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Kinderdorf: Mutter stand unter Verdacht

Bregenz - Über Jahre hinweg soll ein 63-jähriger Pensionist Mädchen im Vorarlberger Kinderdorf sexuell missbraucht haben - der gestrige Prozessauftakt dauerte nur zwei Stunden.

Bis zur Urteilsverkündung wird wegen diverser Gutachten noch viel Zeit verstreichen.

Der 63-Jährige ist der Ehemann einer ehemaligen Kinderdorfmutter, die ihren Arbeitsvertrag nach Bekanntwerden der Vorfälle mit dem Kinderdorf einvernehmlich gelöst hat. Der Missbrauch soll sich über Jahre hinweg an insgesamt sechs minderjährigen Mädchen erstreckt haben – die betroffene Kinderdorfmutter hat angeblich vom Treiben ihres Ehemanns nichts mitbekommen.

„Wie kann das sein?“, fragte sich nicht nur die Öffentlichkeit sondern auch die Staatsanwaltschaft.

Verfahren eingeleitet

Denn nun wurde bekannt: Gegen die Mutter wurde nach Bekanntwerden der Vorfälle seitens der Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Beitragstäterschaft eingeleitet. Der damalige Anfangsverdacht: Die Frau hat von den Vorfällen gewusst und nichts getan. „Im Zuge der Untersuchungen hat sich dann allerdings der Verdacht nicht bestätigt, es gibt für die Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte, dass die Frau etwas gewusst hat“, so der leitende Staatsanwalt Dr. Franz Pflanzner. zu den „VN“.

Zur Rolle der Ehefrau hält sich der Verteidiger des 63-jährigen Pensionisten – der Feldkircher Anwalt German Bertsch – kurz: „Sie sagt nichts dazu, besucht ihren Mann aber im Gefängnis“, gibt der Verteidiger Auskunft. „Das Verfahren gegen die Frau wurde eingestellt“, stellt der Anwalt klar, der Gattin des Angeklagten könne nichts angelastet werden.

„Richtigstellen“

German Bertsch glaubt, nur mit weiteren Beweisaufnahmen seinem Mandanten helfen zu können. Zeigte sich der Pensionist anfangs geständig, schwächt er jetzt deutlich ab. Bertsch erklärt dieses Verhalten folgendermaßen: „Detailliert hat mein Mandant die Vorwürfe nie selbst zugestanden. Er sagte vor dem Untersuchungsrichter nur, dass die Aussagen der Mädchen schon stimmen werden, wenn diese das so angeben.“

Als der Fall aufflog, sei alles über seinem Mandanten zusammengebrochen, gleichmütig habe er die Vorwürfe zugestanden. Später habe sich der Angeklagte entschieden, die Dinge „richtigzustellen“, so der Anwalt.

Angeklagte werden in aller Regel darauf hingewiesen, dass ein Geständnis im Falle eines Schuldspruchs ein wesentlicher Milderungsgrund bei der Strafbemessung ist. „Wir haben uns unabhängig davon entschieden, nur das zuzugeben, was wirklich vorgefallen ist“, so Bertsch.

Auf die Frage, welches Motiv die Mädchen hätten, den 63-Jährigen dermaßen zu belasten antwortet der Verteidiger, dass es unbestritten sei, dass es zu Vorfällen gekommen sei. „Es gab Übergriffe, aber unserer Meinung nach übertreiben die Mädchen. Die eine steckte die andere an, jede legt noch ein bisschen was dazu und so kommt es zu diesen Angaben“, ist Bertsch überzeugt.


Stellungnahme der Kinder- und Jugendanwaltschaft Vorarlberg

Im VN-Bericht vom 26.9.2007 sowie auf vol.at wird RA German Bertsch wie folgt zitiert: „ Es gab Übergriffe, aber unserer Meinung nach übertreiben die Mädchen. Die eine steckte die andere an, jede legt noch ein bisschen was dazu und so kommt es zu diesen Angaben“, ist Bertsch überzeugt. Auch wenn es dem Rechtsanwalt des Beschuldigten unbenommen bleibt im Sinne seines Mandanten alle Mittel auszuschöpfen ist es untragbar, mit solchen Aussagen an die Öffentlichkeit zu gehen. Es ist und bleibt Aufgabe des Gerichts, die Aussagen der Mädchen zu bewerten und es war eine wichtige und richtige Maßnahme die Öffentlichkeit von der Verhandlung auszuschließen. Für betroffene Opfer von sexueller Gewalt – und dabei spielt es keine Rolle wie schwer die Übergriffe waren! – ist es im höchsten Maß beschämend und erniedrigend, wenn ihre Aussagen öffentlich diskutiert und kommentiert werden. Neben der Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz bleibt es immer eine subjektive Angelegenheit, ob ein Übergriff als „schwer“ oder „leicht“ empfunden wird. Der öffentliche(!)Vorwurf der Übertreibung ist im Sinne der betroffenen Mädchen zurückzuweisen.

Michael Rauch
Kinder- und Jugendanwalt

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