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Heimischer Handel hat Einzug ins Internet verschlafen

Der österreichische Handel hat den Einzug ins Internet verschlafen. Nur etwa die Hälfte der Handelsbetriebe hat eine eigene Website, 15 Prozent einen Webshop.

Die Angaben stammen zwar aus dem Jahr 2010/11, dürften sich bis dato aber nur wenig geändert haben, räumte Handelsobfrau Bettina Lorentschitsch Dienstagabend bei einem Pressegespräch ein. “Viele wurden überrollt”, sagte die Branchenvertreterin. Das Kundenverhalten habe sich innerhalb kürzester Zeit drastisch geändert. Allein wenn man bedenke, was Handys vor drei Jahren konnten und was sie jetzt können.

Ungenutztes Potenzial

Das Potenzial im Internet ist groß, in einigen Jahren soll der Onlineanteil im heimischen Einzelhandel 25 bis 30 Prozent betragen, prognostizieren Experten. Für die Wirtschaftskammer Grund genug, eine Roadshow durch ganz Österreich zu starten, um ihre Mitglieder über die Möglichkeiten des WWW zu informieren. Der Auftakt findet am 5. Juni in St. Pölten statt. Die Abschlussveranstaltung ist am 11. November in Wien. Ziel ist, dass jeder Betrieb im Netz vertreten ist – und sei es nur mit seinen Kontaktdaten und Öffnungszeiten. “Nicht jeder braucht einen Webshop oder eine App”, meinte Lorentschitsch. Eine Pauschallösung gebe es nicht.

Grenzen verschwimmen

Man müsse viele stationäre Händler von dem Denken wegbringen, das Internet sei böse. “Die Grenzen zwischen online und offline werden sich immer mehr auflösen”, so die Handelsobfrau. Derzeit würden noch zu viele Umsätze im Ausland generiert. “Es muss uns gelingen, das nach Österreich zu holen”, sagte Sparten-Geschäftsführer Rene Tritscher. Derzeit geben die Österreicher im Internet etwa 5,5 bis 6 Mrd. Euro aus, doch nur rund 3 Mrd. Euro davon fallen auf den heimischen Handel.

Einheitliche Bedingungen benötigt

Grundbedingung für funktionierenden Onlinehandel müssten “einheitliche europäische Rahmenbedingungen” sein, appellierte Lorentschitsch in Richtung Politik. Einmal mehr sprach sich die Handelsobfrau gegen die Festplattenabgabe aus. Aber auch punkto Steuern, Umweltvorgaben und Lohnnebenkosten sieht sie österreichische Betriebe im Wettbewerbsnachteil.

Rücktrittsrecht umstritten

Ein Dorn im Auge ist den Handelsvertretern zudem das großzügige Rücktrittsrecht für Konsumenten. Es gebe in der EU Überlegungen, dieses auf bis zu vier Wochen auszudehnen. Von diesen “Blödheiten” hält Lorentschitsch gar nichts. Im Modebereich sind die Retourquoten enorm – 50 bis 70 Prozent der Artikel werden wieder zurückgeschickt. Laut Kammer kostet eine Retoure im Schnitt 10 Euro. In der Roadshow sollen die Händler deshalb auch darin geschult werden, Rückläufe zu vermeiden – etwa durch exakte Artikelbeschreibungen, gute und ansprechende Verpackungen sowie komplizierte Retourprozesse. Letztere erhöhten die Chance, dass es sich Kunden dreimal überlegen, ob sie ein Produkt zurückschicken oder nicht.

Handel hauptsächlich stationär

Auch wenn der Internethandel stetig wächst, sieht die Branchenobfrau den stationären Handel nicht vom Aussterben bedroht. Der Preis allein sei nicht das einzige Kriterium und ein Buch bei Amazon oder Thalia.at sei nicht billiger als im Geschäft, meinte Lorentschitsch. Im Internet gebe es außerdem kaum Spontankäufe. Den vermeintlichen Beratungsdiebstahl – Produkte im Geschäft zu testen und dann im Internet günstiger zu bestellen – legt Lorentschitsch anders aus: Viele Konsumenten würden sich im Internet nur vorinformieren, aber im Geschäft kaufen. Über alle Branchen gesehen mache der Handel immer noch 95 Prozent des Geschäfts stationär. (APA)

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