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Haben wir nicht alle „Fomo?“

"Fomo“ (engl.: Fear of missing out): Die ständige Angst etwas zu verpassen und überall dabei sein zu müssen, begleitet uns. Die inoffizielle Social-Media-Krankheit bestimmt unsere gestresste Gesellschaft.

Volle Terminkalender, Smartphones und Social-Media-Plattformen: Die Generation Y ist süchtig nach Ereignissen, muss ständig up-to-date sein und je mehr sie erlebt, umso besser ist es – glaubt sie zumindest. Dabei verliert man gerne den Blick auf das Wesentliche: Das Leben im Hier und Jetzt erleben und Menschen, die in diesem einen Moment, Zeit mit einem verbringen. Auch Celine, 18, kennt solche Situationen: „Letztes Wochenende war ich auf einem Konzert und ich ertappte mich selbst dabei, wie ich zuerst alles gefilmt, bevor ich den Moment genossen habe.“ Natürlich muss dann auch alles gleich gepostet werden. „Sobald ich Internet habe, werden Bilder und Videos online gestellt“, berichtet die Bregenzerin. Auch Fabian (20) kann sich ein Leben ohne Smartphone nicht mehr vorstellen. „Es ist schon zur Gewohnheit geworden, dass man das Handy immer mit dabei hat und alles festhält. Oft denkt man sich: ‚Das müsste man jetzt nicht posten‘. Aber man macht es trotzdem, es ist schon fast zu einer Verpflichtung geworden“, so der Harder.

Am Laufenden bleiben

Viele halten es nicht mehr aus, eine gewisse Zeit von ihrem Smartphone getrennt zu sein, denn man muss ja auf dem Laufenden bleiben, was passiert. „Man sollte den Social-Media-Konsum dosieren können, aber man schaut schon immer mal nach, was auf Facebook und Co. passiert, was die anderen so machen. Es ist eine kleine Sucht“, gibt Fabian zu. Dieser Zwang, immer und überall dabei sein zu wollen und die Angst etwas zu verpassen, ist zu unserem ständigen Begleiter geworden. Das erzeugt Stress. Dieses hektische Leben ist aber selbstgemacht und freiwillig. So muss im Urlaub zuerst mal die Bikinfigur für die Daheimgebliebene in Szene gesetzt werden oder beim Workout der Bizeps auf der Social-Media-Plattform viele Likes bekommen.

„Jomo“ statt „Fomo“

Mittlerweile hat sich schon eine Gegenbewegung entwickelt, so ist die „Joy of missing out“ (dt.: Die Freude, etwas zu verpassen), ein guter Ansatz, eine gewisse Balance in unsere hektische Welt zu bringen. Bewusst abschalten – sowohl online als auch offline und den Moment live erleben und nicht später über das Display seines Smartphones flimmern sehen. Das kann sich auch David (20) vorstellen: „Auch wenn ich gerne Fotos als Erinnerung habe, kann man sich darauf einigen, dass einfach einer aus der Gruppe ein Foto macht, man es danach postet und für den Rest des Abends verbringt man die Zeit miteinander ohne Smartphone!“

 

„Eine Konfrontation mit sich selbst“

WANN & WO hat bei Claudia Wielander, MSc Psychotherapeutin des ifs Bregenz nachgefragt.

WANN & WO: Wieso hat man Angst, etwas zu verpassen?

Wielander: In unseren westlichen Gesellschaft interessiert uns vorerst „Was bist du? Was machst du?“, statt „Wer bist du?“. Wir wollen uns sofort am Beruf, am Status und an der ökonomischen Situation des Gegenübers orientieren. Diese Dinge werden von der Mehrheit positiv gewertet, wohingegen Gefühle, Beziehungen, Innehalten, Träume und persönliche Inspirationen sowie Nichts-Tun, Nichts-Haben, Leere stark abgewehrt und abgewertet werden. Jeder produziert seinen eigenen Stress selbst, indem er mitmacht. Doch der Druck mitzumachen entsteht aus dem gesellschaftlichen Umfeld und der jeweiligen Gruppe, zu der wir dazugehören möchten.

WANN & WO: Was für ­Konsequenzen kann das haben?

Wielander: Nicht dabei zu sein bedeutet, innere Leere aushalten zu müssen, Stille und den Freiraum zu erleben, indem sich durchaus Gedanken und Gefühle aufdrängen können. Also eine Konfrontation mit sich selbst! Ständig erreichbar zu sein steht für „so tun, als ob ich in Beziehung wäre“, anstelle in realer Beziehung zu sein. Dauerstress bringt irgendwann alle Symptome von psychischer Erschöpfung hervor: Schlaflosigkeit, der Unfähigkeit sich zu konzentrieren, fehlendes Mitgefühl bis hin zu Erschöpfungsdepressionen und Burn-Out-Symp­tomen, die medizinisch behandelt werden müssen.

WANN & WO: Was kann man dagegen unternehmen?

Wielander: Man sollte darüber nachdenken, was man möchte, dass Menschen von einem erzählen. Auch wenn man nicht mehr „posten“ kann. Man sieht vielleicht daran, dass es um den Sinn geht, den man seinem Leben gibt.

Definition „Fomo“: „Fear of missing out“ Die Angst, etwas zu verpassen, ist eine Form der gesellschaftlichen Beklemmung, Angst oder Besorgnis. Das Phänomen beschreibt die zwanghafte Sorge, eine soziale Interaktion, eine ungewöhnliche Erfahrung oder ein anderes befriedigendes Ereignis zu verpassen und nicht mehr auf dem Laufenden zu bleiben. Dieses Gefühl geht besonders mit modernen Technologien wie Mobiltelefonen und Sozialen Netzwerken einher bzw. wird von diesen verstärkt.

Die aktuelle Ausgabe der WANN & WO hier lesen.

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