Leonore Gewessler ist zwar Ministerin, aber Klimaschutzaktivisten geblieben. Als solche beschränkt sie sich auf ihre Sache, ohne auf politische Mitbewerber, geschweige denn eine breitere Öffentlichkeit zu achten. Beispiel Lobautunnel: Wie aus den Nichts lässt sie nach eineinhalbjähriger Amtszeit wissen, dass sie dieses Straßenprojekt überprüfen lasse; und dass es am Ende abgeblasen werden könnte. Ergebnis: Nicht nur Freiheitliche sind empört, ausnahmsweise stimmen auch Sozialdemokraten und Türkise überein und bekräftigen, dass dieser Teil der Nordostumfahrung realisiert werden müsse. Im Sinne der Donaustadt, also des am stärksten wachsenden Bezirks vom Boden- bis zum Neusiedlersee, sei dies unverzichtbar. Auch die 200.000 Menschen, die dort leben, hätten Anspruch auf eine zeitgemäße Infrastruktur.
Das kann der Ministerin nicht egal sein: Es verweist auf ein grünes Versäumnis. Aus Überzeugung, Alternativloses zu wollen, hat man vergessen, sich um politische Mehrheiten zu bemühen. Der Beschluss des Gesetzes zum Ausbau erneuerbarer Energie, der diese Woche im Nationalrat zustande gekommen ist, ist ein denkbar schlechtes Gegenbeispiel. Da geht es ja vorerst eher nur darum, saubere Stromerzeugung auszubauen. Das kann man gerne unterstützen.
Straßenbauprojekte sind ein ganz anderes Kaliber: Politiker wie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und dessen Genossen in der Donaustadt haben sich für dieses Vorhaben wählen lassen. Würden sie sich jetzt nicht polternd gegen Gewessler stellen, könnten sie zurücktreten; sie haben sich quasi selbst dazu verpflichtet, auf die Barrikaden zu steigen. Sprich: Es war von vornherein absehbar, dass das zu verhärteten Fronten führt.
Gerade im Sinne des Klimaschutzes wäre umso mehr Fantasie gefordert. Greifen wir etwa den Aspekt heraus, dass mehr Straßen zu mehr Verkehr führen. Das ist ein altes Gesetz. In der Vergangenheit stand es jedoch in Verbindung mit der Tatsache, dass damit auch mehr Abgase einhergehen. Das ist zunehmend falsch: Es gibt neue Antriebstechnologien, die de facto emissionsfreie Mobilität erlauben.
Würde es Gewessler mehr ums Klima und weniger darum gehen, schnelle Punkte allein für die Grünen zu machen, würde sie sich auf Rahmenbedingungen konzentrieren, die dafür sorgen, dass Benzin- und Dieselautos schneller verschwinden. Bisher hat sie lediglich an die EU-Kommission appelliert, ein konkretes Datum für den europäischen Markt dafür zu nennen.
Und wenn sie nicht als Verfechterin von Verboten wahrgenommen werden möchte, würde sie gemeinsam mit allen anderen Grünen endlich anfangen, in einen Dialog mit einer breiteren Öffentlichkeit zu treten, in dem es darum geht, ein allgemeines Verständnis dafür zu entwickeln, wie die Klimakrise gezügelt werden könnte. Sonst gibt es ein böses Erwachen mit klimaschädlichen Folgen.
Wie in der Schweiz: Dort hat vor wenigen Wochen im Rahmen einer Volksabstimmung eine Mehrheit gegen konkrete Maßnahmen, wie eine Verteuerung von Flugtickets, votiert. Grund: Auch dort hat man es verabsäumt, die Leute einzubinden oder zumindest Überzeugungsarbeit zu leisten. In einer Demokratie ist das zum Scheitern verurteilt. Darüber sollte man sich eigentlich nicht wundern.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
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