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Gnadenlos viel Brahms: Gustav Kuhns "Delirium" in Salzburg

Der Große Saal des Mozarteums in Salzburg gehört dieser Tage dem "Erl-König" Gustav Kuhn. Nach seinem "Beethoven-Delirium" im Vorjahr lud der Salzburger Karajan-Schüler mit "seinem" Haydn Orchester Bozen-Trient heuer zum zweiten "Delirium".

Von 18. bis 21. Dezember stehen alle Brahms-Symphonien, Beethovens Missa Solemnis sowie zum Abschluss am Sonntag die “Neunte” auf dem Programm. Kuhns Marathon begann gestern, Donnerstag, Abend mit gnadenlos viel Brahms – mit der ersten und der zweiten Symphonie lagen gleich zwei Schlüsselwerke auf den Pulten.

Klein besetzt, schlank im Klang – so hatte Kuhn sein musikalisches Brahms-Konzept angekündigt. Im Großen Saal des Mozarteums, der für große romantische Symphonie eigentlich zu klein ist, wirkten die mit 14 ersten Geigen, zwölf zweiten, fünf Kontrabässen oder in den Bläsern einfach besetzten Gäste aus Südtirol dennoch satt, massiv und kraftvoll. Anders würde es zu Kuhn auch gar nicht passen. Der stand wie ein Monolith am Pult, prall gefüllt mit körperlicher Energie und schob den Ozeandampfer Brahms mit simplen und klaren Dirigier-Bewegungen durch die Turbulenzen seiner Partitur.

Zwischen der ersten und der zweiten Symphonie hat Kuhn sein Programm mit der “Musicbanda” Franui aus Osttirol ergänzt, gebrochen, konterkariert und zugleich aufgefrischt und gewürzt. Diese zehnköpfige Formation hat sich nach ihrem Schubertlieder-Projekt mit Liedern des späten Brahms (1893/94) beschäftigt und diese umarrangiert und weiterkomponiert. Klug, raffiniert und zugleich volksmusikantisch simpel was da aus diesen spätromantischen Schwelgereien gemacht wurde. Passt zu Kuhn und seinem Label Col Legno, bei dem diese Band mit ihrer empfehlenswerten Brahmslieder-CD “Nur ein Gesicht” auch vertreten ist.

Zurück zu den Symphonien. Da wählte Kuhn wie so oft stabile und relativ langsame Tempi. Im Detail schien er sich wenig einzumischen und verzichtete auf so manchen wirkungsvollen Effekt. Kuhns Brahms wirkte im großen Bogen und weniger im “Kleinkram” der unzähligen Nebenstimmen. Nicht wirklich elegant, dafür geradlinig, schnörkellos und unkapriziös kann diese Interpretation genannt werden. Einfach Brahms, Brahms und noch einmal Brahms. Ein Sog – wer ihm standhielt und sich zugleich fallen ließ, der ahnte plötzlich, warum Kuhn seinen Musikmarathon “Delirium” nennt. Das Publikum im nicht ganz voll besetzten Saal hat das auch gespürt. Langer und warmer Applaus nach zweieinhalb Stunden klingender Energie.

Details zu den CDs und den weiteren drei Konzerten von Gustav Kuhns Delirium 2008 unter 0662 / 84 31 94 oder http://www.col-legno.com

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