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Griechenland: So könnte es weitergehen

Europa hofft nach wie vor auf Einigung mit Griechenland
Europa hofft nach wie vor auf Einigung mit Griechenland ©AP
Im griechischen Schuldendrama soll ein Referendum über die Zukunft des Landes im Euro entscheiden. Am nächsten Sonntag will die Athener Regierung die Griechen über das von den Geldgebern vorgelegte Spar- und Reformpaket abstimmen lassen.
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Hohe Hürden für "Grexit"

Über welche Frage stimmen die Griechen überhaupt ab?

Das griechische Volk soll befragt werden, ob es das von den Kreditgebern verlangte Reform- und Sparpaket annimmt. Dazu gehören Steuererhöhungen, etwa bei der Mehrwert-, Unternehmens- und Luxussteuer, Rentenreformen wie die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre und eine Senkung der Militärausgaben. Im Gegenzug sollten 15,5 Mrd. Euro von den Geldgebern fließen. Zur Stärkung der Wirtschaft sind zudem in einem Wachstumspaket aus dem EU-Haushalt bis zum Jahr 2020 rund 35 Mrd. Euro vorgesehen. Das laufende zweite Hilfsprogramm sollte um fünf Monate verlängert werden. Die genaue Formulierung der Frage sei aber nicht bekannt, sagt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Welche Probleme gibt es bei der Volksabstimmung?

Die Griechen können am kommenden Sonntag kein Rettungspaket annehmen oder ablehnen, weil das zweite Hilfspaket am Dienstag (30. Juni) ausläuft. Rein formal gibt es somit kein Angebot mehr. Dass die Athener Regierung mit dem Referendum auch über einen Verbleib oder Austritt aus der Währungsunion abstimmen lässt, halten EU-Diplomaten für unwahrscheinlich. Denn nach Meinungsumfragen ist immer noch eine Mehrheit der Griechen für die Euro-Mitgliedschaft. Bei solch einer Abstimmung dürfte sich die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras eine Abfuhr holen.

Was passiert, wenn die Griechen für eine Einigung mit den Kreditgebern stimmen?

Dann werden die Geldgeber die Verhandlungen mit Athen wohl wieder aufnehmen – denn sie können dieses demokratische Votum nicht einfach übergehen. “Unser Anliegen ist immer noch, eine faire Einigung zu erreichen”, sagt Juncker: “Die Tür ist noch offen.” Auch Frankreichs Präsident Francois Hollande wünscht sich, dass die Gespräche weitergeführt werden. Allerdings stellt sich auch dann wieder das Problem, dass das zweite Hilfspaket beendet wurde und es eigentlich keine Grundlage mehr gibt.

Und bei einem “Nein”?

Dann steuert das Land auf den Ausstieg aus der Währungsunion zu (“Grexit”). Allerdings nicht automatisch – es ist Sache der Politiker, den weiteren Kurs zu bestimmen. Ministerpräsident Tsipras hat seinem Volk empfohlen, mit “Nein” zu stimmen. In Europa hofft man, ihn noch umstimmen zu können. Kommissionspräsident Juncker appellierte am Montag an das griechische Volk, mit “Ja” zu stimmen: “Es ist nicht so, dass wir endgültig in einer Sackgasse feststecken.” EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sagt: “Es geht darum, dass wir die griechische Regierung überzeugen können, dass sie dazu aufruft, mit “Ja” zu stimmen.”

Ist ein “Grexit” politisch gewünscht?

Nein. Die Euro-Partner wollen Griechenland in der Währungsunion halten. Kommissionspräsident Juncker sagt: “Für mich war der Austritt Griechenlands aus der Eurozone nie eine Option und wird es nie sein.” Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel erinnerte am Montag an den Satz: “Scheitert der Euro, scheitert Europa.”

Würde ein “Grexit” die Eurozone in Gefahr bringen?

Die meisten Volkswirte erwarten das nicht. Dafür gibt es mehrere Argumente: Die ausländischen Banken haben in den letzten Jahren ihr Engagement in Griechenland zurückgefahren. Der Austritt Griechenlands ist daher nicht mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman 2008 zu vergleichen, der eine weltweite Bankenkrise ausgelöst hatte. Außerdem gilt Griechenland als Sonderfall. Die Auswirkungen auf andere hoch verschuldete Euroländer wie Spanien oder Italien dürften begrenzt bleiben, die Menschen dort dürften nicht die Banken stürmen. Zudem kann die Europäische Zentralbank (EZB) weiter mit dem Kauf von Staatsanleihen Euro-Länder stabilisieren.

Was passiert am Dienstag?

Dann muss Griechenland eine fällige Rate von 1,6 Mrd. Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici ist skeptisch, ob Athen dies schafft: “Es (Griechenland) wird es wahrscheinlich nicht machen”, sagte Moscovici dem französischen Sender RTL. Denn die Kassen in Athen sind leer. Ohne Einigung auf ein Reformpaket fließen 15,5 Mrd. Euro Hilfen nicht, die die Geldgeber – IWF, EZB und die Partner in Europa – zuletzt in Aussicht gestellt hatten.

Muss Griechenland dann am 1. Juli die Staatspleite erklären?

Eine Zahlungsunfähigkeit schon unmittelbar am Mittwoch bei endgültig gescheiterten Verhandlungen gilt als ausgeschlossen.

Folgt nach der Staatspleite zwingend der Euro-Austritt Griechenlands?

Nein. Der EU-Vertrag sieht nicht vor, dass ein Land aus dem Euro austritt. Auch bei einem Zahlungsausfall kann Athen im Euro-System verbleiben. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betont: “Im Übrigen ist auch klar: Griechenland bleibt Mitglied der Eurozone. Übrigens bleibt Griechenland Teil Europas.”

Wie könnte ein “Grexit” ablaufen?

Da es dafür keine Regeln gibt, müsste er verhandelt oder einseitig von Athen oder der Eurozone vollzogen werden. Das Land könnte zunächst auf dem Papier ein Euroland bleiben, müsste aber Geld in einer eigenen Währung ausgeben, um seine Banken zu versorgen. Eine solche Parallelwährung oder eine Rückkehr zur Drachme haben Volkswirte schon mehrfach ins Gespräch gebracht. Das bringt laut ifo-Präsident Hans-Werner Sinn Vorteile: “Die neue Währung würde abwerten gegenüber dem Euro, und damit würde das Land wieder wettbewerbsfähig.” Aber selbst bei einem Austritt aus dem Euro würde Griechenland in der EU bleiben, großzügige Hilfen der 27 anderen Länder wären notwendig.

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