“Ich will keine Leiche zum Leben erwecken, sondern Salzburg mit der wunderbaren Musik Jommellis und der neapolitanischen Schule vertraut machen”, so Riccardo Muti, Maestro aus Neapel, “Demofoonte”-Dirigent und künstlerischer Leiter des Pfingstfestspiels vor der Premiere. Wer die Totenruhe einer Oper stört, sollte dies genauer begründen können.
Inhaltlich ist “Domofoonte” eine Seifenoper für den Zeitgeist des 18. Jahrhunderts. Ein aus heutiger Sicht lächerliches Durcheinander von Verliebtheiten und Elternschaften, wobei am Ende die Schwester zur Gattin und der Neffe zum Sohn werden. Auch König und Vater tauschen ihre Rollen. Und all das, weil Jungfrauen geopfert werden müssen – die Götter der Antike wollen es so.
Regisseur Cesare Lievi und Bühnenbildnerin Margherita Palli haben dafür einen adretten Rahmen geschaffen. Säulen liegen quer, aber sonst ist alles weiß und blitzsauber. Am Rand steht ein appetitlicher Obstkorb, die Büsche hängen oben – gleich links vom Vollmond – und ein paar Polster liegen in der Mitte, damit sich die Schmachtende die Ellenbogen nicht aufschürft. Gepflegter Landhausstil für eine heile, leere Opernwelt.
Lievi und Palli haben die Oper also bloß bebildert und nicht künstlerisch gedeutet: Ausstatter statt Interpreten. Etwas anderes will Muti bekanntlich auch gar nicht. Damit nichts von der Musik ablenkt, die ja das Herzstück aller Opern ist. Aber dann müsste die Musik auch mit Herz gespielt sein. War sie aber nicht.
Niccolo Jommelli (1714-1774) war zweifellos ein handwerklich hervorragender Komponist seiner Zeit. Manche Arien klingen sogar inspiriert, virtuose Gesangslinien winden sich um originelle Melodien, und die Orchester-Einleitungen und Zwischenspiele sind flott und gekonnt gesetzt. Aber statt die Ecken und Kanten herauszuarbeiten und die Musik zu dramatisieren, glättete Muti den Klang, verschmierte die Energie und formte jenen zähen Einheitsbrei, der in über drei Stunden Spielzeit lähmend fad ist. Nur die vielen kleinen technischen Patzer der Orchestra Giovanile “Luigi Cherubini” störten den Opernschlaf. Und die Sänger, sie waren die einzigen, die den Salzburger “Demofoonte” davor bewahrten, ausschließlich Zeitverschwendung zu sein.
“Demofoonte” ist ein Stück nur für Stimmen in hohen Lagen. Frauen schlüpfen in Hosenrollen, und Countertenöre ersetzen die Kastraten – nicht eine einzige tiefe Stimme. Wenn man sich an dieses Klangbild einmal gewöhnt hat, dann tritt Mezzosopranistin Jose Maria Lo Monaco als Timante in den Mittelpunkt. Ihr sind die meisten Arien zugewiesen, und Schiavo bewältigte sie mit schlanker Eleganz, tadelloser Höhe und nicht ganz so kraftvoller Tiefe. Nur selten unterliefen ihr kleine Intonationsfehlerchen. Ähnliches ist über Valentina Coladonato als “Dann-doch-Thronfolger” Cherinto, Eleonora Buratto als Creusa und Sopranistin Maria Grazia Schiavo als Dircea zu sagen. Die Countertenöre Dmitry Korchak als Demofoonte, Antonio Giovannini als Matusio und Valer Barner-Sabadus als intonationstechnisch nicht ganz so sicherer Adrasto ergänzten ein insgesamt sehr gutes Solisten-Ensemble, das den Salzburger Opernabend trotzdem nicht retten konnte.
“Demofoonte”, Dramma per musica in drei Akten von Niccolo Jommelli aus dem Jahr 1770 nach einem Libretto von Pietro Metastasio. Koproduktion der Salzburger Pfingstfestspiele, des Festivals in Ravenna und der Pariser Oper. Premiere in Salzburg am 29. Mai 09. Musikalische Leitung: Riccardo Muti, Regie: Cesare Lievi, Bühne: Margherita Palli. Kostüme: Marina Luxardo. Mit: Dmitry Korchak, Jose Maria Lo Monaco, Maria Grazia Schiavo, Antonio Giovannini, Eleonora Buratto, Valentina Coladonato und Valer Barna-Sababus. http://www.salzburgfestival.at
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