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"Ich bin ein trauriger Clown"

Die Magie und die Malerei sind es, die Edi 2000 seit Jahrzehnten begleiten und ihm auch durch schwere Zeiten helfen.
Die Magie und die Malerei sind es, die Edi 2000 seit Jahrzehnten begleiten und ihm auch durch schwere Zeiten helfen. ©Sams
Lange fühlte sich Edward Vidmar (Edi 2000) nirgends willkommen, erst in Lustenau fand der gebürtige Slowene ein Zuhause und ist dank seiner Zauber- und Malkünste im ganzen Land bekannt.

Von: Saskia Heel (WANN & WO)

WANN & WO: Deine Kindheit war keine leichte. An was erinnerst du dich noch?

Edi 2000: Ich weiß nicht mehr viel von damals. Nur, dass zur Zeit meiner Geburt, in den 1940er-Jahren, in Slowenien sehr schlechte Zeiten herrschten.

WANN & WO: Dein Vater wurde am Tag deiner Taufe aufgrund eines Glaubenskonflikts von Partisanen erschossen, deine Mutter entführt. Welche Folgen hatte das für dich als Baby?

Edi 2000: Ich war lange ein alleingelassenes Kind. Ich kam daraufhin ins Heim und später dann zu Zieheltern. Meiner Mutter hat man erzählt, ich sei im Heim gestorben.

WANN & WO: Wie hast du von den schrecklichen Ereignissen von damals erfahren?

Edi 2000: Als ich in Vorarlberg Anfang der 1990er-Jahre heiraten wollte, brauchte ich verschiedene Papiere. Die Suche danach trieb mich zurück in meinen Geburtsort. Der Bürgermeister dort hat mir dann von meiner Tante erzählt, die ich sofort besuchte.

WANN & WO: Hat sie dir von deiner Vergangenheit erzählt?

Edi 2000: Nein. Sie war es, die mir gesagt hat, dass meine Mutter noch lebt und nach Sarajevo gezogen ist. Daraufhin habe ich sie angerufen Sie hat mich nicht erkannt und mir nicht geglaubt, dass ich ihr Sohn sei. Also habe ich mich, entgegen ihrer Warnungen, dass es in Sarajveo sehr gefährlich ist, auf den Weg gemacht, um sie zu besuchen.

WANN & WO: Hast du deine Mutter in Sarajevo dann auch tatsächlich gefunden?

Edi2000: Ja. Mit einem Kamera-Team vom ortsansäßigen Fernseh-sender habe ich sie dann überrascht. Ihren Freudenschrei, mich nach so vielen Jahren im Arm zu halten, werde ich nie vergessen. Es war ein sehr bewegender Augenblick für uns beide.

WANN & WO: Hast du es geschafft, den Kontakt zu deiner Mutter zu halten?

Edi 2000: Ja. Leider ist sie dann nur kurze Zeit später verstorben.

WANN & WO: Hast du hier in Vorarlberg eine eigene Familie gegründet?

Edi 2000: Ich habe mit meiner damaligen Frau eine Tochter bekommen, Ramona. Sie ist mein Ein und Alles und mein größter Stolz. Derzeit ist sie in Wien, kommt mich aber oft besuchen.

WANN & WO: Hat sie dein Talent geerbt?

Edi 2000: Ja, definitiv. Sie ist sehr musikalisch und hat mir bei meinen Zauber-Shows schon früh auf der Bühne assistiert.

WANN & WO: Für deine Zauber- und Mal-Künste bist du im ganzen Land bekannt. Wie bist du zum Zaubern und zum Malen gekommen?

Edi 2000: Mein Ziehvater, der mich damals aufgenommen hat, brachte mir das Zaubern bei. Das Talent zu Malen habe ich von meiner Mutter geerbt. Von meiner Ziehmutter habe ich damals die erste Mundharmonika geschenkt bekommen. Diese wurde mir leider bei meiner Flucht aus dem damaligen Jugoslawien abgenommen. Aber ich trage immer eine Mundharmonika bei mir. So kann ich die Leute unterhalten und finde gleich einen Draht zu Fremden.

WANN & WO: Hat dir das auch damals geholfen, als du über das Südtirol nach Vorarlberg geflohen bist?

Edi 2000: Definitiv. Als ich es aus meinem kleinen Heimatort in Slowenien endlich geschafft habe, zu entkommen, bin ich ins Südtirol geflohen. Dort war ich ein einfacher Knecht. Ich musste viel und hart arbeiten. Mich hat es dann weiter nach Vorarlberg getrieben. Durch meine offene und lockere Art habe ich schnell Anschluss gefunden. Mein Nachbar hat mich mit in den Gesangsverein genommen. Auch dem Boxverein bin ich beigetreten. Ich wollte mir hier eine Heimat aufbauen und mich integrieren.

WANN & WO: Das ist dir auch relativ schnell gelungen. Hattest du Probleme mit kulturellen oder sprachlichen Differenzen?

Edi 2000: Klar, war es für mich am Anfang mit der Sprache schwer, aber beim Singen lernt man schnell neue Worte. Generell finde ich es auch heute noch wichtig, dass Leute, die neu in ein Land kommen, sich gleich in die Gesellschaft einbringen. Alles andere birgt für mich Konflikt-Potenzial. Wenn sich eine ethnische Minderheit zusammenschließt und sich vom Rest abkapselt, kann dies schnell zu Problemen führen. Ich selbst gehe einfach mit einem Lachen in die Welt hinaus und gehe offen auf die Leute zu.

WANN & WO: Bei deiner traurigen Kindheit und Jugend fällt es schwer zu glauben, dass dieses Lachen immer echt ist. Setzt du manchmal eine Maske auf?

Edi2000: Man könnte sagen, ich bin ein trauriger Clown. Zuhause und hier in meinem Museum, in dem ich meine ganz persönlichen Schätze aufbewahre, denke ich schon öfter nach. Wenn ich aber hinausgehe und auf Leute treffen, möchte ich sie unterhalten.

WANN & WO: Wo Bewunderung ist, da ist Neid oft nicht weit. Gibt es auch Menschen, die dir mit Missgunst begegnen?

Edi 2000: Solche Leute gibt es doch immer. Wenn ich beispielsweise tanze, werde ich auch einmal als ‚Schwuler Hund‘ bezeichnet. Aber da lache ich nur drüber. Die Menschen, die so etwas sagen, sind selbst nicht mit sich zufrieden. Ich habe für mich gelernt, dass das, was ich tue, gut ist. Die sollen erst einmal das schaffen, was ich an einem Tag alles erledige.

WANN & WO: Wie sieht denn so ein Tag bei dir aus?

Edi 2000: Einen typischen Tages-ablauf habe ich nicht. Ich male viel, auch für Hotels oder andere Auftraggeber. Da kann es schon einmal vorkommen, dass ich an einem Nachmittag eine ganze hässliche Betonmauer so bemale, dass sie danach wie altes Holz aussieht. Dann habe ich noch meine Shows und fertige Zeichnungen hier in meinem Atelier an. Ich versuche, jeden Tag, so gut es geht, zu nützen. Und ich habe gemerkt, wenn man nicht trinkt, hat der Tag mehr Stunden. Ich trinke schon seit über 30 Jahren keinen Alkohol mehr.

WANN & WO: Was ist der Grund dafür?

Edi 2000: Ich habe früher gerne ein Gläschen getrunken. Wenn man im Gesangsverein ist, sitzt man nach der Probe schon einmal zusammen und lässt den Abend ausklingen. Dazu habe ich nie nein gesagt. Bis ich nach einer Probe einen Unfall hatte. Da wusste ich, dass ich mit dem Trinken aufhören muss.

WANN & WO: Würdest du sagen, dass dies ein Wendepunkt in deinem Leben war?

Edi 2000: Auf jeden Fall. Ich kann mich jetzt mehr auf meine Arbeit konzentrieren und das tun, was ich liebe. Ich bin stolz auf das, was ich mir mit meiner Kunst aufgebaut habe.

WANN & WO: Auf welches deiner zahlreichen Porträts und Kunstwerke bist du besonders stolz?

Edi 2000: Einen Favoriten habe ich da eigentlich nicht. Ich bin einfach glücklich, wenn sich die Menschen in meiner Umgebung an meinen Werken erfreuen, ganz egal ob hier, in der Schweiz oder im Südtirol. Meine Malereien findet man auch über die Grenzen hinaus.

WANN & WO: Du bist mittlerweile über 70. Wie hältst du dich fit?

Edi 2000: Tanzen. Ich liebe es, zu tanzen. Hier kann man Musik und Sport verbinden. Früher habe ich sogar Jazz-Tanzkurse gegeben.

WANN & WO: Siehst du deinen Körper auch als eine Art Kunstwerk?

Edi 2000: Schon irgendwie. Klar, werde ich mein jugendliches Aussehen nicht mehr zurück bekommen, aber trotzdem ist es mir sehr wichtig, dass ich gut aussehe.

WANN & WO: Welche Wünsche hast du für die Zukunft?

Edi 2000: Ich wünsche mir, dass es meiner Tochter gut geht und ich weiterhin Menschen begeistern kann. Auch eine Frau mit Rasenmäher wäre nicht schlecht (lacht). Aber eigentlich habe ich hier in Lustenau alles gefunden, was ich immer gesucht habe. Eine Heimat.

WORDRAP

Magie: Tricks. Heimat: Lustenau. Religion: Katholisch. Clown: Lachendes Gesicht. Erinnerung: Schwer.

Zur Person: Edward Vidmar (Edi 2000)

Alter, Wohnort: 72, Lustenau Herkunft: geboren in Bled (Slowenien), geflüchtet ins Südtirol, seit über 50 Jahren wohnhaft in Lustenau Beruf: Magier, Künstler, Alleinunterhalter Hobbys: Malen, Sammeln, Tanzen, Singen, Zaubern

(WANN & WO)

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