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"Habe gut 150 Entzüge hinter mir"

Heroin bestimmte lange Zeit Melodies Leben
Heroin bestimmte lange Zeit Melodies Leben ©Shutterstock, handout/Melodie Manuela
Die heute 40-jährige Dornbirnerin Melodie Manuela hat den Sprung aus dem Drogensumpf geschafft. Mit WANN & WO sprach sie über ihre Erfahrungen.

WANN & WO: Wie bist du das erste Mal mit Drogen in Kontakt gekommen?

Melodie Manuela: Mit 13 Jahren, da für mich die erste Droge Zigaretten waren. Damals fing ich an zu rauchen, um „cool“ zu sein. Durch den falschen Bekanntenkreis ging es mit dann mit 14 weiter mit Haschisch. Das war aber nicht so richtig meins. Durch einen Kollegen kam ich in den Kontakt mit Kokain und Heroin. Da war ich ungefähr 16 Jahre alt. Um meine „Freunde“ nicht zu verlieren, machte ich einfach mit. Anfangs war es noch kein tagtäglicher Konsum. Es ging aber ziemlich schnell, bis mein Körper abhängig vom Heroin wurde.

WANN & WO: Wie oft hast du versucht, einen Entzug zu machen und wie hast du diesen erlebt?

Melodie Manuela: Ich habe aufgehört die Entzüge zu zählen. Heroin ist eine sehr teure Substanz und wenn ich kein Geld mehr hatte, kam der Entzug automatisch. Um eine Hausnummer zu nennen – ich schätze, dass ich etwa 150 Entzüge hinter mir habe.

WANN & WO: Du wurdest somit sehr oft rückfällig?

Melodie Manuela: Rückfälle gehören in so einer Situation schon fast dazu. Ist der körperliche Entzug nach rund sieben Tagen abgeschlossen, geht es im Kopf erst richtig ab: Nüchtern schaut die Welt ganz anders aus. Auf Heroin spürte ich keine seelischen Schmerzen und war beispielsweise immun gegen die Schimpfereien meiner Eltern. Auf Heroin war mir das alles völlig egal, doch ohne die Subs­tanz … (Melodie zögert) … kam das böse Erwachen: Schlechtes Gewissen, Geldverlust etc. Auf einmal spürt man wieder Gefühle, die lange nicht mehr da waren. Grausam.

WANN & WO: Wie hat dein Umfeld auf deinen Drogenkonsum reagiert?

Melodie Manuela: Meine Familie hat mich verstoßen, als ich 17 Jahre alt war. Meine Eltern haben mich mitten im Winter eiskalt vor die Türe gesetzt. Mal schlief ich unter einer Brücke, dann wieder bei einer Kollegin. Am einen Tag dort, am anderen hier. Kaum was zu essen und eigentlich nur ständig auf der Jagd nach dem nächsten Schuss. Der Rauswurf bei meinen Eltern war sowas wie meine Rettung: Ich beschloss, diesem Drecksleben eine Ende zu setzen und meldete mich zur Therapie an.

WANN & WO: Hat die Therapie funktioniert? Bist du heute clean?

Melodie Manuela: Ich bin kurz vor meinem 19. Geburtstag in eine Langzeittherapiestation gegangen, weit weg von Vorarlberg. Ich war im Anton-Proksch-Institut in Mödling bei Wien und habe das ganze Programm durchgezogen – mit Nachbetreuung insgesamt knapp drei Jahre. Ohne diese Therapie hätte ich es niemals geschafft und wäre heute sicherlich nicht mehr am Leben. Ich weiß nicht, wieviele Bekannte aus der Szene gestorben sind. Es sind aber sicherlich an die 35 Personen!

WANN & WO: Welche Erinnerungen aus deiner Zeit als Süchtige sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Melodie Manuela: Eine meiner bes­­­­­­ten Freundinnen ist durch eine Überdosis gestorben. In dem Raum, in dem es passiert ist, waren alle so zugedröhnt, dass niemand bemerkt hat, dass ihr Herz aufgehört hatte zu schlagen. Das war sehr tragisch. Zudem habe ich meine beiden Söhne durch die Sucht „verloren“. Ich habe sie zu ihrem Schutz bei Bekannten in Obhut gegeben.

WANN & WO: Siehst du Heroin als die gefährlichste Droge?

Melodie Manuela: Nein. Alkohol ist für mich die staatlich annerkannte Droge. Wenn man mit jemanden spricht und ihm sagt, dass man ein Alkoholproblem hat, wird man bei weitem nicht so schlecht behandelt, wie jemand, der Drogen konsumiert. Ich wäre für ein Verbot von Alkohol, denn man wird bei regelmäßigem Konsum sowohl körperlich als auch geistig krank. Und mir muss auch niemand erzählen, er trinke nur zum Genuss. Genuss ist ein Glas Wein. Alles darüber sind Rauschzustände. Ich spreche mich zudem gegen Drogenlegalisierungen aus, egal um welche Substanz es sich handelt. Vielleicht würde für manche der Reiz des Verbotenen verloren gehen, es kann aber auch genau das Gegenteil eintreten. Sucht steckt fast in jedem menschlichen Charakter.

„Zustand“ – ein Einblick in das Leben einer Drogensüchtigen

Mit 13 Jahren raucht sie im Gasthaus ihrer Eltern die erste Zigarette, im Alter von 15 Jahren den ersten Joint. Noch vor ihrem 17. Geburtstag ist sie heroinabhängig: In ihrem Buch „Zustand“ (erschienen im Wagner Verlag) erzählt die Dornbirner Autorin Melodie Manuela die Geschichte einer jungen Frau, die immer wieder alles verlor, was in ihrem Leben von Bedeutung war. Angefangen bei ihrer Selbstachtung bis hin zum Respekt ihrer Mitmenschen, die mit ansehen mussten, wie die Sucht immer wieder die Oberhand gewann und die die Gründe dafür jedoch nicht verstehen konnten. Nach erfolgreicher Therapie lebt sie heute drogenfrei und führt ein geregeltes Leben. www.wagner-verlag.de

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