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Haider fordert Gesamtschule

Staatsreform: BZÖ-Landeshauptmann präsentiert den "VN" im Interview seine Vorstellungen. Sein Ziel ist die Einführung einer gemeinsamen Schule für alle Sechs- bis 15-Jährigen.

Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, bezweifelt, dass eine große Staatsreform zustande kommen wird: „Weil Staatsreform ja auch Machtverteilung ist, und es schwer vorstellbar ist, dass der Bund freiwillig etwas an die Länder abtritt,“ so Haider im „VN“-Interview.

Bundes- und Ländervertreter werden im heurigen Frühjahr nichtsdestotrotz über konkrete Maßnahmen verhandeln. Haider spricht sich gegenüber den „VN“ dafür aus, das Bildungswesen zu verländern. Sein Ziel dabei ist die Einführung einer gemeinsamen Schule für alle Sechs- bis 15-jährigen; ein entsprechender Schulversuch in Kärnten sei bereits genehmigt.

Am Ziel, Kärnten zu einem Freistaat zu erklären, hält der BZÖ-Vertreter unterdessen fest: „Es genügt uns in Wirklichkeit, wenn wir uns so bezeichnen dürfen“, betont er freilich; es handle sich schließlich um eine Frage des Selbstverständnisses.

Wiedervereinigung

„Keine Frage“ ist es für Jörg Haider, dass sich FPÖ und BZÖ wiedervereinigen werden. Offen seien nur Zeitpunkt und Form: „So lange die Betonköpfe existieren, die zum Bruch geführt haben, ist es schwer, den zeitlichen Horizont abzustecken“. Die Wiedervereinigung könnte in Form eines „Gründungsaktes des freiheitlichen Lagers ist Österreich“ erfolgen, so Haider wörtlich.

Genug von der Bundespolitik

VN: Herr Landeshauptmann, machen Sie sich auf bundespolitischer Ebene bewusst so rar? Es ist ruhig geworden um Sie!
Jörg Haider: Ich bin weder Vorsitzender einer Bundespartei noch habe ich sonst irgendeine Funktion in der Politik. Ich konzentriere mich voll auf meine Verantwortung als Landeshauptmann. Journalisten scheinen schon Entzugserscheinungen zu haben.

VN: Ehrt Sie das?
Jörg Haider: Na ja, sicher, weil ich weiß, dass die anderen ziemliche Langweiler sind und es daher die Hoffnung gibt, dass ich wieder auftauche.

VN: Und werden Sie das tun?
Jörg Haider: Ich war 20 Jahre lang in der Bundespolitik, das ist ausreichend.

VN: Eine Rückkehr ist ausgeschlossen?
Jörg Haider: Was soll ich dort? Auf der Bundesebene gibt es neue Verhältnisse, ich will mich dort nicht aufdrängen.

VN: Die Bundesregierung plant eine Staatsreform. Die Vorstellungen der Großparteien sind bekannt. Was aber wollen Sie?
Jörg Haider: Ich habe nicht die Erwartungshaltung, dass wirklich viel passiert – weil Staatsreform ja auch Machtverteilung ist, und es schwer vorstellbar ist, dass der Bund freiwillig etwas an die Länder abtritt. In Wirklichkeit müsste man nur grobe Veränderungen durchführen: das ganze Kultur- und Bildungswesen den Ländern zuordnen beispielsweise.

VN: Was würde dabei herauskommen: eine Gesamtschule gar?
Jörg Haider: Wir haben einen Schulversuch in Kärnten bewilligt bekommen, damit wir die gemeinsame Schule der Sechs- bis 15-jährigen machen können. Da geht es nicht nur darum, AHS-Unterstufe und Hauptschule zu synchronisieren, sondern insgesamt ein Konzept für die Sechs- bis 15-jährigen zu machen.

VN: ÖVP-Vertreter behaupten, die Gesamtschule widerspreche dem Leistungsgedanken.
Jörg Haider: Überhaupt nicht. Gerade die gemeinsame Schule ermöglicht es, eine innere Differenzierung vorzunehmen und die Entscheidung, wohin sich ein Kind entwickeln soll, so weit wie möglich hinauszuschieben. Diese Entscheidung schon im zehnten Lebensjahr zu treffen, ist absolut falsch und viel zu früh. Gerade auch unter dem Eindruck des Facharbeitermangels muss man schauen, dass nicht alle in die AHS gehen: AHS heißt in einem hohen Maß Produktion von Arbeitslosen in der Zukunft.

VN: Zur Staatsreform passt, dass Sie aus Kärnten einen Freistaat machen wollen. Sind Sie da noch dahinter?
Jörg Haider: Klar, das ist unser Ziel.

VN: Was ist das mehr als eine Worthülse? Auch Tirol und Vorarlberg betonen, eigenständig zu sein.
Jörg Haider: Tiroler und Vorarlberger haben die Eigenständigkeit sogar in der Landesverfassung definiert. Warum sollen wir als Bundesland, das immer eine Sonderrolle für Österreich gespielt hat, da nicht sagen, wir sind ein Freistaat?

VN: Verstehen wir Sie richtig: Geht‘s beim Freistaat ums Selbstverständnis?
Jörg Haider: Selbstverständnis, historisches Bewusstsein. Es genügt uns in Wirklichkeit, wenn wir uns so bezeichnen dürfen. In der globalisierten Welt haben die Menschen immer mehr Interesse an der Überschaubarkeit ihres Lebensraumes. Wenn man es parteipolitisch sieht, gibt es natürlich auch eine zweite Ebene: Wir sind das orange Gegengewicht zum rot-schwarzen Österreich.

VN: Der Kanzler hat versprochen, den Ortstafelkonflikt noch heuer zu lösen. Hat es schon viel versprechende Gespräche gegeben?
Jörg Haider: Er hat zwar schon ein paar Mal angekündigt, dass wir reden müssen, es hat aber noch kein Gespräch gegeben. Ich glaube, dass er zuerst einmal mit allen anderen redet, um sich ein Bild zu machen. In der Zwischenzeit hat er ja schon von seinen eigenen Parteifreunden, den SPÖ-Bürgermeistern aus Südkärnten, gehört, dass meine Position so falsch nicht ist.

VN: Sie fordern eine Minderheitenerhebung, um feststellen zu können, wie viele Einwohner es mit slowenischer Muttersprache gibt. Gibt es ohne eine solche Erhebung keine Lösung?
Jörg Haider: Ich wüsste nicht wie. Es sei denn, man sagt, wir einigen uns auf eine Anzahl an Tafeln; die schreiben wir mit einem Verfassungsgesetz fest, damit das dann nicht mehr bekämpft werden kann und das Thema ein für alle Mal erledigt ist.

VN: Sie profitieren doch vom Konflikt: Werden sie versuchen, das in baldigen Landtagswahlen auszunützen?
Jörg Haider: Ich habe das Thema nicht vom Zaun gebrochen. Ich habe fünf Landtagswahlkämpfe geführt, ohne das Thema Ortstafeln zu strapazieren. Man zwingt mich in dieses Thema hinein – durch die Aktion des Herrn Vouk (Slowenenvertreter), durch das VfGH-Fehlurteil. Ich kann nicht sagen, das Thema ist den Kärntnern wurscht. 60 Prozent der Kärntner sagen, wir brauchen keine zweisprachigen Ortstafeln – da ist eine Emotion drinnen.

VN: Welche Perspektive haben Sie für sich: Wollen Sie eine weitere Periode Landeshauptmann sein?
Jörg Haider: Ich habe das noch nicht entschieden. Ich habe (zuletzt) gesagt, das ist jetzt einmal die Periode, die ich einfach noch im Interesse des Landes mit ganzem Engagement machen möchte. Ohne mich in ein positives Licht stellen zu wollen, aber Kärnten hat noch nie einen Landeshauptmann gehabt, der so viel für das Land bewegt hat.

VN: Wie lange wollen Sie das noch tun?
Jörg Haider: Das muss ich mir noch überlegen: In drei Jahren bin ich 60, dann habe ich vielleicht eine andere Perspektive.

VN: Das Ziel, an einem Ironman teilzunehmen, steht noch?
Jörg Haider: Sicher.

VN: Wie soll es mit dem freiheitlichen Lager weiter gehen? Die Vorarlberger FPÖ positioniert sich etwa liberal – ist da eine blau-orange Wiedervereinigung nicht nahe liegend?
Jörg Haider: Die Wiedervereinigung wird in irgendeiner Form einmal kommen. Das ist keine Frage für mich. So lange die Betonköpfe existieren, die zum Bruch geführt haben, ist es nur schwer, den zeitlichen Horizont abzustecken.

VN: Ohne Strache würde es klappen?
Jörg Haider: Ich weiß nicht, unter welchen Bedingungen das stattfinden wird. Es kann ja auch so etwas wie ein Gründungsakt des freiheitlichen Lagers in Österreich sein. Mit dem jüngsten Streit (Strache-Stadler) haben viele kapiert, warum das BZÖ notwendig war; auch in der FPÖ sehen viele erst, was da geblieben ist.

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