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Freude auf den Ernst des Lebens

Ergriffen betrachtet der sechsjährige Leonardo seine meterhohe Schultüte. Zwischen lustigen roten Blinklichtern schweben zwei tapfere Astronauten durchs Weltall. „Es hätte auch eine Tüte mit Feuerwehrmännern und Sirene gegeben."

„Aber die hier ist viel cooler!“, verrät der Dreikäsehoch. Neben Leonardos futuristisch anmutendem Beutestück stapeln sich Malfarben, Turnschuhe und Federpenale am großen Balkontisch von Familie Antonaci. Der Sohnemann und seine Freundin Teresa Mercedes sind für den allerersten Schultag bestens gerüstet: Mit einer total angesagten Diddl-Schultasche, lässigem Replay-Shirt, süßem Miniröckchen und einer perfekt gespitzten Bleistift-Armee wollen die beiden dem „Ernst des Lebens“ den Kampf ansagen.

„Ich kann schon alles schreiben!“, verkündet Teresa Mercedes stolz. „Oma“, „Anna“ und „Lisa“ gehen wie geschmiert von der Hand. Ihr kleiner Kollege will angesichts so viel Eifers nicht den Kürzeren ziehen, angelt sich einen Filzstift und beginnt, in krakeligen Buchstaben ein windschiefes „Leonardo“ aufs Papier zu malen. Angestrengt sitzt er da, hebt nicht den Blick, schnauft bloß von Zeit zu Zeit hörbar auf. „Ich hoffe nur, dass er in der Schule auch noch so konzentriert ist!“, schmunzelt seine Mutter Karin.

Die junge Lauteracherin und ihre Freundin Brigitte haben sich schon vor Wochen um die nötige Ausstaffierung ihrer Sprösslinge gekümmert.

„Wir bekamen Listen von den Klassenlehrern, auf denen punktgenau zu lesen stand, welche Dinge die Kinder im Unterricht brauchen“, berichtet Brigitte Maurer. Das Einkaufen selbst sei dann einigermaßen aufwändig gewesen. „Man muss natürlich auf eine gute Qualität und das entsprechende Preis-Leistungsverhältnis achten“, führt ihre Freundin Karin aus.

Auch die Wünsche der Tafelklassler fänden Berücksichtigung – selbst entgegen aller Vernunft. „Denn meine jüngere Tochter nimmt mir die zuckerlrosane Diddl-Tasche nimma mehr, soviel ist klar!“, lacht die zweifache Mutter Brigitte vorausschauend.

Beim Thema „Schultaschen“ wird sogar Leonardos Vater gesprächig: „An meine kann ich mich genau erinnern. Das war ein tolles Teil mit Tigerfell!“,

gerät der gebürtige Italiener ins Schwärmen. Den ersten Schultag des Buben wird er sich – ebenso wie die stolzen Mütter – nicht entgehen lassen. „Obwohl ich noch weiß, dass das ein komisches Gefühl war, als meine Eltern mit uns in der Klasse standen.“

Dass die Kinder ihre Anwesenheit tatsächlich nötig haben, glaubt keiner der Erwachsenen. „Denn schüchtern sind die beiden bei Gott nicht“, meint Brigitte mit einem kritischen Seitenblick auf den durch den Garten tobenden Nachwuchs.

Und sollten die Kleinen dennoch einmal in die Zwickmühle kommen, gäbe es ja noch immer den großen Freundeskreis. „Sebastian, Mario und Felicia“, zählt Teresa Mercedes ihre Schulkameraden atemlos auf und ruft, keinen Widerspruch duldend: „Aber sitzen werde ich neben der Felicia!“

„Die weiß noch gar nichts von ihrem Glück“, kommentiert Teresas Mutter trocken. Dann wendet sie sich wieder Leonardos Eltern zu. Man spricht über die Zukunft, über die Wertigkeiten im Leben. „In der Schule sollen die Kinder unbedingt Sprachen lernen“, betont Brigitte. „Daran führt kein Weg vorbei, da müssen sie durch!“ Karin und ihr Mann Salvatore nicken zustimmend. Obwohl Leonardo in einem zweisprachigen Elternhaus aufwachse, würde er das väterliche Italienisch oft boykottieren. „Verstehen tut der Bub jedoch alles. Zumindest solange er will“, erzählt Herr Antonaci.

Auch er ist der Ansicht, dass Fremdsprachen die höchste Priorität eingeräumt werden müsse. Sein Junge kann dem allerdings nicht viel abgewinnen. „Ich freue mich schon aufs Rechnen und Fußballspielen!“, strahlt Leonardo übers ganze Gesicht.

Teresa Mercedes will in einem anderen Fach brillieren: Das blonde Mädchen ist eine wahre Bastelkönigin, hat sich schon eigene Flip-Flops und TShirts entworfen. „Werken und Singen – das wird guat!“, lautet seine Devise.

Die Erwachsenen bremsen die Euphorie ihrer Kleinen. „Vor dem ersten Schultag müssen wir noch den Weg abgehen“, erklärt Karin Antonaci und schnappt sich das Pärchen. Leonardo setzt zum Protestgeheul an. „Ich brauch’ meine Sonnenbrille, sonst komm’ ich nicht mit“, mault der putzige Youngster. Erst nachdem die Mutter das trendige Accessoire im Ranzen verstaut hat, setzt sich Leonardo in Bewegung. Teresa Mercedes trippelt brav hinterher. Da dreht sich Leonardo um, sieht das Mädchen mit seinen haselnussbraunen Augen an und sagt leise: „Komm!“ Zwei Hände greifen ineinander. Seite an Seite machen sich die Kinder auf – dem neuen Lebensweg entgegen.

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