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„Idealismus und Selbstausbeutung“

©MiK
W&W traf sich mit Herwig Bauer, um über Kulturelles, Privates und natürlich das poolbar-Festival zu reden.

WANN & WO: Es ist jetzt 10.25 Uhr, wir haben 09.45 Uhr ausgemacht. Wie schaut es mit Pünktlichkeit aus?

Herwig Bauer: Danke für den Hinweis (lacht). Ich bin als sehr pünktlicher Zeitgenosse bekannt und werde dafür überall geschätzt (lacht). Ich tendiere dazu, meine Zeit immer bis zur letzten Sekunde auszunützen, weil ich permanent glaube, etwas erledigen zu können bzw. zu müssen. Außerdem schätze ich Dinge oftmals zu optimistisch ein, z.B. den Zeitaufwand für eine Wegstrecke zu einem Termin. Beim poolbar-Festival war das ab und zu praktisch. Aber ich bin dann meistens so höflich, dass ich das Getränk zahle (lacht).

WANN & WO: Reden wir vorerst nicht über das poolbar-Festival, sondern über Herwig Bauer – privat.

Herwig Bauer: Ja, das gibt’s auch (lacht). Eine lebenslange Konstante ist das Fußballspielen. Das hält mich fit und putzt die Birne durch. Zuerst Dampf ablassen und dann gemeinsam Bier trinken gehen. Eine ganz wichtige Komponente.

WANN & WO: Was bedeutet Fußball für dich und hast du spezielle Lieblingsmannschaften?

Herwig Bauer: Da wären SSC Bersagliera, BW Feldkirch und natürlich FC Barcelona. Als ich zum Studieren nach Wien ging, hat es sich gleichzeitig ergeben, dass ich zur Vienna vermittelt wurde. Eine tolle Chance, mal gegen Torpedo Moskau oder Rapid zu spielen – aber spätestens nach einem Trainingslager in Italien mit vier Einheiten pro Tag und dem generell, sagen wir, „gewöhnungsbedürftigen Kommunikationsklima“ war bei mir die Luft draußen. Körperlich und moralisch. Ich erkannte: andere können das besser. Und: ich kann Anderes besser. Aber das Spiel bedeutet mir nach wie vor sehr viel – umso mehr, als ich mit Menschen spiele, die ich mag.

WANN & WO: Was hast du studiert?

Herwig Bauer: Ich habe in Innsbruck bzw. dann an der TU in Wien Architektur studiert und abgeschlossen. Dazwischen war ich auch studientechnisch ein Jahr im Ausland. Dann habe ich das Studiendiplom ins Eck gestellt und bin poolbar-Profi geworden (lacht). Meine ersten organisatorischen Sporen habe ich mir mit einem Fußballturnier mit über 60 Mannschaften verdient.

WANN & WO: Mit was für einer Musik bist du aufgewachsen?

Herwig Bauer: Als kleines Kind habe ich der Mama gerne beim Bügeln zugesehen und habe es gemütlich gefunden, dazu Abba zu hören. Meine Brüder haben mich später mit 70er-Hardrock infiziert, danach sog ich alles auf, was meine Freunde hörten, baute mir eine riesige Musiksammlung auf – gerne schwelgerisch mit Portishead und Leonhard Cohen, aber ebenso gerne räudig. Und ich verschlang, dank Pepi Bachmann, alles von „Girls against Boys“ über „Slint“ bis „Sonic Youth“.

WANN & WO: Machst du beruflich noch etwas anderes?

Herwig Bauer: Ja, ich arbeite für den Monopol-Verlag in Wien (Anmk. The Gap und Biorama), aber dort bin ich ganz schnöde im Verkauf und Marketing. Das wollte ich nach meinem Umzug nach Vorarlberg weiterführen, da es sich mit (Pop-)Kultur und Nachhaltigkeit beschäftigt, also Themen, die auch das poolbar-Festival betreffen. Dabei ist auch ein gutes Netzwerk entstanden, von welchem beide Seiten profitieren. Des Weiteren moderiere ich die Pecha-Kucha-Night im designforum und bin im Kulturbeirat des Landes. Gelegentlich übernehme ich auch Aufträge für Bandbookings, z.B. in Wien für das Burgtheater oder jetzt gerade für ein Unternehmens-Festival mit 15 Bands.

WANN & WO: Wie kannst du am besten von der ganzen Arbeit abschalten?

Herwig Bauer: Das geht beim Fußballspielen und beim Bier danach. Hm, aber jetzt komme ich schon ins grübeln (lacht). Also wenn ich nicht bei der Arbeit bin, bin ich meistens mit meiner Familie unterwegs und da schalte ich normalerweise ab. Mein Stapel von Büchern wird immer größer und hätte ich Zeit, würde dieser endlich wieder kleiner werden.

WANN & WO: Als gebürtiger Feldkircher: Wieso hast du dich entschieden, in Dornbirn zu wohnen?

Herwig Bauer: Das war ein Zufall, der sich als Glücksfall erwiesen hat. Ich war 16 und meine Frau, Daniela, 20 Jahre lang in Wien wohnhaft. Dann waren wir auf der Suche nach einem Zuhause und sind schlussendlich in Dornbirn fündig geworden. Ich finde das super, weil ich hier komplett andere Menschen kennenlerne und es eine ganz andere Szene gibt. Aber das poolbar-Festival wird immer mit dem Alten Hallenbad in Feldkirch verbunden sein (schmunzelt).

WANN & WO: Was bedeutete der österreichische Kulturpreis 2014 für dich?

Herwig Bauer: Uns hat das extrem viel bedeutet, weil wir auch finanziell viele knochenharte Jahre hinter uns haben. Da ist es wohltuend, wenn wir von höchster Stelle attestiert bekommen, dass wir unsere Arbeit gut machen. Das motiviert natürlich gewaltig und war der Startschuss für ein erfolgreiches Jahr 2015, was man beim Team und in der öffentlichen Wahrnehmung gemerkt hat.

WANN & WO: LH Wallner meinte, dass man Kultur vor allem in Vorarl- berg und Wien findet, dazwischen eher nicht. Deine Einschätzung?

Herwig Bauer: Ich finde es toll, dass der Markus die Kultur in Vorarl­berg so hoch schätzt, aber auch dazwischen gibt es viel, das wahnsinnig gut ist, eigentlich in allen Bereichen. Aber das Kulturleben in Vorarlberg ist extrem attraktiv, vor allem wenn man bedenkt, dass es so ein kleines Land ist. Aber nicht nur von der Masse, wobei ich da glaube, dass wir hier am Limit sind, sondern vor allem von der Qualität her. Wir sind oft weit weg von einer Provinzkultur.

WANN & WO: Du siehst aber vieles auch kritisch, oder?

Herwig Bauer: Ich bin ein Verfechter der „Gießkannenförderungspolitik“. Nicht in allen Bereichen, denn beim Professionellen hat die Gießkanne nichts verloren, denn da soll man die Besten fördern. Aber ich glaube, dass es in Vorarlberg ein irrsinniges Potenzial gibt, das nicht viel Geld braucht, aber dennoch finanzielle Unterstützung benötigt, um etwas in Gang zu bringen. Das betrifft vor allem kleine und nicht so organisierte Initiativen.

WANN & WO: Wie siehst du die Kultur-Enquete 2014?

Herwig Bauer: Es ging vor allem um die Bewerbung der Region als Europäische Kulturhauptstadt 2024. Hier bin ich etwas vorsichtig. Es ist gut und wichtig, dass man darüber redet, was 2024 sein kann, weil dadurch Kultur ein großes Thema wird, speziell in der Gesellschaft. Zu was das genau führen wird, ist sekundär. Primär ist es wichtig, dass man sich Gedanken über die Kulturentwicklung in Vorarlberg macht.

WANN & WO: Was wäre, wenn Vorarlberg Kulturhauptstadt 2024 wird?

Herwig Bauer: Es wäre mir ein großes Anliegen, wenn man dann Potenziale nicht aus dem Ausland „ankauft“, sondern jetzt anfängt die eigenen Potenziale auszuschöpfen und zu optimieren. So muss man 2024 nicht „poser-mäßig“ daherkommen, sondern kann das Eigene präsentieren und mit Stolz sagen: Das ist unsere Region, die beachtliche kulturelle Leistungen erbringt. Input von außen ist wichtig, aber die Entwicklung soll vorarlbergerisch sein. Vielleicht führt es zu einem Co-Produktionshaus, in dem jährlich andere kulturelle „Player“ sich zusammenschließen und ihre Kompetenzen zusammenlegen, idealerweise mit internationalem Input. Oder es gibt ein „Festival der Region“, auf das jährlich hingearbeitet wird. Jedenfalls fände ich es gut, wenn eine Karotte vor der Nase – in welcher Form auch immer – zu kulturellen Höchstleistungen führt. Jährlich, nicht nur 2014.

WANN & WO: Stichwort poolbar-Festival: Wie ist es entstanden?

Herwig Bauer: Die Idee ist erst im Laufe des Festivals entstanden, denn zuerst war das als Workshop konzipiert. Irgendwann hat sich das dann zum halb-öffentlichen Treffpunkt mit Abendprogramm entwickelt.

WANN & WO: Wie ist es finanziell möglich alles zu tragen?

Herwig Bauer: Das hat viel mit Idealismus und Selbstausbeutung von Geschäftsführung und Team zu tun. Bei uns arbeitet man zu „Kulturpreisen“. Wir können nicht das zahlen, was man in der Industrie bekommt, aber es ist uns wichtig, dass man fair entlohnt wird. Wir werden zwar von öffentlicher Hand (Land Vorarlberg, Bundeskanzleramt, Stadt Feldkirch und Dornbirn) unterstützt, dennoch ist es meine größte und schwierigste Aufgabe, über das gesamte Jahr Geld von privaten Sponsoren zu sammeln. So haben sich partnerschaftliche Kommunikationskonzepte entwickelt, die Sponsoren und Werbetreibenden gutes Geld wert sind. Hartnäckigkeit und Verlässlichkeit ist das Motto.

WANN & WO: Wie schaut poolbar-technisch die Zukunft aus?

Herwig Bauer: Musikalisch am Puls der Zeit, keinesfalls stagnierend. Gestalterisch mit einem poolbar-Generator als international bedeutende „Nachwuchsschmiede“, gesellschaftlich relevant nicht nur als „Besuchermagnet trotz Qualität“, sondern auch durch das Vorleben ökologischer und sozialer Verantwortung.

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