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Interview mit Wolfgang Schüssel

Wolfgang Schüssel im Interview: Zur Klubobmann-Funktion meint er, sie sei "genauso spannend wie die des Bundeskanzlers“ und er phrophezeit für 2008 das mögliche Ende der Erbschaftssteuer.

Die wichtigsten Herausforderungen im Frühjahr sind u.a. “wählen mit 16”, die “Briefwahl” und die “Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre”.

Herr Klubobmann, zu Ihrem Abschied aus dem Kanzleramt haben Sie gesagt, man müsse loslassen können, um beide Hände frei zu haben. Was greifen Sie jetzt an, da Sie beide Hände frei haben?

Das ist unterschiedlich: In der Freizeit den Bogen und das Cello, beruflich habe ich als Klubobmann beide Hände voll zu tun.

Wie schwierig war es, loszulassen?

Ich habe schon einige Male in meinem Leben losgelassen: nach 17 Jahren vom Wirtschaftsbund, später vom Wirtschaftsressort und dann vom Außenministerium. Das ist mir aufgrund ausgezeichneter Nachfolger nie schwer gefallen. Im Gegenteil, jetzt ist eine neue Phase, die genügend Herausforderungen bieten wird.

Genießen Sie es, nicht mehr den ganzen Tag führen zu müssen? Die ÖVP-Vorstandssitzung, aus der Sie gerade kommen, ist ja beispielsweise von Willhelm Molterer geleitet worden.

Das ist überhaupt kein Problem. Molterer macht das erstklassig. Dazu kommt, dass ich ein Teamspieler bin. Allein ist es ziemlich fad, die Welt quasi neu zu erfinden. Ich brauche immer ein Team. Und dieses Team muss so gut sein, dass es jederzeit von einem anderen Mitglied übernommen werden kann. Das ist mir auch immer gut gelungen.

Auf welchen Zeitraum haben Sie die Klubobmannfunktion angelegt? Es gibt ja die heftigsten Spekulationen: Sie bleiben bis zum ÖVP-Parteitag im April, oder bis Jahresende, weil sie dann einen Pensionsanspruch haben.

Ich weiß nicht, woher die Gerüchte kommen. Ich habe sie mit einem gewissen Amüsement gelesen. Also in Pension hätte ich schon vor Jahren gehen können. Nur will ich mich selbst an meinen Anspruch halten, dass man bei steigender Lebenserwartung nicht die Frührente propagieren kann. Abgesehen davon arbeite ich auch gerne.

Viele fragen sich trotzdem: Warum tut sich der Dr. Wolfgang Schüssel nach dem Kanzleramt noch diesen Job an, der landläufig als Rückschritt wahrgenommen wird?

Einspruch euer Ehren: Eine führende Funktion im Parlament einzunehmen, den Klub der Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei zu führen, das ist nicht etwas, was man sich antut; das ist eine interessante und auch sehr fordernde Tätigkeit.

Die Frage war nicht abwertend gemeint.

Im Prinzip kommt schon heraus, dass eine Arbeit in der Volksvertretung weniger wert sein soll als in der Regierung. Ich kann da nur entschieden widersprechen. Die Breite der Aufgaben ist in meiner neuen Funktion genauso spannend wie als Bundeskanzler – ich kann praktisch alle Themen mitbearbeiten.

Wie macht sich Alfred Gusenbauer als Kanzler?

Das müssen Sie bewerten. Ich bin kein Punkterichter bei einem Eiskunstlauf, sondern mitten drin im Geschehen.

Zu SPÖ-Klubobmann Josef Cap wird Ihnen ein gespanntes Verhältnis nachgesagt.

Er gibt immer wieder solche Kommentare ab. Offensichtlich sieht er Probleme. Ich habe den Eindruck, dass die Kontakte zwischen den Klubs durchaus funktionieren. Was schon auffällt, ist aber, dass ein Teil der SPÖ-Abgeordneten immer noch eine Art permanenten Wahlkampf führt. Das setzt sich fort bis ins Zentralsekretariat. Den Parteivorsitzenden (Gusenbauer) freut das offensichtlich auch nicht; dann soll er das abstellen.

Wie schätzen Sie Ihr Verhältnis zu Cap persönlich ein?

Die Einschätzung müssen andere vornehmen. Mein Anliegen ist es, dass die Inhalte, die wir gemeinsam ausverhandelt haben, auch tatsächlich umgesetzt werden. Und wir werden es uns mit Sicherheit nicht gefallen lassen, dass die Leistungen der letzten beiden Legislaturperioden kleingeredet werden: Der soziale Wärmegrad in Österreich ist nicht mit dem 11. Jänner 2007 schlagartig angesprungen. Wir haben auch schon vorher die Ausgleichszulagen angehoben, es hat schon vorher eine erstklassige Gesundheitsorganisation gegeben, die Arbeitslosenzahlen sind schon vorher gesunken und die Jobzahlen gestiegen.

Die SPÖ sieht dennoch eine Kursänderung.

Jeder Kramer lobt seine Ware. Dass die Sozialdemokraten jetzt darauf hinweisen, dass sie zum gemeinsamen Projekt etwas einbringen, ist legitim.

Der Streit um die Erbschaftssteuer belastet zurzeit die Koalition. Wird die Steuer mit Sommer 2008 auslaufen, selbst wenn die SPÖ aus Protest die Wände raufkraxelt?

Das soll sie gar nicht. Der Verfassungsgerichtshof hat ein Erkenntnis ausgesprochen, das sehr klar interpretierbar ist: Die Erbschafts- und wahrscheinlich auch die Schenkungssteuer sind nicht verfassungskonform. Wir wollen das respektieren und das bedeutet, dass die Erbschafts- und möglicherweise auch die Schenkungssteuer im Sommer 2008 Geschichte sein werden.

Man könnte die Erbschaftssteuer aber auch reparieren.

Wir werden sicher nicht mit einer Verfassungsmehrheit über Höchstgerichtserkenntnisse drüberfahren; das wäre eine Große Koalition alten Stils. Auch eine andere, eine einfachgesetzliche Korrektur, die dazu führt, dass beispielsweise Sparbücher besteuert werden, wird es mit uns mit Sicherheit nicht geben.

Die Gemeinden sorgen sich allerdings schon um die Grundsteuer.

Wenn es nach einigen in der SPÖ ginge, dann würde man die Einheitswerte anheben. Das wäre eine massive steuerliche Belastung: Man darf nicht vergessen, dass zu vererbendes und zu verschenkendes Vermögen schon mehrfach versteuertes Eigentum ist.

Welche Herausforderungen erwarten Sie noch im Frühjahr?

Das allerwichtigste sind die beiden Budgets. Gleich danach kommt das Demokratiepaket, das wir noch vor dem Sommer beschließen werden: Wählen mit 16, Briefwahl, längere Legislaturperioden (fünf Jahre). Dann werden wir die Ergebnisse des Österreich-Konvents aufgreifen: Als Oppositionspartei hat die SPÖ da ja gemeint, nicht mitmachen zu können; jetzt ist sie mittendrin, da bin ich schon gespannt wie das wird.

Wie beurteilen Sie die Aussagen von LH Herwig van Staa zur Familie von Grünen-Chef Van der Bellen?

Ich plädiere zu einer Behutsamkeit in der Sprache. Wenn Van der Bellen dem Landeshauptmann von Tirol unterstellt, er wolle hunderte Guantanamos schaffen, dann ist das vollkommen unangebracht; daraus erklärt sich die Emotion von van Staa. Ich habe angeregt, die beiden sollten einmal miteinander reden – ich glaube, dass zwei Tiroler, die noch dazu beide ein „van“ im Namen tragen, es schaffen werden, miteinander auszukommen.
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