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Irak: US-Kehrtwende von Falluja

Füllig, schnauzbärtig, olivgrüne Uniform, goldene Epauletten, rotes Barett: Allein mit seiner äußeren Erscheinung passt General Saleh in das Klischee vom Saddam-Offizier wie die Faust aufs Auge.

Als er kürzlich in die Aufständischen-Hochburg Falluja einzog, bereiteten ihm die Bewohner der von US-Soldaten mehr als drei Wochen belagerten Stadt einen begeisterten Empfang. Die Amerikaner, die eine entscheidende Offensive vorbereitet hatten, zogen sich plötzlich zurück. Die Feindseligkeiten hörten auf. Es herrschte zwar auch am Dienstag Ruhe in der Stadt, aber auch eine gewisse Unsicherheit.

„Er ist einer von uns und keine Marionette der Amerikaner“, sagten Bewohner Fallujas. General James Conway, Kommandant der für die Stadt zuständigen 1. US-Marineinfanteriedivision, bezeichnete Saleh als einen von vier ehemaligen Saddam-Generälen, die „dem Ruf ihrer Nation“ gefolgt seien. Diese hatten angeboten, an einer gütlichen Beilegung des Konflikts mitzuwirken.

General Conway stand nach Einschätzung von Experten vor einer prekären Entscheidung. Anfang April hatten sich die Marines den Weg in die Randbezirke Fallujas freigekämpft und -gebombt. Sie sollten die Kontrolle über die Stadt wiederherstellen, nachdem Aufständische Ende März vier Mitarbeiter einer US-Sicherheitsfirma erschossen und der Mob ihre Leichen geschändet hatten. Hunderte Menschen starben bei der ersten Angriffswelle, darunter viele Zivilisten. Proteste drohten, das ganze Land weiter zu destabilisieren. Die US-Offensive ging in eine Belagerung über. Die Einnahme der Stadt wäre mit unabsehbaren Konsequenzen verbunden gewesen.

Deshalb vollzogen die Amerikaner nach Ansicht politischer Beobachter im Bagdad ihre Kehrtwende. General Saleh begann, Männer für seine „Falluja-Brigade“ zu rekrutieren. Von der Bevölkerung akzeptiert, war nun er den Amerikanern im Wort, für ein Mindestmaß an Ordnung zu sorgen. Doch die Betrauung eines ehemaligen Saddam- Generals mit einer Führungsaufgabe stand im Gegensatz zur US-Politik, im Irak das Saddam-Regime mit allen seinen Gefolgsleuten und Mitläufern vor allem in der staatstragenden Baath-Partei auszuschalten.

An ihre Stelle sollten ausgewählte Persönlichkeiten aus dem Exil, moderate Schiiten und loyale Kurden treten. Sie dominieren den US- ernannten provisorischen Regierungsrat. Doch ein Jahr nach dem US- Einmarsch weist der Zustand des Landes eher auf ein Scheitern dieser Politik hin. US-Chefverwalter Paul Bremer hat sogar „ent-baathifizierten“ Lehrern und Universitätsprofessoren die Wiederaufnahme in den Staatsdienst angeboten. Salehs Reaktivierung führte unter lokalen US-Verbündeten allerdings sofort zu scharfem Protest. Einige sahen darin eine „Bedrohung für die Sicherheit des Irak“. Der kurdische Außenminister Hoshyar Zebari will sogar wissen, dass Saleh an der – von den USA hingenommenen – brutalen Unterdrückung der Schiiten-Aufstände 1991 beteiligt gewesen sei.

So wurde nicht von ungefähr zu Wochenbeginn mit Mohammed Latif ein anderer Ex-Militär lanciert, der statt Saleh das Kommando über die „Falluja-Brigade“ führen würde. Saleh sei lediglich Kommandant des ersten Bataillons dieser Brigade und somit Latif untergeordnet. Von Latif, einem ehemaligen Offizier des Militärgeheimdienstes, heißt es, er habe sich mit dem Saddam-Regime überworfen habe und sei ins Exil gezwungen worden. In Falluja kennt man den aus Bagdad stammenden Mann nicht. Eine gewisse Konfusion griff dort um sich. „Ich sitze zu Hause und arbeite nicht mit ihm zusammen“, sagte Saleh am Dienstag. Unterdessen begannen 300 der von ihm rekrutierten Soldaten, in den Außenbezirk Golan einzurücken.

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