringen.

(APA)

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