Hilflosigkeit, Überforderung oder Selbstmissachtung – die Gründe, warum Eltern ihre Kinder vernachlässigen oder misshandeln, sind vielfältig.Rund 1000 Abklärungsverfahren werden von den Jugendwohlfahrtsstellen in Vorarlberg jährlich durchgeführt. „Das bedeutet, dass Meldungen zu Missständen in Familien bei uns eingehen, die die Sozialarbeiter dann überprüfen“, erklärt Werner Grabher, Leiter der Jugendwohlfahrt Vorarlberg. Vor Ort beurteilen die Mitarbeiter, ob das Wohl des Kindes gewährleistet ist, und schätzen die Gefährdungssituation ab. „Gemeinsam mit den Eltern suchen wir nach Lösungen. Und in 90 Prozent der Fälle können wir auch eine einvernehmliche Vereinbarung teffen“, verdeutlicht Grabher den üblichen Ablauf.
Drastische Maßnahmen
Dennoch gibt es auch Einzelfälle, die drastische Maßnahmen verlangen. „Manchmal bleibt keine andere Möglichkeit, als den Eltern die Obsorge über Pflege und Erziehung des Kindes zu entziehen.“ Bei „Gefahr in Verzug“ wird das Kind aus der Familie herausgenommen. „Solche Fälle sind eine extreme Belastung für alle. Für das Kind, die Familie, aber auch für unsere Fachkräfte. Solche Entscheidungen werden nicht leichtfertig getroffen und dienen ausschließlich dem Schutz des Kindes“, beschreibt der Jugendwohlfahrtsleiter die Vehemenz des nicht alltäglichen Vorgehens. Dass die Eltern das nicht akzeptieren wollen, erscheint Grabher verständlich. Gleichwohl ließen sich solche Entscheidungen in Ausnahmefällen nicht vermeiden. Für die Betroffenen kann das weitreichende Folgen haben, wie der Fall einer Vorarlbergerin zeigt.
Kinder werden abgeholt
„Die Welt ist für mich zusammengebrochen. Das war brutal“, erinnert sich Sabine J. (Name von der Redaktion geändert) an den Tag, an dem ihre Kinder von der Jugendwohlfahrt abgeholt und ins Kinderdorf nach Bregenz gebracht wurden. Der Grund: eine anonyme Anzeige wegen Vernachlässigung.
„Das stimmt aber nicht. Ich habe meine Kinder nie vernachlässigt. Trotzdem wurden sie mir weggenommen“, fühlt sich die 49-Jährige übergangen. Ihre zwei Töchter konnte sie fortan nur noch einmal die Woche für drei Stunden sehen. Kurz darauf wurde ihr der Kontakt vollständig verboten. „Ich würde ihnen nicht guttun. Ich, ihre Mutter, würde meinen eigenen Kindern nicht guttun“, beschreibt J. die Begründung und ringt um Fassung.
Zu viel Alkohol
Sowohl J. als auch ihr Mann waren alkoholkrank. Ihr Mann konnte deshalb nicht mehr arbeiten und ging in Frühpension. Daher musste sie als Arbeitstätige die Alimente zahlen. Und das wohl nicht zu knapp. „Ich wurde bis zum Existenzminimum geschröpft“, empört sich die Mutter.
Nichts mehr, wie es einmal war
Heute sind die Kinder alt genug, dürfen selbst entscheiden, ob und wann sie ihre Mama sehen wollen. Dennoch ist nichts mehr, wie es einmal war. „Ich konnte an den wichtigsten Jahren ihres Lebens nicht teilhaben. Dabei würde ich alles für meine Kinder tun“, versichert J. Kaum ein Tag vergeht, an dem sie sich nicht die Frage nach dem Warum stellt. „Sie wurden nie geschlagen. Hatten ihre eigenen Zimmer. Wie bitte soll ich die Kinder da vernachlässigt haben?“
Die vergangenen Jahre haben ihre Spuren bei der Frau hinterlassen. Dennoch möchte J. positiv in die Zukunft blicken. Und das hat einen einfachen Grund: „Ich muss mit der ganzen Sache abschließen, sonst drehe ich noch durch.“
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