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Haller: "Kränkungen werden häufig verdrängt"

Dr. Reinhard Haller bei "Vorarlberg LIVE".
Dr. Reinhard Haller bei "Vorarlberg LIVE". ©VOL.AT
Reinhard Haller, Kriminalpsychologe und Autor, war am Freitag bei "Vorarlberg LIVE" und sprach über die Verfilmung seines Buchs "Die Macht der Kränkung".
Haller: "Bewegen uns ein Stück weit im Blindflug"

Basierend auf dem Sachbuch-Bestseller "Die Macht der Kränkung" von Gerichtspsychiater Reinhard Haller zeigt der ORF ab Sonntag eine sechsteilige fiktive Fernsehserie, die die Vorgeschichte zu einem Anschlag zeigt. Reinhard Haller war in die Produktion der Serie eingebunden und spielt auch eine kleine Gastrolle. Im Studio von "Vorarlberg LIVE" sprach er am Freitag über die Serie, die Dreharbeiten und die Umsetzung seines Buches.

Text von Marlies Mohr

Als einer der wenigen kennt er die Lösung schon, wird sie aber natürlich nicht verraten. Schließlich soll die Spannung, die Fernsehserien zumeist innewohnt, die Zuschauer vor den Bildschirmen halten. Was Gerichtspsychiater Reinhard Haller zur Verfilmung seines Buchs "Die Macht der Kränkung" sagen darf: "Der Inhalt ist gut umgesetzt worden", und mit einem Schmunzeln merkt er noch an: "Dass es als Filmthema aufgegriffen wurde, hat mich zumindest nicht gekränkt." Morgen, Sonntag, feiert die ORF/ZDF neo-Dramaserie "Die Macht der Kränkung" um 20.15 Uhr auf ORF 2 ihre Premiere. Die sechs Folgen zeichnen die Vorgeschichte eines Amoklaufs in einem Einkaufszentrum nach, wobei alle Protagonisten mit einer tiefsitzenden Kränkung zu kämpfen haben. Bei einem von ihnen entladen sich Wut, Verzweiflung und Ausweglosigkeit auf tödliche Weise.

Video: Dr. Reinhard Haller zur Besetzung von "Die Macht der Kränkung"

Kleine Auslöser

Reinhard Haller bekam in dem Drama eine kleine Gastrolle. "Ich musste nicht viel tun, nur ab und an im Hintergrund vorbeihuschen, wie das bei Hitchcock-Filmen oft zu sehen ist", beschreibt er seinen Part. Es gab auch keine langen Überlegungen, als Drehbuchautorin Agnes Pluch mit ihrem Anliegen bei ihm vorstellig wurde. "Ich habe mich vorher nur gefragt, ob es möglich ist, so ein Thema mit filmischen Mitteln darzustellen", erzählt Reinhard Haller. Nach einigen Gesprächen war er überzeugt: "Wenn die Verpackung so spannend ist, ist das ein ganz guter Weg." Mit dem Buch in Bildern zeigt sich Haller zufrieden. "Die Darstellung, dass es nicht immer die großen Motive wie Eifersucht oder Habgier sind, die zur Katastrophe führen, sondern häufiger die kleinen Dinge, ist aus meiner Sicht gelungen." Die Resonanzen jener, die einen Teil der Serie bereits auf ZDF neo gesehen haben, sind ebenfalls durchwegs positiv. Was den Psychiater jedoch besonders freut: Auch die Fachkollegen stimmen seiner Einschätzung zu.

Video: Vom Buch zur Verfilmung

Das gekränkte Genie

Was die Berücksichtigung von Kränkungen bei Diagnosen allgemein betrifft, nimmt sich Reinhard Haller ungeschminkt selbst bei der Nase. "Ich bin auch erst durch den Fall des Franz Fuchs auf dieses Thema gestoßen", erzählt er. Alle vermuteten hinter den Bombenattentaten politische Gründe. Bei Haller war es nicht anders: "Als ich dann jedoch die Gelegenheit bekam, mit Fuchs zu sprechen, erkannte ich, dass das Motiv, so simpel es klingt, Kränkungen waren. Der Franz Fuchs war ein gekränktes Genie." Nach wie vor würden Kränkungen jedoch zu wenig beachtet. "Selbst in der Ausbildung zum Mediziner und dann zum Facharzt kam der Begriff nie vor", verdeutlicht Haller und zitiert Hildegard von Bingen, die weiland schon meinte: "Was kränkt, macht krank, was beleidigt, erzeugt Leid." In Wahrheit sei es tatsächlich so, dass die große Masse der vielen kleineren Wehwehchen letztlich auf Kränkungen zurückzuführen sind.

Sensibilität wecken

Reinhard Haller hofft, dass mit der Fernsehserie die Sensibilität für Kränkungen in der Gesellschaft geweckt werden kann. "Kränkungen werden immer noch häufig verdrängt, bagatellisiert, sind eher peinlich, und vor allem wird nicht bedacht, was sie anrichten können." Das stelle der Film sehr realistisch dar. Persönlich wünscht er sich ein besseres Bewusstsein für Kränkungen gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst, weil nur dann könne man gut damit umgehen. VN-MM

Die gesamte Sendung:

VORARLBERG LIVE am Freitag, 27. August 2021
Wann: ab 17 Uhr live auf VOL.AT, VN.at und Ländle TV
Gäste: Kurt Fischer (Bgm. Lustenau), Reinhard Haller (Psychiater und Autor)
Moderation: Gerold Riedmann (Chefredakteur VN.at)

Die Sendung "Vorarlberg LIVE" ist eine Kooperation von VOL.AT, VN.at, Ländle TV und VOL.AT TV und wird von Montag bis Freitag, ab 17 Uhr, ausgestrahlt. Mehr dazu gibt's hier.

(VOL.AT/VN)

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