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Hebammenjob am seidenen Faden

Eine Hebamme ist für viele Frauen ein überaus wichtiger Ansprechpartner
Eine Hebamme ist für viele Frauen ein überaus wichtiger Ansprechpartner ©APA
Die Geburtshilfe an den Landeskrankenhäusern ist nur durch deutsche Fachkräfte gesichert, nur jede zweite mobile Stelle ist besetzt und für die Hausgeburtshilfe gibt es nur zwei Hebammen. Die Zukunft: ungewiss.

Von Anja Förtsch (Wann&Wo)

Silvia Gsteu hat nur kurz Zeit für ein Gespräch. Schließlich ist sie im Einsatz – und das seit 17 Jahren am Stück. Ohne Pause, ohne Urlaub, ohne freien Tag. „Ich bin rund um die Uhr in Rufbereitschaft“, schildert sie gegenüber WANN & WO, „meine Planung reicht immer nur eine Stunde voraus.“ Der Knochenjob, den die Feldkircherin ausübt, ist einer, der landläufig ganz andere, nämlich fröhliche und harmonische Bilder im Kopf erzeugt: Gsteu ist Hebamme. Aber nicht an einem Krankenhaus, wo ihr Arbeitsalltag zumindest etwas entspannter wäre, sondern in der freien Hausgeburtshilfe. Und damit eine von nur zwei Hebammen in ganz Vorarlberg. Noch jedenfalls, denn mit Ende dieses Jahres geht die 59-Jährige in Pension.

Kritik aus der Politik

Viele Vorarlberger Frauen, die sich eine Hausgeburt wünschen, müssten diesen Traum dann abschreiben, sagt Gsteu, denn: „Der Job stirbt aus.“ Darüber, dass Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher erst kürzlich verkündete, dass alle Hebammenstellen an den Landeskrankenhäusern besetzt seien und das Land keinen Hebammenmangel sehe, kann Gsteu nur milde lächeln – und nicht nur sie: Kritik kommt auch von der Grünen-Abgeordneten Nadine Kasper sowie von der SPÖ-Gesundheissprecherin Elke Zimmermann. „Auf den ersten Blick herrscht in den Vorarlberger Krankenhäusern derzeit kein Hebammenmangel, ein zweiter Blick lässt jedoch erkennen, dass nur durch die ‚Mitarbeit‘ von Hebammen aus Deutschland der Bedarf gedeckt werden kann. Auf Seiten der freiberuflichen Hebammen kann sehr klar von einem drastischen Mangel gesprochen werden“, rügt etwa Kasper. Zimmermann fordert, dass alle acht Stellen für mobile Kassen-Hebammen besetzt werden. Aktuell stehen nur vier zur Verfügung. „Ein Aspekt wird die bessere Bezahlung sein – aber auch an den Arbeitsbedingungen könnte sich einiges verbessern“, sagt Zimmermann.

Knackpunkt Bereitschaft

Diese Punkte unterstreicht auch die freie Hausgeburtshilfe Gsteu. „Der Kassenvertrag ist so schlecht bezahlt, dass man davon nicht leben kann. Außerdem ist die Verantwortung wahnsinnig hoch.“ Dabei sei das Risiko auch bei einer Hausgeburt aber überschaubar, „weil ohnehin nur Schwangere daheim entbunden werden, bei denen alles nach Plan verläuft, die selbst gesund sind und auch ein gesundes Kind tragen. Und sollte es doch irgendeine Komplikation geben, wird die Frau sofort ins Krankenhaus gefahren.“ In ihren Augen braucht es in erster Linie nicht mehr Ausbildungsplätze, um einem Hebammenmangel entgegenzuwirken. Vielmehr bräuchte eine Frau nicht nur eine, sondern mindestens drei betreuende Hebammen. „Nur wenn die sich untereinander abwechseln können, haben sie auch mal etwas Freiraum. Und nur dann steigt unter den jungen Frauen auch die Bereitschaft, Hebamme zu werden“, ist sich Gsteu sicher. „Denn dieser Job ist alleine nicht schaffbar.“

Zahlen

  • 2 Hebammen für Hausgeburten gibt es im Ländle lediglich.
  • 28 Geburtenanfragen musste Gsteu 2019 ablehnen, weil ihre Zeit nicht ausreicht.
  • 62 Hebammen arbeiten an den Vorarlberger Landeskrankenhäusern.
  • 4 mobile Hebammen sind bei der Krankenkasse angestellt.

19 Jahre nach Aus in Lustenau: Kein neues Geburtshaus in Sicht

Seit am 1. Jänner 2001 nach mehr als 70 Jahren das Entbindungsheim in Lustenau geschlossen wurde, gibt es kein Geburtshaus mehr in Vorarlberg. Die Frauen haben somit lediglich die Wahl zwischen einer Geburt im Krankenhaus oder in den eigenen vier Wänden. Österreichweit gibt es nur in Vorarlberg und dem Burgenland kein Geburtshaus. Die Grünen fordern eine neue Einrichtung, die Landesregierung sieht dabei aber noch viele Fragen, etwa nach dem Konzept, dem Standort und der Finanzierung, offen.

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(Wann&Wo)

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