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Finanzkrise lässt Benzinpreise sinken

So dramatisch die internationale Finanzkrise Banken und Börsen trifft, für die Verbraucher kann sie auch positive Auswirkungen haben. Denn auch infolge der Turbulenzen an den Finanzmärkten sinken die Preise für Öl und Nahrungsmittel auf den Weltmärkten.

Autofahrer können sich bereits über niedrigere Benzinpreise, Fluggäste über abgespeckte Treibstoffzuschläge freuen. Bei den Lebensmitteln ist der Preisrückgang auch schon im Gange -“aber wir fühlen ihn nicht so”, wie Marktforscher Paul Michels am Donnerstag der Nachrichtenagentur AP sagte.

Michels ist Leiter der Marktforschung bei der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswissenschaft (ZMP). Nach deren Erhebungen haben vor allem die Preise für Milchprodukte so stark nachgegeben, dass sie erheblich günstiger als vor einem Jahr sind. Auch die Preise für die meisten anderen Nahrungsmittel sollen in diesem Herbst im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sinken oder zumindest stabil bleiben, wie Michels sagte.

So drastisch wie die Weltnahrungsmittelbörsen eingebrochen sind, werden die Verbraucherpreise nach Einschätzung des Experten aber nicht nachgeben. Zu gering sei dafür beispielsweise beim Brot der Rohstoffanteil, also das Getreide, an den gesamten Produktionskosten, bei denen Ausgaben für Löhne sowie für Energie zum Backen und zum Transport zu Buche schlagen. Dennoch gab Michels für Brot “insofern Entwarnung, dass die Preise nicht weiter steigen”.

Ginge es lediglich um den Rohstoff Getreide müsste Brot viel billiger werden. Allein im vergangenen Monat ist der Preis an der Pariser Weizenbörse um 20 Prozent gefallen, wie ZMP-Getreideexperte Martin Schraa sagte. Hintergrund des Preisverfalls ist nach seinen Worten abgesehen von einer guten Ernte in diesem Jahr letztlich die Finanzmarktkrise.

“An Börsen gehandelte Rohstoffe sind heute nicht nur Öl oder Gold, sondern auch landwirtschaftliche Produkte. Sie werden genauso gehandelt und finden sich in den Portfolios vieler Anleger”, erläuterte er. Infolge der Finanzmarktkrise kam es laut Schraa aber zu einer regelrechten Verkaufswelle von Agrarwerten mit der Konsequenz, dass die Kurse drastisch gesunken sind.

Der Rückgang der in den vergangenen zwei Jahren exorbitant gestiegenen Nahrungsmittelpreise auf den Weltmärkten hat aber schon im Frühsommer und damit unabhängig von der Finanzkrise eingesetzt. Denn weil die zu erzielenden Erzeugerpreise so hoch waren, haben weltweit viele Landwirte mehr angebaut. “Ein größeres Angebot hat ohne Zweifel zu dem Preisrückgang beigetragen”, sagte der Chef-Volkswirt im US-Landwirtschaftsministerium, Joe Glauber, “die weltweite Weizenproduktion stieg um zehn Prozent.” Der gesunkene Ölpreis verringert zudem die Nachfrage nach den aus Nahrungsmittel gewonnenen Biokraftstoffen, mit der Folge, dass noch mehr Getreide auf den Markt kommt und die Preise noch weiter nachgeben.

Zwar mag der Preisverfall den Millionen vom Hunger bedrohten Menschen in der Welt eine kurzfristig Erleichterung bringen, wie der Leiter des Washingtoner Forschungsinstituts für Ernährungspolitik (IFPRI), Joachim von Braun, sagte. Aber durch die Finanzkrise “wird Kapital für Agrarinvestitionen und für Ernährungsprogramme jetzt noch knapper. Das droht die nachhaltige Überwindung der Welternährungskrise zu verhindern.”

Die Welternährungsorganisation FAO beobachtet die Entwicklung ebenfalls mit großer Sorge. Einbrechende Getreidepreise gekoppelt mit weltweiter Finanzkrise und daraus resultierender Verknappung von Investitionen in die Landwirtschaft könnten dazu führen, dass wieder weniger Getreide angebaut wird, wie FAO-Ökonom Abdolreza Abbassian sagte. “Wir werden sehen, wie viel Wintergetreide ausgesät wird”, meinte US-Experte Glauber.

Eine negative Auswirkung der Finanzkrise auf die weltweite Nahrungsmittelproduktion zeigt sich schon jetzt an den sich füllenden Getreidelagern in den USA und anderen Staaten. Denn wegen der verschärften Kriterien für die Kreditvergabe sind viele große Abnehmer nicht so flüssig, wie Schraa sagte.

Selbst Landwirtschaftsexperten in der vordersten Reihe fällt es schwer, angesichts der vielfältigen Faktoren den Überblick zu behalten. “Ich versuche zu verstehen, wie es kommt, dass ich hier oben in Kanada Getreide anbaue und Schweine mäste, mit fallenden Erzeugerpreisen kämpfen muss und meine Abnehmer Kreditprobleme haben – und das alles nur, weil Hauskredite in Florida oder Kalifornien geplatzt sind und so eine internationale Finanzkrise ausgelöst worden ist”, beschwerte sich Rolf Penner, der in der Provinz Manitoba einen 770-Hektar-Großbetrieb führt.

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