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Gemeinsam eine Pfarre leiten

Bregenz (VN) - Eine Frau und ein Mann stehen der ­Bregenzer Pfarre Mariahilf ­gemeinsam vor.
Im Morgengebet der „Laudes“ bitten neun Frauen und ein Mann für „unseren Pfarrer Edwin, der heute Geburtstag hat“. Der genießt an diesem Tag, umringt von 20 Mitarbeiterinnen, Zopf und Marmelade und duftenden Kaffee. So weiblich ist Kirche heute. Sr. Clara Mair sitzt neben ihm. Eben macht ein Spaß die Runde. „Rote Bäckle“ und glänzende Augen. Aufgeräumt wirkt das und riecht nach Aufbruch.

Sie predigt auch

Am Tag des Herrn sind sie auch gemeinsam zum Gottesdienst eingezogen, der Pfarrer und seine Pastoralassistentin. Wobei sich Clara Mair keines Fantasiegewandes bedient, wie das andernorts mitunter Heiterkeit verursacht. Sie trägt Albe und Stola wie ein Diakon. An diesem Tag bleibt sie funktionslos. An anderen Sonntagen verkündet sie das Evangelium und predigt auch. Nur zum Altar wahrt Sr. Clara Mair während der Wandlung von Brot und Wein Abstand. Der bleibt ihr verwehrt. Bregenz-Mariahilf zählt rund 5000 Mitglieder. Die Pfarre erlebte nach dem langjährigen Engagement von Rudi Siegl das einjährige „Interregnum“ eines rumänischen Priesters. Für alle Beteiligten keine glückliche Lösung. Am 1. September folgte Edwin Matt als Pfarrmoderator. In seinem ersten Artikel fürs Pfarrblatt sucht man Wendungen wie „Übernahme“ oder „Amtsantritt“ vergebens. Denn Pfarrer Edwin arbeitet die Hälfte seiner Zeit als Direktor der Missionswerke. In Mariahilf ist er nur zu 50 Prozent angestellt, Pastoralassistentin Mair hingegen zu 75 Prozent und ihre Kollegin Christine Ritscher zu 40 Prozent.

Arbeitsteilung

Sie haben sich die Aufgaben geteilt. Clara Mair zeichnet für die Erstkommunion verantwortlich. Um die Firmlinge kümmern sich Christine Ritscher und Alexandra Kofler. Clara Mair betreut das Personal und Edwin Matt die Finanzen. Er feiert das Herzstück der katholischen Gottesdienste, die Eucharistie. Sie hält Wortgottesdienste. Sie organisiert liturgische Dienste und teilt Lektoren, Kantoren, Ministranten ein, er ist Ansprechpartner der Mesner. Gemeinsam besuchen sie Kranke und betagte Geburtstagskinder. Abwechselnd repräsentieren sie die Pfarre nach außen.

Der Bregenzer Stadtteil wächst. Die Einladung zur Mitarbeit in der Stadtteilentwicklung griff das Pfarrteam beherzt auf. „Denn Kirche meint nicht nur das Haus. Kirche, das sind die Menschen, die hier leben“, bekräftigt Pfarrer Edwin. Der 51-jährige Priester war 13 Jahre als Seelsorger in Andelsbuch tätig. Er hat dort viel Ehrenamt erlebt, hatte aber keine hauptamtlichen Mitarbeiter. Mariahilf könnte er alleine mit 50 Prozent nicht bewältigen. Rund 300 freiwillige Helfer halten den Betrieb der Pfarre am Leben. Vom Ministranten bis zu den Organisatoren des wöchentlichen Flohmarkts. Es kommen ständig neue hinzu. Eben versahen die frisch getrauten Eheleute Ernestine und Wolfram Öller erstmals Dienst als Lektorin und Kantor. Die Pfarre wirkt, als sei sie zu neuem Leben erwacht. Und der Pfarrer von morgen wird ein Teamspieler sein oder sehr einsam und erfolglos.

Sr. Clara will versuchen, spirituelle Impulse wie Exerzitien im Alltag in die Pfarrei zu tragen. Die geborene Harderin, die vor 23 Jahren bei den Kreuzschwestern eintrat, war im Feldkircher Diözesanhaus zwei Jahre lang für Spiritualität und Berufungspastoral tätig. Als sie das Messgewand erstmals überzog, ging ein Raunen durch die Kirchenbänke. „Eine Frau hat meine Mama gefragt: Warum hat sie das an? Sie hat ihr geantwortet: Der Pfarrer will das so.“ Gelächter. Eine partnerschaftliche Entscheidung wird ausgerechnet durch ein hierarchisches Machtwort erklärt, das so nie gefallen ist. Aber auch die Stimmen jener, die im liturgischen Ablauf der Gottesdienste nach Fehlern suchen, um sie dem Bischof zu melden, werden verstummen. Es braucht halt Zeit.

Noch verlangen Menschen, wenn sie ins Pfarrhaus kommen, reflexartig den Pfarrer. Aber immer öfter nehmen sie gerne zur Kenntnis, wenn sich Clara Mair oder Christine Ritscher ihrer Anliegen annehmen. In Mariahilf nimmt ein Stück kirchlicher Zukunft Gestalt an.

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