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Frauenmorde: Regierung sagt für Gewaltschutz knapp 25 Millionen Euro zu

Für den Gewaltschutz werden als Sofortmaßnahme knapp 25 Millionen Euro aufgebracht.
Für den Gewaltschutz werden als Sofortmaßnahme knapp 25 Millionen Euro aufgebracht. ©APA (Sujet)
Nach der Häufung der Frauenmorde in Österreich hat die Regierung nun am Mittwoch verkündet, dass als Sofortmaßnahme zusätzliche 24,6 Millionen Euro für den Gewaltschutz aufgebracht werden.
Tote Frau in Wien-Simmering aufgefunden

Die Regierung verkündete Mittwochmittag nach einem virtuellen Runden Tisch mit Opferschutzeinrichtungen ein Maßnahmenpaket. Als Sofortmaßnahme werden zusätzlich 24,6 Millionen aufgebracht, wie Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) im Pressefoyer nach dem Ministerrat bekannt gab. Gewaltschutzeinrichtungen hatten freilich 228 Millionen gefordert.

Gewaltschutz: Nicht nur finanzielle Maßnahmen notwendig

Dass es deutlich weniger Geld gibt als von Gewaltschutzorganisationen gefordert, verteidigte Raab damit, dass man das Paket nicht nur aufs Budget reduzieren solle, schließlich gehe es etwa auch um eine bessere Vernetzung. Es brauche Kraftanstrengungen von allen Seiten, meinte Raab. Das Expertentreffen, bei dem etwa Vertreter der Frauenhäuser und der Männerberatung dabei waren, habe einmal mehr gezeigt, dass es mehr Fallkonferenzen und Prävention brauche, auch müsse man Frauen sensibilisieren, damit die Hilfsangebote auch in Anspruch genommen werden. Mit dem "umfassenden Maßnahmenpaket" stelle man zusätzlich jährlich 24,6 Millionen Euro ab heuer zur Verfügung. Raab sprach von der "größten Gewaltschutzoffensive der letzten Jahrzehnte".

Für Gewaltschutzzentren gibt es beispielsweise fünf Mio. Euro mehr, zudem sollen Familienberatungsstellen ausgebaut und Kinderschutzzentren gestärkt werden. Im Justizbereich soll unter anderem die juristische und psychosoziale Prozessbegleitung für Frauen und Kinder um weitere drei Mio. Euro aufgestockt werden, wie Justizministerin Alma Zadic (Grüne) ankündigte. Man investiere in Täterarbeit und Anti-Gewalttrainings.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte einen Ausbau der Fallkonferenzen aus. Man wolle 800 Spezialisten für die Polizeiinspektionen als Ansprechpartner für Gewaltopfer ausbilden. Das Sicherheitspolizeigesetz soll dahingehend geändert werden, dass bereits bei Stalking Daten an die Gewaltschutzzentren übermittelt werden können. Geprüft wird ein obligatorisches Waffenverbot nach der Verfügung einer Wegweisung bzw. eines Betretungs- und Annäherungsverbots.

Während Pressekonferenz: Tote Frau in Wien-Simmering aufgefunden

Vier Mio. Euro mehr sollen in den Ausbau der Männerberatungsstellen fließen, wie Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) ergänzte. Wichtig sei es, die falsch vermittelten Rollenbilder aufzubrechen. Jeder kenne Frustration und Angst, aber wenn das in Aggression und Hass umschlage, sei dies ein Warnsignal und der Zeitpunkt für Männer, sich Hilfe zu holen. Um Angebote bekannter zu machen, wird eine Kampagne gestartet.

Dass sich Ministerin Raab bereits am Dienstag mit Experten speziell zu "kulturell bedingter Gewalt" ausgetauscht hatte, hat beim Koalitionspartner offenbar nicht unbedingt Freude ausgelöst: Mückstein betonte, man müsse ein bisschen aufpassen, denn Gewalt gegen Frauen sei ein weltweites Problem, das jede Altersklasse betreffe und sich quer durch alle sozialen Schichten ziehe. "Wir dürfen hier nicht den Fehler begehen, den kulturellen Hintergrund als einen ausschlaggebenden Faktor zu deuten." Es wäre unsachlich, das Thema Gewalt an Frauen aufs Migrationsthema zu reduzieren, erklärte Raab daraufhin, "ich möchte nur einfach, dass wir auf keinem Auge blind sind". Fünf der zehn Täter von heuer seien im Ausland geboren, erinnerte sie. Während die Pressekonferenz lief, wurde bekannt, dass eine 36-jährige Frau in Wien-Simmering tot aufgefunden worden ist.

Sie beobachte, wie dieses Thema immer wieder "mit erschreckender Regelmäßigkeit" diskutiert und dann wieder durch andere Themen zugedeckt werde, erklärte Zadic. "Es ist unser Ansinnen, diesen Kreislauf zu durchbrechen", damit solche Morde nicht mehr passieren. Nehammer appellierte an Opfer und Zeugen, den Notruf 133 zu wählen - "es gibt keinen Anruf zu viel".

"One-Stop-Shop"-Prinzip soll Opfer entlasten

Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie sah nach dem Runden Tisch "eine Chance auf mehr Investitionen in die Gewaltprävention". Es wäre ein Investitionsschub, der als Konjunkturpaket gesehen werden könne. Es gebe genug hoch qualifizierte Frauen für das Berufsfeld. Das Ziel sei die Entlastung der Opfer, die derzeit bis zu zehn Behörden "abklappern" müssten. Ideal wäre ein "One-Stop-Shop"-Prinzip.

Noch fehlt ein nationaler Aktionsplan für Österreich - im Gegensatz zu anderen EU-Staaten - und daher würde man auch 228 Millionen fordern, die zur Umsetzung der "Istanbul Konvention" nötig wären. Bereits im Februar des Vorjahres forderte die Allianz "Gewaltfrei leben", ein Zusammenschluss von mehr als 40 Gewaltschutz-Organisationen, eine Erhöhung des Gewaltschutz- und -präventionsbudgets auf über 200 Millionen Euro, um die Gewaltschutz-Empfehlungen der Konvention zu realisieren. Die aktuelle Situation ist laut der Geschäftsführerin prekär: "Für uns als Interventionsstelle ist vorrangig, dass wir die Opfer nur kurzfristig beraten können, was ganz fatal ist", so Logar. Da könne man nicht einmal dort ansetzen, wo Gewalt aktuell geschehe. "Ich hab klar gesagt, wie brauchen ein Verdoppelung", was 40 statt 20 Vollzeitstellen im Falle der Interventionsstelle bedeuten würde - und zwar sofort.

Grundsätzlich brauche es für Gewaltopfer eine koordinierte Hilfe, derzeit müsse man in dieser belastenden Situation bis zu zehn Stellen "abklappern". Den Rahmen müsse die Regierung bieten, die System würden die Menschen überfordern, es brauche effektive, entlastende und familienfreundliche Hilfe, "Opfer sollen nicht belastet , sondern entlastet werden", sonst würden diese zum Teil aussteigen. Ideal wäre ein "One-Stop-Shop"-Prinzip, das alle Bedürfnisse stillen könnte.

Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, bezeichnete die angekündigten 24,6 Millionen Euro der Regierung als ersten Schritt: "Wir fordern weiterhin 228 Millionen jährlich für den Gewaltschutz und 3.000 neue Stellen im Opferschutz sowie die Umsetzung der Istanbul-Konvention". Zudem solle die Expertise der Gewaltschutzexpertinnen politisch stärker miteinbezogen werden.

Susanne J. Pekler, die "Neustart"-Leiterin Steiermark, rief in einem Blogbeitrag auf der Online-Präsenz des Vereins dazu auf, "Umsetzungspower und Synergie" zu bündeln. In ihrem Bundesland gebe es etwa regelmäßige Gewaltschutzgipfel von Justiz, Polizei, Opferschutz- und Gewaltpräventionseinrichtungen. Die Justiz in der Steiermark ordne zudem öfter Anti-Gewalt-Trainings an als in jedem anderen Bundesland.

SPÖ kritisiert Geldnot für Schutz von Frauen für Männergewalt

Schon vor dem Runden Tisch stellte die SPÖ fest, das zusätzliche Mittel für den Gewaltschutz am Dienstag im Budgetausschuss in der Novelle des Bundesfinanzgesetzes 2021 fixiert werden hätten können, welche kommende Woche im Nationalrat zur Abstimmung gelangt. Das sei leider nicht passiert. "Für den Schutz von Frauen vor Männergewalt fehlt in Österreich vor allem eines: das Geld", sagte SPÖ-Justizsprecherin und Landesfrauenvorsitzende der SPÖ-Tirol, Selma Yildirim, in einer Aussendung. Die Gesetzeslage sei gut, die finanziellen und personellen Mittel würden jedoch fehlen.

"Was diese Regierung nicht versteht, ist, dass Femizide nur verhindert werden können, wenn jene Organisationen, die tagtäglich Frauen beraten und notfalls abschirmen - die Gewaltschutzorganisationen - auch tatsächlich mit den Mitteln ausgestattet werden", hielt NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter fest. Die Förderungen müssen deutlich aufgestockt werden, über eine zentrale Stelle des Bundes, die diese koordiniert und auszahlt - statt wie bisher sechs verschiedene Förderstellen. "Die Förderperioden müssen darüber hinaus verlängert werden, und das wäre der zentrale Punkt gewesen, den die Regierung heute hätte präsentieren müssen. Der fehlt aber", so Brandstötter. Gewaltschutz sei kein Bazar, wo immer dann, wenn etwas passiert, gefeilscht werde.

Susanne J. Pekler, die "Neustart"-Leiterin Steiermark, rief in einem Blogbeitrag auf der Online-Präsenz des Vereins dazu auf, "Umsetzungspower und Synergie" zu bündeln. In ihrem Bundesland gebe es etwa regelmäßige Gewaltschutzgipfel von Justiz, Polizei, Opferschutz- und Gewaltpräventionseinrichtungen. Im Projekt "Gewalt im Familiensetting" unter der Leitung der steirischen Frauenhäuser arbeiten Fachleute einer Männerberatungsstelle mit Anti-Gewalt-Trainerinnen und -trainer von "Neustart" in unterschiedlichen Settings: mit den betroffenen Kindern, den Frauen, aber auch jenen Männern, die bereit sind, sich im Rahmen der opferschutzorientierten Täterarbeit mit ihrem Verhalten auseinanderzusetzen, berichtete Pekler. So soll ein nachhaltiger Gewaltstopp und Sicherheit für die Opfer auch nach dem Aufenthalt im Frauenhaus erreicht werden. Die Justiz in der Steiermark ordne öfter Anti-Gewalt-Trainings an als in jedem anderen Bundesland.

FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker bezeichnete das Ergebnis des heutigen Runden Tisches mit 24,6 Millionen Euro als "Tropfen auf den heißen Stein", da Gewaltschutzeinrichtungen von notwendigen 228 Millionen Euro sprechen. Es brauche auch rechtliche Voraussetzungen, etwa, "dass es nicht für die Frauen zum Nachteil werden kann, wenn sie hilfesuchend die gemeinsame Wohnung verlassen bis hin zum Kontaktrecht des Vaters zu den gemeinsamen Kindern", so Ecker. Kindern solle weiterhin Kontakt zum Vater ermöglicht sein, ohne dass die Frau sich einer Gefahr aussetze.

(APA/Red.)

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