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Kali & Wunu

Ulrich Gabriel
Ulrich Gabriel

Ich spüre den Vielhändigen hinter mir. Und wieder frage ich mich, ob es ein Mann oder vielleicht gar eine Frau ist. Gott? Göttin? Ist das vielhändige Wesen eine Frau, dann muss es Kali genannt „Die Schwarze“ sein, Göttin des Todes und der Zerstörung. Laut Googlehinduismus hat nur sie zwischen vier und zehn Hände. Heute werde ich nicht angefasst. Gut. Ich schwinge mich aufs Pferd und trabe die Hatlerstraße hinauf. Zuvor segne ich meine treuen LeserInnen und gebe den andern einen Tritt. In diesem Moment wird das Hatlerdorf, diese von städtischen Lebkuchennikoläusen zergliederte Kleinhäuslervorstadt aus Mährobotergärtchen, Raucherhusten und Tankstellenbuden mit schrecklichem Brüllen erfüllt. Der große Zorn ist da. Durga? Django? Ich halte die Ohren zu. Kein bürgerliches Gasthaus nirgends. Vor mir das SPAR-Loch, daneben modert der schmierige Löwen vor sich hin, einstmals stolzes Dorfgasthaus, heute eine zerfallende Mietenabzocke. Visàvis reckt ein Wohnturm seinen Giraffenhals aus dem genormten Betonleib. Dahinter wuseln AlltagskäferInnen in Leggins und wärmen im Mikrowellenherd gefrorene Semmel auf. Mittendrinn streckt in Übergröße die Kirche ihren Turm heraus, von dem alle nicht mehr wissen, als dass er der höchste Turm bis Hohenems ist und mit dem Allerhöchsten in Verbindung steht.

Ich halte das Pferd an, binde es an einen der großen Bäume am Kirchplatz. Die Gläubigen sollen wissen, dass ich da bin. Das Pferd ist mein Gehirn, ich bin sein Reiter und beides. Ich kauf ein Zufallslos. Ich lese: “Hunger auf Kunst?“ Nein danke! Auf Wursthörnle. Gehe zur SPAR-Ausspeisung hinüber. Ampel rot, grün kommt gleich, kommt gleich, grün. Der Zebrastreifen ist die Furt durch den LKW-Fluss. Ich trete nur auf die weißen Striche und rette mich auf den Gehsteig. Gehe vorbei am Marie-Verkäufer, sehe das Menü-Angebot: „Wursthörnle mit grünem Salat!“ O Wunder! Nehme ein Tablett, Besteck und stell mich an. Suppe? Ja. Gemüsesuppe. Kommt. Mit roten Gelbrübenrädchen sieht sie mich mehlig weißgrau an. Alles aufgegessen. Wunu auch. Mhm. Was noch?

Wir feiern den fünfzehntwarmen November seit der Klimakteriumzählung. Alle sind froh noch einmal davongekommen zu sein und warten auf den sechzehntwarmen Dezember. Phönix bringt die UNO-Klimakonferenz live: Am Rednerpult kasperlt gerade Bundesopa Bellen van der Arktis mit einem kleinen Eisbären in der rechten Hand. Es heißt, er habe eine flammende Rede auf inglisch gehalten. Bedrohlich wackelt das Plüscheisbärle. Hat was Horromäßiges. Seid ihr alle da? „Jaaa!“ rufen 99,94% Gleichmeinungswitzenschaftler. Seit 25 Jahren (1. Konferenz) steht hier die Zeit still. Es ist nämlich immer Fünf vor Zwölf. Alle halten hier vor sich selbst flammende Reden. Dass sie sich nicht verbrennen (C02!). Der Stoffeisbärleumsatz steigt.

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