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"Jeder Suizidversuch ist ein Hilferuf“

Mobbing in sozialen Netzwerken können sich speziell bei Jugendlichen negativ auf die Psyche auswirken.
Mobbing in sozialen Netzwerken können sich speziell bei Jugendlichen negativ auf die Psyche auswirken. ©Sams
Selbstmord ist bei jungen Erwachsenen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren die zweithäufigste Todesursache. Die Gründe dafür sind unterschiedlichster Art, weiß Andreas Prenn, Leiter der Supro Vorarlberg.

„Das Wichtigste ist, zu begreifen, dass Menschen mit suizidalen Gedanken nicht sterben wollen, sie wollen oder können nur nicht mehr so weiterleben wie bisher“, erklärt Andreas Prenn. „Jeder Suizidversuch ist ein Hilferuf.“ Ein Hilferuf, den es vom Umfeld der Betroffenen zu hören gilt, genauso wie die ersten Warnzeichen und Auslöser. Die Gründe, warum junge Erwachsene suizidale Gedanken hegen, können laut Prenn sehr unterschiedliche sein. „Was aber durchaus eine Rolle dabei spielt, dass junge Erwachsene in Depressionen verfallen und in letzter Konsequenz dann mit suizidalen Gedanken spielen, sind soziale Netzwerke.“ Mobbing spiele sich heute nicht mehr „nur“ im Klassenzimmer ab, sondern habe durch das Netz schon längst den Weg in die heimischen vier Wände gefunden. Auch die scheinbar perfekte Welt, die Jugendlichen auf Social Media oft präsentiert wird, und der Druck, ständig erreichbar sein zu müssen, wirke sich nicht selten negativ auf die Psyche aus. Dabei spielen laut Prenn die Eltern und der Zugang, den die Jugendlichen schon als Kinder zu sozialen Netzwerken bekommen, eine zentrale Rolle. „Für Pädagogen bieten wir spezielle Fortbildungen im Bereich der Suizidprävention an, die von den Fachkräften auch äußert gut angenommen werden“, informiert der Experte.

Drei Phasen bis zum Suizidversuch

Generell können suizidale Handlungen in drei Phasen unterteilt werden. „Zunächst ist da die gedankliche Beschäftigung mit dem Thema“, erklärt Prenn. In dieser Phase würden sich Betroffene innerlich mit einem Suizid als Lösung für bestimmte Probleme auseinander setzten. „In der zweiten Phase werden dann konkret die positiven und negativen Seiten eines Suizids gegenübergestellt und abgewogen.“ Besonders gefährlich und schwer für das Umfeld erkennbar ist dann die dritte Phase, in welcher der Suizid als einzig möglicher Ausweg gesehen wird und die akribische Planung des Selbstmordversuches im Vordergrund steht. „Diese Phase wirkt nach außen oft so, als hätten sich die Probleme bereits gelöst und als wären die Betroffenen mit sich im Reinen. Aber das ist ein gefährlicher Irrglaube“, so Prenn. Wenn Betroffene einmal so weit sind, reiche schon ein kleiner Rückschlag wie beispielsweise die Zurückweisung eines Menschen oder eine schlechte Note in der Schule, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.

Freundeskreis als Anlaufstelle

Im Jugendalter seien laut Experte Prenn Freunde oft die wichtigsten Bezugspersonen. Ihm zufolge ist das Gespräch mit Betroffenen ein essenzieller Bestandteil der Suizidprävention. „Denn nur so können Betroffene sich öffnen und gemeinsam mit vertrauten Personen nach Lösungen suchen.“ Für ihn darf Suizid kein Tabuthema mehr sein und auch die Scheu, jemanden auf Suizidgedanken anzusprechen, sieht der Experte als unbegründet. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Betroffene oft froh über Gespräche sind und sich so öffnen können.“ Behutsames Vorgehen stehe dabei aber an oberster Stelle. Der Mythos, den viele noch in ihren Köpfen mit sich tragen, dass man Betroffene durch das Ansprechen auf einen Suizidversuch zu genau jenem verleite, stimme nicht. Im Gegenteil: „Gespräche können Leben retten“, ist Prenn sich sicher.

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