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Franken: Kreditnehmer bangen, Banken raten zu Gespräch

Turbulenzen treffen Devisenhändler ins Mark
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Die Aufgabe des Franken-Mindestkurses zum Euro bringt in Österreich zahlreiche Häuslbauer ins Schwitzen. 154.000 Franken-Kredite in Höhe von knapp 30 Mrd. Euro waren zuletzt aushaftend. Für Betroffene gilt es nun Ruhe zu bewahren und mit der Bank sprechen.
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Die Handlungsmöglichkeiten reichen von Konvertierung in Euro bis zu Aufstocken des Tilgungsträgers. “Zwangskonvertierung” darf es keine geben.

Das Sozialministerium rief am Freitag Verbraucher und auch Banken dazu auf, keine voreiligen Schritte zu setzen. Betroffene sollen sich ihren Kreditvertrag erst einmal genau ansehen. “So kann im Einzelfall nachgeprüft werden, ob etwa Klauseln Konvertierungen oder die Leistung zusätzlicher Sicherheiten zur Folge haben.”

Banken dürfen Kunden nicht zwingen

Banken dürfen aber ihre Kunden nicht zwingen, auf einen Euro-Kredit umzusteigen oder zusätzliche Sicherheiten auf den Tisch zu legen, wie der Verein für Konsumenteninformation (VKI) bereits am Donnerstag klarstellte. Die Konsumentenschützer sind in der Vergangenheit bereits zahlreiche Male wegen solcher Klauseln gegen Banken vor Gericht gezogen und waren erfolgreich. Rückendeckung bekommen sie nun auch von aktuellen Sprüchen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Demnach dürfen Unternehmen nicht mehr an Klauseln herumdoktern, die vom Gericht als rechtswidrig erachtet wurden, um sie doch noch in den gesetzlichen Rahmen zu pressen. Weggeklagte Vertragspunkte dürfen höchstens im Sinne der Konsumenten abgeändert werden, nicht im Sinne der Unternehmer, wie VKI-Chefjurist Peter Kolba der APA erklärte.

Die heimischen Banken beteuern aber ohnehin, Kreditnehmer keinesfalls unter Druck zu setzen, sie etwa gegen ihren Willen in einen Euro-Kredit zu drängen. “Wir haben nie Druck auf die Kunden ausgeübt. Es ist immer die Entscheidung des Kunden, welche Maßnahme er ergreift”, heißt es etwa bei der Bank Austria.

Wer ist am stärksten betroffen

Welche Maßnahme die sinnvollste ist, hängt sehr stark vom einzelnen Vertrag ab. Ein akutes Problem haben in erster Linie jene Häuslbauer, deren Kredit in Kürze fällig wird. Durch den überraschenden Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Franken freizugeben, hat sich deren Schuld auf einen Schlag massiv verteuert – vorerst rechnerisch. Fremdwährungskredite sind üblichweise endfällig. Um am Ende der Laufzeit das Geld für die Rückzahlung zusammenzuhaben, sparen die Verbraucher parallel Geld an, indem sie etwa in eine Versicherung einzahlen. Das Risiko bleibt: Aufgrund der Währungsschwankungen kann leicht passieren, dass der Tilgungsträger bis zum Stichtag nicht so viel abgeworfen hat wie erhofft, also zusätzliches Geld benötigt wird, um den Kredit vollständig zurückzahlen zu können.

Warum sich Private überhaupt auf eine solch risikoreiche Finanzierungsform einließen? Die Zinsen waren sehr niedrig. Erst als im Gefolge der Euro-Krise die Schweizer Währung deutlich zulegte, wuchsen sich die Fremdwährungskredite zum Problem aus. 2008 hat schließlich die Finanzmarktaufsicht (FMA) Banken verboten, neue Fremdwährungskredite zu vergeben.

Seitdem versuchen Banken ihre Kunden dazu zu bewegen, etwas zu tun. “Wir haben alle Frankenkreditnehmer seit 2008 wiederholt kontaktiert. Alle wurden über ihre Handlungsmöglichkeiten aufgeklärt”, so Bank-Austria-Sprecher Matthias Raftl am Freitag zur APA. Auch die anderen Banken baten ihre Kunden zum Gespräch.

Umstieg auf Euro reduziert Risiko

Die Bank Austria zählt aktuell rund 40.000 Fremdwährungskreditnehmer, der Großteil, 38.000, entfällt auf Schweizer Franken. “Ursprünglich hatten wir 60.000 Fremdwährungskreditnehmer”, so Raftl. Viele sind also konvertiert. Die meisten Bank-Austria-Franken-Kredite werden erst in den Jahren 2028 bis 2033 fällig, eine “sehr geringe Zahl” bis 2017/2018.

Die BAWAG P.S.K. hatte Ende 2013 Franken-Kredite in Höhe von 2,5 Mrd. Euro draußen, so eine Sprecherin zur APA. Der Großteil sind Kredite an Privatpersonen und kleinere Unternehmen (rund 10.000).

Wer jetzt auf einen Euro-Kredit umsteigt, befindet sich laut Bank Austria “jedenfalls im sicheren Hafen des Euro und hat das Risiko reduziert”. Allerdings werden bei der Konvertierung häufig auch Verluste realisiert. Die Bank Austria bietet eine Konvertierung kosten- und spesenfrei an, für zehn Jahre gibt es einen Fixzinssatz von 2,5 Prozent. Auch die BAWAG verzichtet auf diverse Gebühren, 2,375 Prozent Zinsen zahlen Umsteiger bei einer zehnjährigen Laufzeit.

Eine andere Möglichkeit ist, vom endfälligen Kredit auf eine tilgende Variante umzusteigen. Bei der Bank Austria wurde das bisher 4.400 mal gemacht. Um eine mögliche Tilgungslücke am Ende zu verkleinern, können Kreditnehmer auch daran denken, mehr in ihren Tilgungsträger einzuzahlen oder diesen überhaupt zu wechseln.

Schweißperlen bei Unternehmen

Wenn Kreditnehmer mit ihrer Bank auf keinen grünen Zweig kommen, können sie sich an die neu eingerichtete Verbraucher-Schlichtungsstelle wenden, informierte das Sozialministerium. Das ist kostenlos und freiwillig. Im Falle von Streitigkeiten über Fremdwährungskredite haben sich vier große Banken aber verpflichtet, vor die Schlichtungsstelle zu gehen: Bank Austria, Erste Bank, BAWAG P.S.K. und Raiffeisen. Von Mai 2013 bis Juni 2014 betraf jeder dritte Schlichtungsantrag das Thema Fremdwährungskredite; in mehr als jedem zweiten Fall konnte eine Einigung erzielt werden. Tipps für Betroffene gibt auch die Arbeiterkammer (AK) im Internet (wien.arbeiterkammer.at).

Die Franken-Kredite treibt auch zahlreichen Unternehmern in Österreich Schweißperlen auf die Stirn. Ihnen bietet der Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender (RfW) an, den Kreditvertrag anzusehen. Insgesamt soll es bei Österreichs Firmen rund 4,5 Mrd. Euro an Franken-Krediten geben.

Banken erwarten keine Zahlungsausfälle

Für Banken wiederum könnte der teure Franken vor allem in Osteuropa zum Problem werden, wo viele Fremdwährungskredite vergeben wurden und es mittelfristig zu Zahlungsausfällen kommen könnte. Österreichs Banken erwarten aber aus heutiger Sicht keine Zahlungsausfälle, wie sie betonten. Besonders viele Fremdwährungskredite wurden in Ungarn vergeben, dort müssen Verbraucher jedoch wegen des gestrigen SNB-Entscheids vorerst nicht in Panik verfallen: Schon vergangenes Jahr hat das Land den Wechselkurs des Forint zum Franken für viele Kreditnehmer festgeschrieben.

Brenzlig könnte es dagegen in Polen werden, wo rund 700.000 Haushalte einen Immobilienkredit aushaften haben. Die Landeswährung Zloty hat zum Franken stark an Wert verloren. 40 Prozent der polnischen Häuslbauerkredite wurden in Franken abgeschlossen, das Volumen beläuft sich insgesamt auf 31 Mrd. Euro.

Ein guter Teil entfällt auf österreichische Banken: Die Raiffeisenbank International (RBI) hatte per Ende September 2014 ein Franken-Exposure von 2,9 Mrd. Euro in Polen, wie es auf APA-Anfrage hieß. In Rumänien waren es 360 Mio. Euro, in Kroatien 270 Mio. Euro und in Serbien 80 Mio. Euro. In Ungarn seien die Kredite weitgehend durch das neue Abkommen zwischen Regierung, Banken und Notenbank abgedeckt, darüber hinaus gebe es in dem Land noch ein Exposure von 220 Mio. Franken, vorwiegend Unternehmenskredite.

Banken wollen abwarten

“Über die genauen Auswirkungen der Frankenaufwertung auf die Assetqualität geben wir derzeit keine Einschätzung ab”, so die RBI. Es gelte abzuwarten, wo sich der Frankenkurs einpendelt.

Wie viele Franken-Kredite Raiffeisen in Österreich draußen hat, war nicht in Erfahrung zu bringen. “Wir geben die Zahl nicht bekannt. Wir waren aber in der Vergabe von Fremdwährungskrediten immer schon sehr restriktiv”, sagte eine Sprecherin der Raiffeisenlandesbank (RLB) Niederösterreich-Wien. Die Erste Bank (ohne Sparkassen) hat laut Vorstand Peter Bosek 9.000 Kunden mit Krediten in Schweizer Franken, insgesamt haften rund 1,6 Mrd. Euro aus.

Aktueller Frankenkurs

Interview mit Wilfried Hopfner

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