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Islamischer Friedhof wurde eröffnet – Tag der offenen Tür bis 17 Uhr

Ali Can und seine Tochter betreuen den islamischen Friedhof.
Ali Can und seine Tochter betreuen den islamischen Friedhof. ©VOL.AT, Philipp Steurer
Altach - Am heutigen Samstag wurde der erste islamische Friedhof in Vorarlberg eröffnet. Ab 10.30 Uhr starteten die Feierlichkeiten in Altach. Bis 17 Uhr können alle Interessierten beim "Tag der offenen Tür" kulturelle Eindrücke sammeln.
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Eigentlich ist Aysegül Cetinkaya (33) ein Zahlenmensch. Vor acht Jahren hat sie sich als Bilanzbuchhalterin selbstständig gemacht. Aber sie ist auch Ali Cans Tochter. 2002 hat der Arbeiter mit Hilfe Aysegüls ein Bestattungsunternehmen gegründet. Sie beide betreuen Vorarlbergs ersten islamischen Friedhof in Altach.

Der Hohenemser Imam Ahmet Altaci hat sein liturgisches Gewand angelegt, Ibrahim Yazar vertritt als Attaché des Generalkonsulats das türkische Amt für religiöse Angelegenheiten Diyanet. Gemeinsam vollziehen wir am Vorabend der Eröffnung des islamischen Friedhofs die Stationen einer moslemischen Beerdigung nach. Zahlreiche Parallelen zur christlichen Umgebung werden sichtbar.

Wie wichtig ist es, dass ein Moslem einen Moslem bestattet? „Der Prophet Mohammed empfiehlt es“, antwortet Yazar. Der Islam bindet die eigenen Leute stark in den Tod mit ein, sucht aber bewusst, die Zeit der psychischen Belastung kurz zu halten. Er nimmt Familien in die Pflicht, letztendlich aber jeden Moslem. Der Vers 185 der dritten Sure im Koran beginnt mit den Worten: „Jeder soll den Tod kosten.“ Den Lohn empfange der Mensch „am Tag der Auferstehung“. Das irdische Leben nennt die heilige Schrift der Muslime einen „trügerischen Nießbrauch“.

Zu Beginn ein Sterbeverein

Ali Can und seine Tochter Aysegül begannen ihre Arbeit auf sehr österreichische Weise: „1987, als die Überführungen Verstorbener in die Türkei immer teurer wurden, gründeten wir einen Sterbe­verein.“ Mit einer Einlage von jährlich 500 Schilling. Als Achtjährige hat Aysegül die Zahlscheine für die Erwachsenen ausgefüllt. Hat sie das Thema belastet? „Die ersten fünf Jahre“, erzählt sie, „hab ich bei Begräbnissen immer mitgeweint.“ Noch heute betritt Aysegül den Kühlraum des Friedhofs mit einer leichten Befangenheit.

Unter Muslimen betreuen einander die Geschlechter im Tod strikt getrennt. Der Prophet schreibt keine Fristen vor, empfiehlt aber, dass die Bestattung rasch vor sich gehen soll. „Aus Rücksicht auf die Angehörigen“, sagt Attaché Yazar, „und auch wegen der Toten selber.“ Die Wiege des Islam stand schließlich im heißen Saudi-Arabien.

Der Leichnam wird nun rituell von zwei Angehörigen und dem Imam gewaschen und mit dem Totenhemd bekleidet. Das „Kefen“ wurde aus naturbelassener Wolle gewoben. Das Hemd ist weiß zum Zeichen der Reinheit. Der Stoff trägt keine Naht. Das Sprichwort „Das letzte Hemd hat keine Taschen“ kursiert auch im Türkischen. Die Überzeugung, dass vor dem Angesicht des Allmächtigen alle Menschen gleich sind, zieht sich wie ein roter Faden durch die Verabschiedung.

Den kurzen Weg zum Musalla Tasi, dem steinernen Tisch im Innenhof, legt der Trauerzug langsam zurück. Angehörige und Freunde tragen den Sarg abwechselnd. Sie beten dabei, dass dem Toten die Sünden erlassen werden. Auf den Tisch legen sie den Sarg so, dass der Kopf des Toten nach Mekka blickt.

„Die nun einsetzenden Gebete des Imam preisen die Hoheit Gottes und bitten für den Verstorbenen und jeden Moslem auf der Welt“, erläutert Ahmet Altaci. Wenn gar keine Verwandten mehr leben, dann betet der Friedhofswärter Ali Can an ihrer Stelle. Unabdingbar ist, dass wenigstens ein Moslem dem Verstorbenen die Ehre erweist. Findet sich keiner, „dann haben alle, die hätten kommen können, gesündigt“.

Reflexion des eigenen Todes

Der Weg zum Grab gibt den Trauernden Gelegenheit, über den eigenen Tod nachzudenken. In islamischen Ländern wird der Körper ohne Sarg nur in weißes Linnen gehüllt in die Erde gelegt. Ein Verwandter steigt ins Grab hinab und nimmt den toten Körper in Empfang, um ihn behutsam mit Blickrichtung Mekka zur letzten Ruhe zu betten. „In Österreich schreibt uns das Gesetz Särge vor“, sagt Aysegül Cetinkaya, so entfällt diese letzte persönliche Geste. Meist rezitiert der Imam Verse aus der 35. Sure „Ya Sin“, in der es unter anderem heißt: „Wahrlich, wir machen die Toten lebendig. Und wir schreiben auf, was sie getan und an Spuren hinterlassen haben.“ Wie Christen schaufeln auch Muslime am Ende Erde ins Grab. Ein Totenmahl im Anschluss gibt es nicht. Aber drei Tage lang kümmern sich die Nachbarn um die Trauerfamilie. „Sie kochen für sie“, erzählt Asyegül, „und achten darauf, dass sie in den Alltag zurückfinden.“ Trauerkleidung kennt der Koran keine. Wenn die Witwe nach dem Tod ihres Mannes wieder heiraten will, schreibt der Prophet einen zeitlichen Abstand von vier Monaten und zehn Tagen vor.

Auf dem Friedhof bleiben ein Erdhügel und eine einfache Holzstele zurück, die später durch einen Stein ersetzt werden kann. Der Grabschmuck bleibt bescheiden. An hohen islamischen Festtagen und mitunter auch vor dem Freitagsgebet besuchen Angehörige die Gräber. Stets finden sie dann inmitten des Friedhofs ein frisch ausgehobenes Grab vor. Denn weil Bestattungen im Islam rasch erfolgen müssen, „haben wir das nächste Grab immer schon geöffnet“, sagt Ali Can, Vorarlbergs jüngster Friedhofswärter.

Eröffnungsfeier in Altach

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