Wien habe “immer schon eine hoch entwickelte Praxis” im Umgang mit Flüchtlingen gehabt, erklärte Fischer auf dem Weg nach Prag gegenüber österreichischen Journalisten. Die meisten Flüchtlinge, die über Griechenland oder Italien nach Deutschland weiterreisen wollen, müssten durch Österreich. Schon aufgrund der geografischen Lage sei die “Ausgangsposition” Tschechiens anders. “Daraus ergeben sich unterschiedliche Interessenslagen”, sagte Fischer. “Darüber muss man reden.” Und darüber wolle er mit Zeman “ein gutes Gespräch führen”.
Fischer reist mit dem Zug nach Tschechien. In Prag steigt er in historische Salonwagen des ersten tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomas Garrigue Masaryk um und fährt bis nach Stochov. In dieser mittelböhmischen Gemeinde gedenken Fischer und Zeman des ersten Treffens der Staatsoberhäupter beider Länder in der damaligen Tschechoslowakei und der Unterzeichnung des ersten bilateralen Kooperationsabkommens 1921.
Mit diesem Vertrag hatten sich die “jungen” Republiken nach dem Zerfall der Habsburger-Monarchie gegenseitig anerkannt und Zusammenarbeit vereinbart, berichtete Fischer. Beide Länder sagten einander im Fall einer militärischen Bedrohung Neutralität zu. Das Abkommen enthielt auch ein Versprechen der Tschechoslowakei über die wirtschaftliche Unterstützung sowie das Engagement zur Bewältigung der finanziellen Probleme Österreichs nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, teilte die tschechische Botschaft in Wien mit.
Die heutigen Beziehungen zwischen Wien und Prag haben sich laut Fischer “sehr positiv entwickelt”. Es gebe “gar nicht so viele Staaten”, mit denen trotz Wirtschafts- und Finanzkrise die Handelsbilanz “deutlich nach oben zeigt”. Der Handel zwischen Österreich und Tschechien habe die Zehn-Milliarden-Grenze überschritten. Tschechien sei die sechstgrößte Exportdestination.
In den politischen Streitfragen habe sich der “Ton beruhigt”, meinte Fischer. Die Beziehungen zwischen Österreich und Tschechien waren lange Zeit vom Streit um das Atomkraftwerk Temelin und historische Fragen, insbesondere die Vertreibung von rund drei Millionen Deutschsprachigen (Sudetendeutschen) aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg schwer belastet. Fischer hob in diesem Zusammenhang das Projekt eines gemeinsamen europäischen Geschichtsbuchs hervor. Dieses soll 2017 veröffentlicht werden.
Fischer berichtete außerdem, bereits vor 40 Jahren mit der Bahn nach Prag gereist zu sein. Die Reise 1976 in Begleitung des damaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky habe im Gegensatz zu heute nicht vier Stunden, sondern mit dem Nachtzug zehn Stunden lang gedauert.
Bei der heutigen Reise nach Prag handelt sich um eine der letzten Auslandsreisen Fischers und den letzten offiziellen Staatsbesuch als Bundespräsident. Er fahre noch nach Berlin und werde an den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Unabhängigkeit Sloweniens in Ljubljana teilnehmen. “Es ist zwar der letzte Staatsbesuch, aber nicht der letzte Arbeitsbesuch”, sagte Fischer und ergänzte schmunzelnd: “Ich nehme das sehr locker.”
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