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Israel-Visite: Ex-Kanzler Vranitzky kritisiert Sebastian Kurz wegen Zurückhaltung bei FPÖ

Vranitzky kritisiert Kurz vor dessen Israel-Besuch.
Vranitzky kritisiert Kurz vor dessen Israel-Besuch. ©APA
Altkanzler Franz Vranitzky (SPÖ) äußerte sich im Vorfeld des Israel-Besuchs von Bundeskanzler Sebastian Kurz kritisch gegenüber dessen Haltung zum Koalitionspartner FPÖ. Vor allem die Zurückhaltung bei antisemitischen Ausfällen innerhalb der Blauen missfällt ihm.

Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) hat den aktuellen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor dessen Israel-Visite wegen dessen Zurückhaltung bei antisemitischen Ausfällen innerhalb der FPÖ kritisiert. “Die beiden Regierungsparteien geraten einander bei kontroversiellen, rechtslastigen Angelegenheiten nicht in die Haare”, sagte er der Tageszeitung “Kurier” (Samstagsausgabe).

Vranitzky kritisiert Kurz vor Israel-Besuch wegen Haltung zu FPÖ

“Ich nehme an, dass Bundeskanzler Kurz das Zurechtrücken zu seinem politischen Credo gemacht hat”, merkte Vranitzky an. Einer Wiederholung seiner im Jahr 1993 bei einem Israel-Besuch getätigten Aussagen zu Österreichs Mitverantwortung am Holocaust durch Kurz misst der Ex-Kanzler offenbar keinen politischen Mehrwert bei, zählt er sie doch mittlerweile zum “Allgemeingut österreichischer politischer Analysen”. Vielmehr verwies der langjährige scharfe Kritiker der FPÖ auf die antisemitischen Ausfälle in den Reihen der Regierungspartei und sagte, “dass Israel sehr genau darüber Bescheid weiß, wie die sogenannten Einzelfälle sich ständig wiederholen”.

Zur Israel-Affinität von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache meinte Vranitzky: “Selbst wenn man ihm das abnimmt, bleibt es bei den vielen Einzelfällen. Er behauptet, keinerlei Antisemitismus in sich zu tragen, aber auf der anderen Seite weist er seine Einzelfälle nicht so in die Schranken, dass sie damit aufhören.”

Mit FPÖ-Boykott in Israel “habe man rechnen müssen”

Die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Israel bezeichnete Vranitzky als “intakt”. Mit dem Boykott der FPÖ-Minister durch Israel habe man rechnen müssen. “Ob das eine Störung der gesamtstaatlichen Beziehung ist, sei dahin gestellt.”

Von Kanzler Kurz erwartet sich Vranitzky, dass er gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu den Atomdeal mit dem Iran als etwas darstellt, “das man positiv sehen sollte”. Vranitzky sprach von einer “explosiven Gemengelage” in der Region: “Die gemeinsame Feindschaft Israels, der USA und Saudi-Arabiens zum Iran ist nicht gerade ein Stabilisierungselement im Nahen Osten.”

Israelische Expertin zu Kurz-Besuch: “Unbequeme Ecke”

Anlässlich des bevorstehenden Besuchs von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Israel vertritt die israelische Expertin Adi Kantor angesichts der Regierungsbeteiligung der FPÖ die Einschätzung: “Die israelisch-österreichischen Beziehungen sind in einer sehr unbequemen Ecke gelandet.”

“Auf der einen Seite will Israel gute Beziehungen mit Österreich beibehalten. Auf der anderen Seite kann Israel nicht über die rechtsextreme, anti-Migranten-, anti-Establishment- und Europa-skeptische Partei in der Regierung mit klaren antisemitischen Wurzeln hinwegsehen”, meinte Kantor vom Institut für nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv.

Die FPÖ habe sich nicht vollständig von ihren judenfeindlichen Ursprüngen gelöst. “Die FPÖ ist eine Partei mit einer sehr problematischen Vergangenheit, die von einem ehemaligen SS-Mann (Anton Reinthaller) gegründet wurde”, sagte die Politikwissenschaftlerin.

Israels Haltung zu FPÖ klar

Mit dem Amtsantritt der neuen Regierung in Österreich machte Israel seine Haltung klar: Es werde keine Zusammenarbeit mit den Ministern der rechten Partei FPÖ geben, vorläufig lediglich einen Austausch auf Arbeitsebene.

Die Regierungschefs beider Länder verstehen sich dagegen gut. Kurz und Israels Premier Benjamin Netanyahu stehen schon seit Jahren in engem Kontakt und telefonieren häufig miteinander. Ihr sehr freundschaftlicher Umgang hat sich in den Außenminister-Jahren von Kurz entwickelt. “Sie schätzen aneinander die jeweils realistische Sicht auf die Dinge und die Handschlagqualität”, heißt es in Wiener Regierungskreisen.

Angesichts des guten Verhältnisses zwischen Netanyahu und Kurz erschien es naheliegend, dass Österreichs Botschafter Martin Weiss einen Vorabend-Empfang zur Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem besuchte – als einziger Vertreter eines EU-Landes neben Rumänien, Ungarn und Tschechien. “Es gibt Dinge in der Außenpolitik, wo man Spielräume hat”, sagt Weiss. “Da muss man nicht päpstlicher als der Papst sein.” Die Europäische Union hatte sich äußerst besorgt über die Verlegung der Botschaft gezeigt.

Es gebe eine europäische Position dazu, wo sich die Botschaften der EU-Länder derzeit befänden, sagt Weiss. Aber: “Wir verstehen die Freude in Israel, die quer über alle politischen Grenzen hinweg geht, darüber, dass nicht so getan wird, als ob die Frage nach Jerusalem als Hauptstadt Israels noch ungelöst ist.” Die eigentlich ungelöste Frage sei doch: “Gibt es in Jerusalem auch noch Platz für die Hauptstadt eines künftigen palästinensischen Staates?”

Israelis sprechen nur mit Fachleuten der FPÖ-Ministerien

Nach wie vor sprechen die Israelis lediglich mit den Fachleuten der FPÖ-Ministerien. Allerdings ist die Reaktion Israels nach dieser Wahl deutlich milder ausgefallen als in der Vergangenheit. Als es im Jahr 2000 zur Bildung einer ÖVP-FPÖ-Koalition kam, zog Israel aus Protest noch seinen Botschafter aus Wien ab – für Jahre.

Die FPÖ ist im In- und Ausland weiter unter Beobachtung, wie sie mit Österreichs Nazi-Vergangenheit umgeht. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat Israel mehrfach besucht und betont immer wieder, dass Antisemitismus und Rassismus keinen Platz in der Partei hätten. Einzelfälle gebe es zwar, aber dann würden Konsequenzen gezogen. “Ich lasse nicht im Raum stehen, dass die FPÖ pauschal in ein Licht gerückt wird, wo sie nicht hingehört.”

Im Jänner hatte die “Liederbuch-Affäre” für internationale Schlagzeilen und Empörung gesorgt. Der FPÖ-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Niederösterreich, Udo Landbauer, war im Vorstand einer Burschenschaft, in der ein Liederbuch mit antisemitischen Texten kursierte. Er verzichtete nach der Wahl, bei der die FPÖ auf 14,8 Prozent kam, auf alle Ämter.

Wie andere rechte Parteien in Europa präsentiere sich die FPÖ islamfeindlich und israelfreundlich, sagt Kantor. “Teile des israelischen Parlaments glauben: Der Feind meines Feindes ist mein Freund”. Dies sei jedoch falsch. “Das sind nicht unsere echten Freunde.” Wer heute gegen Muslime sei, sei morgen gegen Juden, befürchtet Kantor. Sie warnt vor einer verfrühten Normalisierung der Beziehungen. “Israel muss sehr, sehr vorsichtig sein.”

(APA/Red)

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