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Herbst schlägt bisher alle Rekorde

Nach dem miesen August jagt ein Temperaturrekord den anderen. Der Herbst 2006 war bisher der wärmste seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen.    

„Bis jetzt hat es seit 1870 keinen wärmeren gegeben”, bestätigt Arnold Tschofen vom Bregenzer Wetterdienst. „Aber”, schränkt er ein, „der ganze November wartet noch auf uns.” Die niedrigeren Temperaturen im Nebelmonat werden den bisherigen Rekordschnitt von 14,9 Grad ordentlich drücken. „Solche außergewöhnlichen Wetterphänomene kommen immer wieder vor – darauf hat sich die Pflanzenwelt sehr gut eingestellt”, sagt Ökologieforscher Prof. Georg Grabher.

Der warme Herbst bringt aber ordentlich Schwung in die Natur: Rosen blühen Ende Oktober, auch manche Kastanie treibt wieder aus. Das Laub bleibt länger auf den Bäumen. Auch die Tierwelt erfreut sich an den hohen Temperaturen. Stare trödeln, warten mit dem Abflug in Richtung Süden noch zu. Amseln üben mit Gezwitscher schon Mal fürs Frühjahr. „Auch Wespen sind derzeit noch unterwegs auf der Suche nach Königinnen”, schildert Walter Niederer, Geschäftsführer vom Naturschutzverein Rheindelta. Die Königinnen dagegen haben sich oft schon versteckt, überwintern in Erdhöhlen oder Dachböden.

Jahreszeit verwechselt

„Es kann auch passieren, dass Maikäferlarven bei warmem Wetter Frühling mit Herbst verwechseln und zu früh schlüpfen”, so Niederer. Allerdings – da sind sich die Biologen einig – hat der ungewöhnliche Herbst weniger Auswirkungen auf die Natur als ein kaltes Frühjahr. „Denn Kastanien oder Himbeeren werden nicht geschwächt, nur weil sie nochmal Blüten treiben.”

Jäger haben es derzeit allerdings etwas schwieriger, weil das Wild sich in höhere Gefilde zurückzieht. Auf die Tiere selbst wirkt das Wetter positiv. „Das Wild kann Reserven tanken und sich gut auf den Winter vorbereiten”, sagt Wildbiologe Hubert Schatz.

Auch auf den Menschen hat der traumhafte Altweibersommer nur positive Auswirkungen – sei es beim Wandern oder beim Cappucinoschlürfen auf den Café-Terrassen des Landes: Die Sonne beeinflusst unseren Hormonhaushalt. Wir tanken Energie, fühlen uns agiler.

Heißluft aus Afrika

Obwohl es gestern zwischendurch etwas regnerisch war, ist die Prognose für die kommenden Tage exzellent. „Es ist eigentlich unglaublich. Am Nationalfeiertag sind in Vorarlberg Temperaturen um die 25 Grad durchaus möglich”, verspricht Wettermann Arnold Tschofen morgen traumhaftes Wetter. Verantwortlich für das milde Klima derzeit ist der Föhn – und eine kräftige Südwestströmung, die vom afrikanischen Kontinent Warmluft zu uns zieht.

„Bis einschließlich Sonntag bleibt es föhnig. Zwar ist es möglich, dass sich kurze Regenschauer einschmuggeln – aber im Großen und Ganzen bleibt es freundlich und warm”, so Tschofen. Die Schneefallgrenze liegt derweil unerreichbar bei 3800 Meter.


Das macht der warme Herbst mit unseren Tieren

  • Igel verschieben Winterschlaf. „Die Igel haben den Winterschlaf einfach nach hinten verschoben”, schildert Annelies Dalpez von der Igelstation Nüziders. „Sie können sich in aller Ruhe satt fressen – käme der Winter überraschend, ginge das nicht.”
  • Mehr Nüsse für Eichhörnchen. Eichhörnchen können 20 Prozent mehr Vorräte für den Winter bunkern. So kommen mehr der niedlichen Nager durch den Winter.
  • Insekten leben noch. „Wir beobachten derzeit Libellen, die normalerweise nicht mehr fliegen würden”, so Walter Niederer vom Naturschutzverein Rheindelta. Mit dem Winteranfang sterben die Tiere nämlich. Jetzt genießen sie eine Verlängerung.
  • Wild geht höher. Jäger haben es schwer, denn Gams und Rotwild ziehen sich in höhere Lagen zurück. „Sie haben wenig Hunger, sind nachts unterwegs – fast wie im Sommer”, so Wildbiologe Hubert Schatz.
  • Murmeltiere pennen. Nur den Murmeltieren ist das Wetter egal. „Die sind heuer schon extrem früh in den Bau gegangen und halten Winterschlaf – trotz der sommerlichen Temperaturen”, so Biologe Schatz.

Schneegrenze steigt an

Mit den „VN” spricht der aus Hörbranz stammende Ökologieforscher und Naturschutzratsvorsitzende Univ.-Prof. Georg Grabher über den warmen Herbst.

VN: Welchen Einfluss sehen Sie auf die Natur?

Grabher: Der Einfluss ist zunächst sicher nicht dramatisch – die Umstellung auf den Winter findet ja trotzdem statt. Denn die Natur orientiert sich mehr an den kürzer werdenden Tagen als an der Temperatur. Gerade Gartenblumen wie Dalien, aber auch Tomaten oder Gurken blühen wieder und sterben noch nicht ab, weil es noch keinen Frost gegeben hat.

VN: Und längerfristig?

Grabher: Die Gletscher werden weiter zurückgehen. Auch das Gestein wird wärmer, mit Felsstürzen wie in der Schweiz ist verstärkt zu rechnen. Wir müssen aber 50 oder 100 Jahre vorausdenken, wo wir im Alpenraum schon mit drei bis vier Grad Erwärmung bis 2100 rechnen werden müssen.

VN: Was heißt das für Vorarlberg?

Grabher: Vor allem die Nacht- und Wintertemperaturen werden höher. Höhenlagen unter 1500 Meter werden im Winter einfach keine gute Schneebedeckung mehr abbekommen. Das wird allerdings schon früher als in 100 Jahren der Fall sein.

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