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Haller: Erneut Kritik an Substitutionstherapie in Österreich

Haller-Kritik an Substitutionstherapie.
Haller-Kritik an Substitutionstherapie. ©VOL.AT/Steurer
Mit harscher Kritik sieht sich Psychiater Reinhard Haller in einem Prozess am Landesgericht Linz konfrontiert. Haller selbst kritisiert erneut die Substitutionstherapie in Österreich - diese entspreche nicht internationalen Standards.
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Eine Diskussion um ein Gutachten von Psychiater Reinhard Haller ist in einem am Dienstag im Landesgericht Linz fortgesetzten Prozess gegen einen oö. Arzt wegen zu hoher Suchtgift-Verschreibungen entbrannt. Für die Richterin war es in mehreren Punkten nicht nachvollziehbar. Der Antrag des Verteidigers, Haller seiner Funktion zu entheben und eine andere Expertise einzuholen, wurde aber abgewiesen.

“Ich weiß, wovon ich rede”

“Ich weiß, wovon ich rede”, verwies Haller in seinen Ausführungen darauf, dass er über mehr als 30 Jahre Erfahrung verfüge, rund 1.000 Gutachten verfasst habe und selbst eine Ambulanz für Suchtkranke leite. Die von ihm in dem Fall erstellte Expertise beruhe nur auf Protokollen aus polizeilichen Einvernahmen und daher auf einer “mangelhaften Materie”. “Das einzig Richtige wäre, jeden einzelnen (ehemaligen Patienten, Anm.) persönlich zu begutachten”, betonte der Mediziner, der selbst um die Entbindung von seiner Bestellung als Sachverständiger ersuchte. Ein Akten-Gutachten könne nie die Qualität von Untersuchungen erreichen. Und selbst dann stehe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, ob die jeweiligen Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt Suchtgift konsumiert haben, erklärte Haller.

Dass der beschuldigte Arzt beispielsweise einem Patienten 600 Milligramm Substitol als Initial-Einstellung zu Beginn seiner Behandlung verschrieben haben soll, sei “ein Kunstfehler”, betonte der Gerichtspsychiater. Allerhöchstens die halbe Dosis wäre gerechtfertigt gewesen. “Es gibt ganz klare Richtlinien.” Auf den Einwand, dass ein Krankenhaus dem Mann tags darauf die gleiche Menge gegeben haben soll, entgegnete Haller, dass das Spital ebenfalls einen Fehler begangen habe. Er räumte ein, dass jeder Süchtige das Bedürfnis habe, möglichst hohe Dosen zu nehmen. “Das hat aber nichts damit zu tun, ob die medizinische Behandlung gerechtfertigt ist.”

Haller mit Kritik an Substitutionstherapie

Der Gutachter kritisierte, dass die österreichische Form der Substitutionstherapie generell nicht den internationalen Standards entspreche, und verwies darauf, dass man jährlich fast doppelt so viele Drogentote wie in Deutschland zähle. Er sprach von großen Mängeln, der Angeklagte sei Teil dieses Systems gewesen und unter einem “wahnsinnigen Druck” gestanden, habe aber dennoch nicht lege artis gehandelt.

Der frühere Substitutionsmediziner ist u.a. wegen schwerer Körperverletzung, Suchtgifthandels und schweren Betrugs angeklagt, der Prozess läuft bereits seit August 2012. Er habe ohne ordentliches Erheben der Krankheitsgeschichte oder Harntests Ersatzstoffe verschrieben und dabei die erlaubte Tagesdosis oft weit überschritten oder zusätzliche Mittel trotz Kontraindikation verordnet, so die Anklage. Laut Verteidiger habe ein Koordinator des Landes ausgesagt, dass zum damaligen Zeitpunkt vereinbart gewesen sei, alle Tests von der Bezirksverwaltungsbehörde durchführen zu lassen. In Summe sind mehr als 60 Personen, die von März 2007 bis November 2009 Patienten waren, als Zeugen geladen. Am 18. März wird der Prozess fortgesetzt, auch ein Urteil könnte an diesem Tag gefällt werden.

(APA)

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