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Flüchtlinge: Grüne Abgeordnete bei Demo gegen Grenzschließung in Wien

Unter anderem war Ewa Ernst-Dziedzic bei der Demo dabei.
Unter anderem war Ewa Ernst-Dziedzic bei der Demo dabei. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Am Freitag forderten Demonstranten in Wien die Öffnung der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. Auch Grüne abgeordnete waren bei der Demo dabei.

Bei einer Demonstration in Wien haben am Freitagabend zwischen 500 (nach Polizeiangaben) und mehrere tausend (laut Veranstaltern) Menschen die Öffnung der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland für Flüchtlinge gefordert. Mit dabei waren auch die Grünen Abgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic und Faika El-Nagashi.

Demo in Wien: Grenzöffnung gefordert

Zur Demonstration aufgerufen hatte eine Reihe von Organisationen, darunter Asylkoordination, die Grünen Gewerkschafter, Reporter ohne Grenzen und die Omas gegen Rechts. Protestiert wurde sowohl gegen die "brutale und mörderische Schließung der Grenzen zwischen der EU und der Türkei" als auch gegen den österreichischen Beitrag zu dieser "Asylverhinderungspolitik".

Der Demonstrationszug führte unter anderem an der ÖVP-Zentrale in der Innenstadt vorbei. Wie eine Sprecherin der Wiener Polizei der APA sagte, wurde ein Kundgebungsteilnehmer wegen eines tätlichen Angriffs festgenommen. Nähere Informationen dazu gab es am Freitagabend allerdings nicht.

Ernst-Dziedzic will sich am Wochenende auf der griechischen Insel Lesbos selbst ein Bild von der Lage der Flüchtlinge machen. Die Grünen hatten zuletzt die Aufnahme von Frauen und Kindern aus den griechischen Flüchtlingslagern gefordert, was von der ÖVP aber abgelehnt wurde. Für den internationalen Tag gegen Rassismus am 21. März hat die "Plattform für eine menschliche Asylpolitik" zu einer Großdemonstration unter dem Motto "Asyl ist Menschenrecht! #WirHabenPlatz" aufgerufen.

Länder-Grüne unterstützen Koglers Positionen

Die Abstimmung zwischen Bund und Ländern scheint bei den Grünen auch bei konfliktträchtigen Punkten der Koalition mit der ÖVP zu funktionieren. Wie ein APA-Rundruf zeigte, stellen sich die Länder in Flüchtlingsfragen hinter die Position von Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler: Man ist für die Aufnahme, akzeptiert aber, sich beim Koalitionspartner vorerst nicht durchsetzen zu können.

Das sagen die Grünen-Vertreter in Österreich

So betonte die Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, dass sie der gleichen Meinung wie Kogler und Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei: "Man sollte jetzt tatsächlich rasche Hilfe leisten, Kinder und Frauen rausholen. Dass wir hier auf allen Ebenen noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, ist unbestritten." Auch bei Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) will sie das tun.

Regina Petrik, Landessprecherin der burgenländischen Grünen, sprach sich auf APA-Anfrage klar für eine Aufnahme auch im Burgenland aus. Die Kapazitäten seien vorhanden. Mit dem Koalitionspartner auf Bundesebene gebe es hier Differenzen, über die diskutiert werde. Dass die ÖVP in dem Punkt anderer Meinung ist, sei ja grundsätzlich bekannt - das habe man schon vor den Koalitionsverhandlungen gewusst, hieß es vonseiten der burgenländischen Grünen.

Helga Krismer, Landessprecherin in Niederösterreich, geht mit dem türkisen Standpunkt ebenfalls nicht konform. "Österreich forderte immer Aufteilung von Vertriebenen ein. Dann muss man jetzt Flagge zeigen", betonte sie. Eine Solidarität mit Griechenland sei längst überfällig. Zudem müsse die EU mit der Türkei verhandeln, der Deal brauche weitere Milliarden Euro. "Die Vertriebenen wollen endlich Frieden und nach Hause und nicht nach Europa. Ich erwarte mir eine Aufstockung der Mittel auch von den Ländern für Hilfe vor Ort."

Die steirische Grünen-Klubobfrau Sandra Krautwaschl sagte: "Für uns ist klar: Wenn es die EU und Griechenland nicht schaffen, das Leid für die Menschen auf den Inseln zu lindern, müssen wir etwas für Frauen, Kinder und Kranke tun. Man muss überlegen, diese Gruppe zu evakuieren, um sie überleben zu lassen. Die Union muss für menschenwürdige Bedingungen sorgen." Zum Standpunkt der ÖVP meinte sie: "Dass es hier deutliche Auffassungsunterschiede gibt, ist klar ersichtlich, wird aber unsere Haltung nicht ändern."

Salzburgs LHStv. Heinrich Schellhorn verschonte die ÖVP in seiner Stellungnahme an die APA mit Kritik, auch wenn er die Aufnahme von Flüchtlingen befürwortet. "Ich habe im Herbst 2018 in der Konferenz der LandesflüchtlingsreferentInnen vorgeschlagen, dass sich Österreich wieder an Resettlement-Programmen beteiligt, und dieser Vorschlag wurde von allen Ländern außer Niederösterreich unterstützt. Eine solche Beteiligung würde die Ziele der humanitären Hilfe und eines geordneten Umgangs mit Asyl und Migration in Einklang bringen."

Oberösterreichs Integrationslandesrat Stefan Kaineder "verlässt sich" darauf, dass die türkis-grüne Bundesregierung an einer humanitären Lösung für die syrischen Flüchtlinge in Griechenland arbeitet. Wenn sich allerdings "an der prekären Situation vor allem für Kinder und Frauen in den griechischen Lagern nichts ändert, hat Oberösterreich Kapazitäten, 900 Flüchtlinge in leer stehenden Unterkünften aufzunehmen".

Dass man sich vorerst auf die Hilfe vor Ort konzentrieren soll, sagte die Kärntner Grünen-Sprecherin Olga Voglauer: "Alleingänge sind derzeit also kein Thema, aber sollte man vor der Frage stehen, wie teilt man Menschen auf, die vor den Toren Europas Schutz suchen, dann wird es auch auf die Bundesländer ankommen."

Die grüne Tiroler Soziallandesrätin Gabriele Fischer wollte sich nicht dazu äußern, ob die Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen die Koalitionsarbeit im Bund belastet. Hier brauche es "keine Zurufe aus Tirol", meinte sie. In der Koalition zwischen ÖVP und Grüne in Tirol gebe es diesbezüglich jedenfalls keine Differenzen. "Wenn die Verantwortung Tirols gefragt ist, können wir mit Hilfe der Tiroler Sozialen Dienste flexibel, schnell und menschlich reagieren", sagte sie.

Knapp fiel die Antwort der Vorarlberger Grünen aus. "Die Koordination liegt bei der Bundesregierung und ist bei Werner Kogler in den besten Händen", ließ Landessprecher Johannes Rauch die APA wissen.

Ernst-Dziedzic sieht Koalition nicht in Gefahr

Auch wenn die Positionen der Grünen und der ÖVP in der Flüchtlingspolitik weit auseinanderliegen, sieht die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, die Koalition nicht in Gefahr. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass es hier eine "geringe Schnittmenge" gebe, sagte die Abgeordnete am Samstag zur APA. Außerdem lebe Demokratie vom Diskurs, "davor dürfen wir uns nicht fürchten".

"Eine lebhafte Debatte ist noch kein Streit", kommentierte Ernst-Dziedzic die Diskussion der vergangenen Tage über die mögliche Aufnahme von Geflüchteten von den griechischen Inseln.

Die Teilnahme Ernst-Dziedzics und ihrer Grünen Kollegin Faika El-Nagahsi an einer Demonstration gegen die Schließung der griechisch-türkischen Grenze am Freitagabend in Wien hatte erneut die Frage aufgeworfen, wie stabil die Zusammenarbeit der Grünen mit der ÖVP ist. Dass sie an der Protestaktion teilgenommen habe, bereue sie nicht, betonte Ernst-Dziedzic. Der ständige Austausch mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und der Zivilgesellschaft sei ihr sehr wichtig. Und: "Das war eine Demonstration für eine menschliche Asylpolitik und Einhaltung der Menschenrechte - dafür stehen wir Grüne". Und als der Demozug vor der ÖVP-Zentrale Halt machte, sei sie nicht mehr dabei gewesen.

In den Regierungsverhandlungen hätten sich die Grünen mit der ÖVP darauf geeinigt, in Sachen Migration sowohl Humanität und Ordnung zu garantieren. "Das ist jetzt die Chance für uns zu beweisen, dass beides zusammengeht", zeigte sich Ernst-Dziedzic optimistisch. Natürlich sei noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, aber die Debatte sei "auch Zeugnis für eine gute, rechtsstaatliche Kultur in Österreich".

Ernst-Dziedzic reist auf Insel Lesbos

Um sich selbst ein Bild von der Lage in Griechenland machen zu können, besucht Ernst-Dziedzic am Samstag und Sonntag die wohl am stärksten betroffene Insel Lesbos. Derzeit halten sich dort rund 20.000 Flüchtende auf, Hilfsorganisationen beschreiben die Situation als katastrophal. Nachdem die griechische Regierung vor wenigen Tagen bekannt gab, ein Monat lang keine Asylanträge mehr annehmen zu wollen, hat sich die Lage weiter zugespitzt.

Sie wolle mit allen Seiten sprechen, um sich ein "Gesamtbild" zu verschaffen, und auf Basis dessen politische Lösungen zu suchen." Wir Grüne werden alles dafür tun, damit Menschenrechte auf europäischem Boden nicht suspendiert und geshreddert werden", hielt Ernst-Dziedzic fest. Diese seien das Fundament der EU und "diesen Boden der Rechtsstaatlichkeit dürfen wir auch nicht verlassen."

(APA/Red)

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