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Zechprellen beim Reißwolf: Ibiza-Affäre neu entflammt

Hat das Schredder der Akten etwas mit der Ibiza-Affäre zu tun?
Hat das Schredder der Akten etwas mit der Ibiza-Affäre zu tun? ©APA
Die an Kuriosem ohnehin nicht arme Ibiza-Affäre ist am Samstag um ein weiteres ungewöhnliches Kapitel ergänzt worden. Die Polizei ermittelt gegen einen ÖVP-Mitarbeiter, der kurz nach Ausbrechen des Skandals Daten aus dem Kanzleramt schreddern hat lassen - und das mit falschem Namen und vor allem ohne zu bezahlen. Die anderen Parteien verlangen geschlossen Aufklärung.
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Die Angelegenheit wurde Samstagfrüh durch einen "Kurier"-Artikel publik. Diesem zu Folge hat der damalige Mitarbeiter des Kanzleramts wenige Tage, nachdem die Ibiza-Videos die türkis-blaue Koalition zum Platzen gebracht hatten, eine Druckerplatte zur Firma Reisswolf gebracht, damit diese vernichtet wird. Das Unternehmen führte den Auftrag aus, bloß war der Name des Auftraggebers falsch und die Bezahlung blieb aus.

Betrugsverdacht

Die Folge war eine Anzeige wegen Betrugsverdachts. Da der Mann eine Telefonnummer hinterlassen hatte, konnte ihn die Exekutive letztlich ausforschen. Dass die Aktenvernichtung kurz nach Ibiza vorgenommen wurde, ließ die Sonderkommission, die sich der Aufklärung der Affäre widmet, am Tapet erscheinen. Sie ermittelt im Auftrag der Grazer Außenstelle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Der Verdacht lautet auf Unterschlagung von Beweismitteln. Eine Hausdurchsuchung bei dem Mann hat bereits stattgefunden.

In der ÖVP war man am Samstag bemüht, die Sache als mehr oder weniger alltäglich darzustellen. Es sei ein völlig üblicher Standardvorgang, dass persönliche Arbeitsunterlagen oder Daten, die nicht Bestandteile von Akten sind, bei einem Ressortwechsel bzw. Büroauszug von Mitarbeitern aussortiert, gelöscht oder geschreddert werden: "Auch bei der Übergabe von Christian Kern an Sebastian Kurz im Dezember 2017 wurden leere Büroräumlichkeiten und keine Datenträger oder Unterlagen aus der Ära Kern vorgefunden." Zuletzt hatte ein Lkw der Firma Reisswolf für Aufsehen gesorgt, als er rund um den Abgang von Ressortchef Herbert Kickl (FPÖ) vor dem Innenministerium gesichtet worden war. Welche bzw. ob überhaupt Daten vom Ministerium vernichtet wurden, ist freilich unklar.

Nur 76 Euro

Finanziell hat es sich für die ÖVP definitiv nicht ausgezahlt, dass der Mitarbeiter die Rechnung für das Schreddern der Drucker-Datei nicht beglichen hat. Wie der "Kurier" berichtet, wären bloß 76 Euro zu berappen gewesen. Mittlerweile ist die Rechnung bezahlt.

Von der Vernichtungsaktion waren laut "Kurier" zumindest zwei Personen informiert, einer davon war bei Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) aktiv und ist nunmehr Gruppenleiter, der andere der Leiter der IT-Abteilung, der wenig begeistert über die Außer-Haus-Schredderung gewesen sein soll.

Vertrauen

Allzu viel Vertrauen den Beamten des Hauses gegenüber scheint im nach langer Absenz wieder ÖVP-geführten Kanzleramt jedenfalls nicht geherrscht zu haben. Es sei allen Mitarbeitern klar gewesen, dass jedes Agieren sehr aufmerksam von den roten Führungskräften verfolgt und möglicherweise der SPÖ-Zentrale berichtet werde, wird in der Volkspartei begründet, warum sich der Mitarbeiter auf den Weg zum Reißwolf gemacht hatte - das übrigens "nach Rücksprache mit den zuständigen Stellen des Bundeskanzleramtes", wie die Volkspartei betont. Dass er möglicherweise nicht rechtskonform gehandelt habe, sei absolut nicht seine Absicht gewesen. Mit der Ibiza-Affäre habe die Sache jedenfalls rein gar nichts zu tun gehabt.

Ganz anders sehen das die anderen Parteien und erinnern daran, dass die ÖVP mit der Herstellung des Videos schon einmal in Verbindung gebracht worden war - wobei die öffentliche Information von der Volkspartei selbst ausgegangen war. Sie beklagte nämlich vor einigen Wochen, dass gefälschte E-Mails zwischen dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz und seinem Kanzleramtsminister Gernot Blümel in Umlauf seien, die die beiden zu Unrecht belasten würden.

"ÖVP ist nicht die Unschuld"

Wie auch der JETZT-Abgeordnete Peter Pilz mutmaßt der freiheitliche Mandatar Hans-Jörg Jenewein, dass die ÖVP-Dementis bezüglich des Schriftverkehrs zum Video falsch seien. Vielmehr dürften im Zuge der Kommunikation zwischen den beiden Politikern auch weit sensiblere Dinge besprochen worden sein, glaubt Jenewein. Hier sei in den nächsten Tagen und Wochen noch einige "Dynamik" zu erwarten", rechnet der Freiheitliche mit weiteren Hinweisen. "Eines scheint jedenfalls jetzt schon klar: In der Ibiza-Affäre ist die ÖVP nicht die Unschuld aus der Lichtenfelsgasse", legt Pilz auf den Sitz der Volkspartei anspielend nach.

Dass der von den Ermittlungen betroffene Mitarbeiter mit einem Job in der ÖVP-Zentrale versorgt worden sei, spreche Bände, findet wiederum SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. Er ist der Meinung, dass sich VP-Obmann Kurz erklären müsse. Fragen stellen sich auch für die NEOS. So will Generalsekretär Nikola Donig etwa wissen, welche Rolle der Mitarbeiter im Kanzleramt hatte und welche Akten er vernichtet habe. NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper spricht bereits von einem "Schredder-Gate".

(APA)

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