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"In Krisenfällen desaströs"

Schwarzach - Kommunikations-Profi Schiffl hätte auf den Schweineskandal anders reagiert.

Sie haben einige Krisenfälle in Vorarlberg analysiert. Was haben Sie gefunden?

Schiffl: In Ausnahmesituationen ist Kommunikation immer sehr, sehr schwierig. Für die handelnden Personen ist das immer eine Herausforderung. Analysiert man nun die Medienberichterstattung bei manchen Fällen in Vorarlberg, sieht man, dass die Organisationen, die Personen nicht vorbereitet waren.

Welche Fälle sind gemeint?

Schiffl: Wir erinnern uns an den Fall Cain, an den Herrn Kessler in Sachen Doping, an Bürgermeister Berchtold mit Anklage und Freispruch, an die Testamentsfälschungen durch Gerichtsmitarbeiter. In keinem dieser Beispiele war die Kommunikation auf Krisenfälle vorbereitet.

Das ist der rote Faden in diesen verschieden gelagerten Fällen?

Schiffl: Ja. In Krisenfällen ist es oft so: Behördenleiter sind durch ihr Amt auserkoren, in Krisenfällen zu kommunizieren. Nun kann es sein, dass man das gar nicht kann. Im Normalfall ist das nicht weiter schlimm. Aber in Krisenfällen äußert sich das desaströs. Und in den Fällen, die ich vorher angesprochen habe, hat man gesehen, dass Menschen, die kommunizieren mussten, nicht kommunizieren konnten. Es gibt noch ein Problem.

Welches denn?

Schiffl: In Krisen ist es in aller Regel so, dass man nicht alleine kommuniziert. Bei Cain waren das Mitarbeiter der Jugendwohlfahrt, der Anwalt, Landespolitiker, die Staatsanwaltschaft, die Polizei bis hin zur Volksanwältin. Es gibt immer ein Geflecht von Kommunikatoren. Dabei muss ich als betroffenes Unternehmen trachten, meine Botschaft anzubringen und das kommunikative Heft in der Hand zu halten. Die Mehrheit der Vorarlberger glaubt, dass an dem Cain-Drama die Behörden schuld sind. Da ist kommunikativ etwas falsch gelaufen. Denn schuld ist der Gewalttäter – und nicht die Behörde.

Und was war der Fehler im Fall Berchtold?

Schiffl: In der Krisenkommunikation spricht man von Personenkrisen. Ich rate in solchen Fällen immer, das Thema ‚Verantwortung‘ sehr ernst zu nehmen. Und die Kommunikation muss wahrhaftig sein. Ich muss an der Wahrheit bleiben. Denn die Wahrheit kommt immer ans Licht gekrochen. Wozu unterziehe ich mich der Mühe, die Wahrheit unter den Teppich zu kehren? Das kostet viel Zeit, viel Energie, viel Geld – und die Wahrheit kommt am Ende von selbst wieder hervor. Und dann ist meine Glaubwürdigkeit weg. Und man muss Demut an den Tag legen. Ich habe die Medienberichte ausgewertet und muss sagen: Das suche ich an manchen Stellen in dieser Geschichte.

Hinterher ist man freilich immer schlauer.

Schiffl: Selbstverständlich bin ich hinterher immer schlauer. Aber ich kann ja die Schlauheit, die ich gewinne, nutzen, um mich auf den nächsten Fall vorzubereiten. Ein Gutteil meiner Arbeit besteht darin, meine Kunden prophylaktisch auf Krisen vorzubereiten. Wir entwickeln handhabbare Krisenhandbücher, in denen Handlungsanleitungen für alle möglichen Fälle stehen – wie etwa erste Statements.

Was wären denn Beispiele für solche erste Statements?

Schiffl: Ich muss meine persönliche Betroffenheit zeigen. Ich muss sagen, dass ich alles tue, was getan werden muss, um zu entdecken, was dazu führen hat können. Und ich muss sagen, dass ich alles tue, dass das nach menschlichem Ermessen nicht mehr passieren kann.

Dann hätten Sie mit dem Schweineskandal ihre helle Freude gehabt. Da stiegen Tierschützer heimlich in Ställe, dokumentierten mit Fotos entsetzliche Tierquälerei – und den Verantwortlichen in der Landwirtschaftskammer fiel nichts Besseres ein, als die Tierschützer zu beschimpfen.

Schiffl: Ich würde in einem solchen Fall raten, die Fotos zu nehmen und zu sagen: Wir werden alles dafür tun, dass die Tiere entsprechend den Gesetzen gehalten werden. Das Verhalten der Tierschützer ist vermutlich juristisch fragwürdig. Nur wenn die einen Missstand aufdecken, muss ich sagen: Es ist dramatisch, dass es einen solchen Missstand gibt – und dass wir alles tun, diesen Missstand zu beheben.

Sie haben ein Handbuch für Krisenfälle. Würden Sie die Bundespolitik beraten, müsste das wohl eine ganze Enzyklopädie sein. Ein Handbuch würde da wohl kaum ausreichen.

Schiffl: (lacht) Irgendwann einmal hat ein sehr gescheiter Mann gesagt: Es gibt ein Buch, in dem zehn Regeln stehen. Nur zehn. Die würden ein vernünftiges Zusammenleben und Agieren ermöglichen. Es braucht keine Enzyklopädie. Es braucht Ethik im Handeln. Es braucht Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit, Verantwortlichkeit. Es wäre ja so einfach. Aber Fred Sinowatz hat ja schon gesagt, dass alles so kompliziert ist.

Zur Person

Harald Schiffl
Krisenkommunikations- und Krisenmanagement-Experte. 14 Jahre Senior-Berater, Prokurist und Geschäftsführer bei einer renommierten Kommunikations- und PR-Agentur. Mitbegründer der Krisenkommunikation in Österreich.
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