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ÖVP-Finanzministerium arbeitete lange ohne FPÖ an Glücksspiel-Liberalisierung

Glücksspiel-Automaten - Symbolbild
Glücksspiel-Automaten - Symbolbild ©APA-AP
Aufdeckerbericht enthüllt: ÖVP geführtes Finanzministerium wollte die "Kompetenzvielfalt" in der Glücksspielbranche bereinigen - FPÖ wettert: "Beim Polit-Roulette fällt die Kugel immer auf Schwarz."

Das innenpolitisch heiße Eisen rund um die Casinos-Postenschacheraffäre ist um eine Facette reicher. Das ÖVP-geführte Finanzministerium hat laut Medienberichten ab Frühjahr 2018 Gesetzespläne für eine Glücksspiel-Liberalisierung geschmiedet und dabei den damaligen Koalitionspartner FPÖ erst spät in die Überlegungen einbezogen. Bei dieser Information stützen sich ORF, "Der Standard" und "profil" auf bisher unbekannte Dokumente einer Arbeitsgruppe im Finanzministerium.

Löger, Müller, Schmid

Eingesetzt wurde diese im Juni 2018 vom damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), geleitet von Eduard Müller, ÖVP-naher Sektionschef und später Übergangsfinanzminister. Eingebunden war auch Generalsekretär Thomas Schmid, heute Chef der Staatsholding ÖBAG. Gegen ihn wird in der mutmaßlichen Casinos-Postenschacheraffäre ermittelt, ebenso gegen Löger. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Geplante Liberalisierung - die Ziele der ÖVP

Ziele des Finanzministeriums waren dem Bericht zufolge eine "Bereinigung der Kompetenzvielfalt", Wettgebühren sollten ins Glücksspielgesetz überführt werden und eine "Abklärung hinsichtlich der Ausschreibung der restlichen Spielbankkonzessionen" erfolgen. Später sollten auch "Bundeskonzessionen" für Online-Glücksspiel versteigert werden und auch für das "kleine Glücksspiel" (Spielautomaten, derzeit in Länderkompetenz) sollte es Bundeskonzessionen geben.

Novomatic entgegengekommen

Inhaltlich entgegengekommen wären die Vorhaben etwa dem heimischen Glücksspielriesen Novomatic. Obwohl der blaue Staatssekretär Herbert Fuchs als politisch zuständig galt, wurden dessen Team dem Bericht zufolge erst 2019 in die Pläne eingebunden. Dabei hatte das Finanzministerium schon im Frühjahr 2018 eine Novelle zum Glücksspielgesetz zurückziehen müssen, weil sich die Freiheitlichen zu wenig eingebunden gesehen hatten.

Lögers Anwalt sagt im "Standard", dass die Beamten die Gesetzesvorhaben in Umsetzung des Regierungsprogramms und ohne Lögers Zutun erarbeitet hätten. Novomatic sagt über einen Rechtsanwalt, dass der Firma "weder die Reformpläne zum Glücksspielgesetz vorab bekannt waren noch ihr Lizenzen oder Vorteile versprochen worden sind". Es habe keinen Deal mit der Politik gegeben.

Im türkis-blauen Regierungsprogramm finden sich die Vorhaben der Arbeitsgruppe allerdings nur teilweise wieder - konkret die Einbeziehung der Online-Sportwetten in das Glücksspielgesetz. Ansonsten ist in dem ÖVP-FPÖ-Papier nur die Rede von einer Evaluierung des Glücksspielgesetzes und einer "Kompetenzbereinigung".

FPÖ: Beim Polit-Roulette fällt die Kugel immer auf Schwarz

"Wenn die ÖVP Roulette spielt, dann hat sie vorher schon alle Zahlenfelder schwarz eingefärbt", fasste der freiheitliche Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, NAbg. Christian Hafenecker, heute die mannigfaltigen Verstrickungen der ÖVP mit der Glücksspielbranche zusammen. "Diese dürften der Auslöser dafür gewesen sein, dass die ÖVP im Finanzministerium eine bisher beispiellose Liberalisierung des Glücksspiels plante."

"Die Deals, die diesen Bemühungen zugrunde liegen, sind wohl bereits vor Jahren abgeschlossen worden, und sie betreffen nicht nur die Firma Novomatic, die von den vor der FPÖ versteckten Plänen profitiert hätte", so Hafenecker. Profitiert hätten demnach nämlich auch illegale Anbieter, die sich um legale Marktzugänge bemühen hätten können, so die Blauen.

"Angesichts dieser Umstände ist klar, warum die Kugel beim Polit-Roulette immer auf Schwarz fallen muss."

Krainer: "Schmutziger ÖVP-Deal mit Novomatic ist schiefgegangen"

Für Jan Krainer, Fraktionsführer der SPÖ im Ibiza-Untersuchungsausschuss, ist es mittlerweile klar, dass es schon im Jahr 2018 einen Deal zwischen der ÖVP und dem Glücksspielkonzern Novomatic gegeben hat. "Der Untersuchungsausschuss hat die Abläufe genau herausgearbeitet. Die ÖVP brauchte die Casag-Miteigentümerin Novomatic, um die Kontrolle im Aufsichtsrat und Vorstand der Casag zu behalten. Dafür wollte die ÖVP das Glücksspielgesetz zugunsten von Novomatic ändern mit einer zusätzlichen Online-Lizenz und der Aufhebung des Verbots des kleinen Glücksspiels in Wien."

"Das ist ein ziemlich schmutziger Deal", sagt Krainer. "Danach wären die Automatensalsons, die Wien mit gutem Grund verboten hat, wieder wie Schwammerl aus dem Boden geschossen. Die ÖVP wollte diesen Deal - auf Kosten der Existenzen von tausenden Spielsüchtigen - trotzdem machen."

Aus dem Untersuchungsausschuss weiß man, dass das Kabinett von ÖVP-Finanzminister Löger seit Sommer 2018 an einem neuen Glücksspielgesetz gearbeitet hat. "Die Vorentwürfe, die es dazu gibt und die im Ausschuss besprochen wurden, zeigen, dass die ÖVP da die Wunschliste von Novomatic abgearbeitet hat", so Krainer und weiter:

"Nach den vorliegenden Unterlagen kam die FPÖ erst Ende Jänner 2019 mit ins Boot. Dass dieses Glücksspielgesetz nie beschlossen wurde, liegt am Ibiza-Video und dem folgenden Ende der Kurz-Strache-Koalition."

(APA)

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