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Italien: Prodi weiter unter Druck

Sechs Wochen nach seinem Amtsantritt sieht sich der italienische Regierungschef Romano Prodi einer ersten massiven Protestwelle gegenüber.

Nach den massiven Protesten der Taxifahrer diese Woche treten nun auch die Rechtsanwälte in den Streik. Die Verteidiger kündigten einen zwölftägigen Streik an. Sie werden vom 10. bis 21. Juli die Arbeit niederlegen. Nur bei den wichtigsten Prozessen werden die Rechtsanwälte an diesen Tagen dabei sein. Die Protestwelle soll mit einer nationalen Protestkundgebung in Rom abgeschlossen werden.

Mit dem Streik protestieren die Rechtsanwälte gegen ein Paket der Regierung Prodi mit Maßnahmen zur Liberalisierung im Dienstleistungsbereich. Demnach müssen die Anwälte ihre Mindestsätze streichen. Das bisher für die geschützten Freiberufler geltende Werbeverbot wird abgeschafft. Nun können auch die Freiberufler ihre Leistungen und Preise in der Werbung anpreisen.

Die Rechtsanwälte befürchten, dass die Abschaffung der Mindestpreise negative Auswirkungen auf diesen Berufsstand haben wird. Da jedes Jahr 15.000 neue Rechtsanwälte in diesen Beruf eintreten, drohe Italien eine Generation von „Low-Cost-Verteidigern“, was zu einer Verschlechterung der Qualität führen werde. „Auf dem Spiel steht die Zukunft des Berufsstandes“, so Ettore Randazzo, Präsident der italienischen Rechtsanwaltskammer.

Auch die italienischen Notare stehen mit den Liberalisierungsplänen der Regierung Prodi auf Kriegsfuß. Sie sind aufgebracht, weil sie in Zukunft beim Besitzwechsel von Autos und Motorrädern nicht mehr mitverdienen. Beim Verkauf eines Gebrauchtwagens müssen die Vertragspartner künftig nicht mehr zum Notar, der bisher dafür mehrere Hundert Euro in Rechnung stellen konnte. „Tausende von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel“, sagte ein Sprecher der Notarverbands.

Ähnliche Protestaktionen bereiten auch die Apotheker vor. Sie protestieren gegen den Beschluss der Regierung, den Verkauf von Medikamenten, die keine ärztliche Verschreibung brauchen, auch in Supermärkten zu erlauben.

Einzige positive Nachricht ist für Regierungschef Romano Prodi das Ende des Taxifahrer-Streiks. Nach einem fünftägigen Protest, der vor allem in Rom zu chaotischen Zuständen geführt hatte, zeigten sich die Taxiinhaber zum Dialog mit der Regierung bereit. „Das Liberalisierungsdekret muss geändert werden, wir sind aber zu Verhandlungen mit dem Kabinett bereit“, sagte ein Sprecher der Taxifahrer. Die am 11. Juli geplante nationale Protestaktion wurde jedoch bestätigt.

Am Mittwoch hatten sich Hunderte wütender Taxifahrer auf dem Circus Maximus in Rom versammelt. Das Gelände im Herzen Roms wurde abgeriegelt. Die Demonstranten skandierten Proteste gegen Prodi, der am vergangenen Freitag eine Lockerung der Regelungen für die Vergabe von Lizenzen im Taxigewerbe beschlossen hat. Die Stimmung war aufgeheizt, Forschungsminister Fabio Mussi wurde von einem aufgebrachten Taxifahrer angegriffen. Auch ein Fotograf wurde geschlagen.

Künftig sollen die Gemeinden frei über die Vergabe von Taxi-Lizenzen verfügen können und diese für Großereignisse auch punktuell vermehren dürfen. Weiter soll ein Fahrer künftig mit einer Lizenz mehrere Taxis unterhalten können. Der Markt soll dadurch geöffnet werden, was für die Konsumenten Einsparungen bedeuten würde. Die Taxifahrer, die zu den bestorganisierten und kämpferischsten Lobbies in Italien zählen, befürchten, dadurch ihre Machtposition zu verlieren. Mehrere von ihnen haben hohe Summen für die teuren Lizenzen gezahlt, die jetzt liberalisiert werden sollen.

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