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Israel startete Offensive

Erstmals seit neun Monaten ist die israelische Armee in der Nacht auf Mittwoch in den Gaza-Streifen eingerückt. Ziel der Offensive sei die Befreiung eines verschleppten Soldaten.

Dies sagte ein Militärsprecher. Zuvor hatten Kampfjets mehrere Brücken sowie ein Elektrizitätswerk im Gaza-Streifen angegriffen. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas verurteilte die Angriffe auf zivile Infrastruktur als „Kollektivstrafe“ und als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Die Hamas-Regierung bezeichnete den Einsatz als „ungerechtfertigt“.

In der Nacht war ein Ultimatum der israelischen Regierung für die Freilassung des 19-Jährigen verstrichen. Ägyptische und französische Vermittlungsversuche waren zuvor nach Angaben einiger Beteiligter gescheitert. Palästinensische Extremisten hatten als Bedingung für eine Information über die Geisel eine Freilassung palästinensischer Frauen und Jugendlicher aus israelischen Gefängnissen gefordert. Israel lehnt dies ab.

Eine militante palästinensische Gruppe drohte nach Beginn der Offensive mit der Ermordung eines entführten Siedlers. Israel wiederum nahm den politischen Führer der Hamas, Khaled Meshaal, ins Visier. Meshaal sei ein Ziel für eine gezielte Tötung, weil er die Entführung angeordnet habe, sagte Justizminister Haim Ramon am Mittwoch im israelischen Armeerundfunk. Der in Syrien lebende Meshaal sei für den Anschlag auf einen israelischen Stützpunkt verantwortlich, bei dem am Sonntag zwei Soldaten getötet und einer entführt wurden.

Ministerpräsident Ehud Olmert erklärte, zur Befreiung des 19-jährigen Gilad Shalit werde seine Regierung auch vor „extremen Aktionen“ nicht zurückschrecken. Die Militäroffensive im Gaza-Streifen werde in den kommenden Tagen fortgesetzt. „Wir haben nicht vor, Gaza wieder zu besetzen. Wir wollen nicht dort bleiben. Wir haben ein Ziel, und das ist, Gilad heimzubringen“, erklärte Olmert. Der Militäreinsatz ist die erste Bodenoffensive im Gaza-Streifen, seit nach der Aufgabe der jüdischen Siedlungen in dem Autonomiegebiet am 20. September auch die letzten israelischen Truppen abzogen.

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner rief die Konfliktparteien zur Mäßigung auf und forderte die Freilassung des Soldaten. Beide Seiten müssten eine Krise vermeiden, „die niemand mehr kontrollieren kann“, hieß es in einer Erkärung.

Die Offensive begann in den frühen Morgenstunden mit Luftangriffen. Auf das einzige Elektrizitätswerk von Gaza seien mindestens neun Raketen abgefeuert worden, teilten palästinensische Sicherheitskräfte mit. 65 Prozent des Gaza-Streifens hätten nun keinen Strom mehr, sagten Mitarbeiter des Kraftwerks. Ferner wurden drei Brücken aus der Luft angegriffen. Durch ihre Zerstörung ist der Gaza-Streifen nach palästinensischen Angaben in zwei Hälften geteilt. Nach israelischen Militärangaben sollte verhindert werden, dass die Entführer ihre Geisel innerhalb des Autonomiegebiets an einen anderen Ort bringen oder über die Grenze nach Ägypten fliehen.

Die Armee bezog Stellung in der Nähe des außer Betrieb stehenden internationalen Flughafens bei Rafah und besetzte damit einen aus militärischer Sicht günstigen Ausgangspunkt für weitere Operationen. „Wir wollen (den Palästinensern) zunächst Luft zum Atmen lassen“, sagte ein Sprecher der israelischen Armee. „Wir wollen nicht in die Lage geraten, dass wir zu viel tun und damit die Sicherheit der Geisel untergraben.“ Im nördlichen und zentralen Grenzabschnitt zum Gaza-Streifen standen weitere Einheiten für einen Vormarsch bereit.

Palästinenser verschanzten sich hinter Mauern und Sandwällen. Rund um Gaza-Stadt gingen maskierte Extremisten in Stellung, nachdem mehrfach israelische Kampfjets über die Stadt hinweggeflogen waren. In der Stadt wurden Barrieren aus Reifen und Sand errichtet, um israelische Panzer aufzuhalten. Mitglieder von drei militanten Gruppen erklärten, sie hätten eine Rakete auf die israelische Ortschaft Nahal Oz abgefeuert, wo sich weitere israelische Truppen sammelten.

Ein Anführer der regierenden Hamas-Bewegung rief die Palästinenser zu den Waffen: „Kämpft gegen die Feinde, die gekommen sind, um zu sterben“, sagte er in einem im Rundfunk übertragenen Appell. Zunächst waren jedoch keine Anzeichen für Zusammenstöße oder Kämpfe zu erkennen.

Nach Beginn der israelischen Offensive drohten die palästinensischen „Volkswiderstandskomitees“ (PRC), einen entführten jüdischen Siedler zu ermorden. Eliahu Asheri werde „vor Fernsehkameras abgeschlachtet“, falls die Militäraktion nicht eingestellt werde, kündigte ein PRC-Sprecher im Fernsehsender Al Jazeera an. Die namentliche Nennung des Opfers veranlasste laut einem Bericht des israelischen Rundfunks die Behörden, den bis dahin angezweifelten Angaben des PRC über die Entführung Glauben zu schenken.

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