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"Ich kann mir nicht einmal eine Paprika leisten!"

Die aktuellen Entwicklungen lassen die Preise steigen – und treffen besonders jene, die eh schon wenig haben.
Die aktuellen Entwicklungen lassen die Preise steigen – und treffen besonders jene, die eh schon wenig haben. ©W&W/Förtsch
Corona, Ukraine-Krieg, Inflation: Die aktuellen Entwicklungen lassen die Preise steigen – und treffen besonders jene, die eh schon wenig haben. Hilfe bietet das "Tischlein Deck Dich". W&W sprach Besucherin Andrea (47).

Dienstagnachmittag in Feldkirch: Dutzende Menschen drängen sich im Eingang des Kapuzinerklosters am Rande der Innenstadt. Junge, Alte, Männer, Frauen – so groß die Menge ist, so bunt gemischt ist sie auch. Eines aber eint sie: Für sie alle bleibt am Ende des Monats kein Geld übrig, sondern am Ende des Geldes noch jede Menge Monat. Sie sind auf Lebensmittelspenden angewiesen,welche die Aktion „Tischlein Deck Dich“ hier jede Woche ausgibt.

Eine von ihnen ist Andrea Fujs. Die 47-Jährige ist krankheitsbedingt seit zwei Jahren in Frühpension. Auf rund 1000 Euro monatlich kommt sie mit der Ausgleichszulage, umgangssprachlich oft Mindestpension genannt. „Das ist ja ohnehin schon nicht viel, schließlich wollen ja auch Miete und andere laufende Kosten bezahlt sein“, sagt sie im Gespräch mit WANN & WO. „Aber jetzt, wo die Preise so extrem steigen, geht es sich einfach gar nicht mehr aus.“ Dabei geht es ihr nicht um Luxusgüter – schon der normale Alltag bringt sie an finanzielle Grenzen: „Kürzlich stand ich im Discounter. Ich wollte so gerne eine der schönen Paprika dort haben. Aber sie waren einfach zu teuer, ich konnte es mir nicht leisten.“

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Die Rettung von Andrea – und auch gut 200 anderen Bedürftigen pro Tag – ist dann das „Tischlein“. „Ich bin so glücklich, dass es das gibt. Mir ist egal, was ich hier bekomme und wie frisch es noch ist. Ich bin dankbar für alles“, erklärt Andrea mit leuchtenden Augen. Und setzt deutlich ernster hinzu: „Auch wenn es dramatisch klingt: Ich wüsste nicht, was ich machen sollte, wenn es das nicht mehr gäbe.“

"Kann jeden treffen"

So groß Andreas Freude über die Unterstützung auch ist, der erste Gang zum „Tischlein“ fiel ihr schwer. „Am Anfang war ich sehr skeptisch. Ich dachte, was wohl die Leute sagen, wenn sie herausbekommen, dass ich herkomme?“ Und tatsächlich musste sie auch schon fiese Kommentare aushalten: „Ein Bekannter nannte mich eine ‚faule Sau‘, weil ich von Spenden lebe. Dabei habe ich immer gearbeitet, so lange ich konnte. Aber jetzt bin ich nun mal krank und kann nicht arbeiten“, stellt sie richtig. „Das gilt auch für die Anderen hier: Jeder hat seine Geschichte. Jeder muss nachweisen, dass er auf die Hilfe angewiesen ist. Und das kann jeden treffen.“

3 Fragen an Silvana Faltejsek

Teamleiterin der "Tischlein Deck Dich"-Ausgabestelle Feldkirch

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  • Spürt ihr die aktuell steigenden Preise im Zulauf beim "Tischlein"? "Oh ja, auf jeden Fall! Die Zahl der Menschen, die zu uns kommen, hat sich verdoppelt, wenn nicht teilweise sogar verdreifacht. Aktuell kommen etwa 220 Menschen jeden Dienstag zur Ausgabe in Feldkirch – Tendenz steigend. Vor der Krise waren es im Schnitt 80 Menschen. Wir hören auch von unseren BesucherInnen immer wieder, dass die steigenden Preise ihnen schwer zu schaffen machen."
  • Hat sich damit auch die Nachfrage nach bestimmten Waren verändert? "Nachgefragt wird jetzt ganz besonders das, was sehr viel teurer geworden ist: Obst und Gemüse etwa. Früher hatten wir davon immer genug. Jetzt muss man schauen, dass überhaupt jeder etwas bekommen kann. Auch Hygieneartikel sind begehrt und schnell vergriffen, ebenso Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Reis oder Mehl."
  • Wie kann man euch unterstützen? Nehmt ihr Spenden an? "Das 'Tischlein Deck Dich' darf keine Lebensmittelspenden von Privatpersonen annehmen. Wir freuen uns deshalb aber umso mehr über Geldspenden, mit denen wir dann unsere ganze Organisation, Logistik und die Mitarbeitenden bezahlen – und auch die teils nötigen Zukäufe."

Das ist das "Tischlein Deck Dich" ...

Nachdem Elmar Stüttler und seine Frau Margit 2004 erstmals von den deutschen "Tafeln" gehört hatten, holten sie das Konzept nach Vorarlberg und gründeten das „Tischlein Deck Dich“. Der Verein sammelt unverkäufliche Lebensmittel aus dem Handel ein und verteilt sie an Bedürftige – jeden Wochentag in einer anderen Stadt. Dafür sind zehn Angestellte, drei Zivildiener und etwa 300 Ehrenamtliche im Einsatz. Pro Woche werden mit zehn Vereinsfahrzeugen so etwa 30 Tonnen Lebensmittel bewegt. 

... und so könnt ihr helfen!

Anders als etwa die Caritas kann das "Tischlein Deck Dich" keine Sachspenden von Privatpersonen annehmen. Unterstützen kann man den Verein stattdessen mit einer Geldspende – und die werden bei dem aktuellen Ansturm auch dringend gebraucht. Alle Informationen dazu und die Kontodaten des Vereins unter www.tischlein-deckdich.at.

(WANN & WO)

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