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"Fasten ist ein Weg zur Freiheit"

"Aschermittwoch eröffnet 40 Tage christlicher Fastenzeit. Das kann sehr entlastend sein," sagt der Jesuit Christian Marte im VN-Interview.

Ab heute wird gefastet. Warum eigentlich?

Christian Marte: Manchmal essen wir zu viel. Es gibt aber auch sonst manchmal „zu viel“ in unserem Leben: zu viele Termine, zu viel Arbeit, zu viel Einkaufen, zu viel Sport, zu viel Ablenkung von dem, was uns eigentlich wesentlich ist und was uns leben lässt. Fastenzeit sagt uns: Versuche einmal, ein paar Dinge wegzulassen, für eine begrenzte Zeit, etwa bis Ostern. Genau 40 Tage also. Wer etwas loslässt, hat die Hände wieder frei für Neues.

Das heißt: Gewichtabnahme ist die halbe Miete?

Christian Marte: Sie sind Anknüpfungspunkte für viele Menschen von heute: Fastentees und Fastenjoghurt, das Achten auf die eigene Gesundheit; das alles sind wichtige Aspekte, aber nicht der zentrale Punkt.

Und was ist der Punkt?

Christian Marte: Wer zum zentralen Punkt kommen will, muss in die Bibel schauen: Jesus fastet 40 Tage in der Wüste (Mt 4,1–11). 40 Tage: Das weist auf die 40 Jahre, die der Zug der Israeliten aus dem Sklavenhaus Ägypten gedauert hat; das war die Ur-Erfahrung von Befreiung. Da knüpft Jesus mit seinem 40-tägigen Fasten an. Der zentrale Punkt ist: Fasten ist ein Weg in die Freiheit.

Was fasten Sie selber?

Christian Marte: Ich werde bewusst weniger Abendtermine wahrnehmen, mich bewusst auf die Liturgie der Kar- und Ostertage vorbereiten und möchte lernen, wie ich besser Nein sagen kann bei beruflichen Anfragen. Auch eine Form der Konzentration aufs Wesentliche: Wer ein großes Ja sagen will, muss viele kleine Nein sagen.

Jesuiten halten zwei Mal in ihrem Leben jeweils 30 Tage dauernde Exerzitien.

Christian Marte: Einmal 30 Tage im Noviziat, und dann nach 15 Jahren noch einmal. Ich hab die ersten 30 Tage im Mai 2000 verbracht.

Dabei verbrachten Sie einen Monat fast ausschließlich schweigend. Wie gings Ihnen damit?

Christian Marte: Die ersten zwei, drei Tage ist das eigenartig. Dann ist man sehr dankbar dafür, weil man viel stärker mit den Sinnen wahrnimmt. Man hört, schmeckt, und riecht stärker. Aber wesentlich sind es 30 Tage, in denen man unterwegs ist mit Jesus. Ihn kennenlernen kann als Freund an der Seite.

Jetzt haben nur wenige Menschen Zeit und Geld, sich einen Monat lang auszuklinken.

Christian Marte: Das muss man auch nicht. Mitunter genügen schon zehn, 15 Minuten am Tag. Menschen, die abends noch um den Block ziehen oder draußen eine Zigarette rauchen und dabei den Tag Revue passieren lassen, tun ja im Grunde was ganz Ähnliches wie das, was uns unser Ordensgründer Ignatius von Loyola hinterlassen hat.

Aber wie kann einen das bloße Überdenken des Tagesablaufs mit Gott verbinden?

Christian Marte: Immer dann, wenn ich in eine Haltung der Dankbarkeit komme, bin ich auf der richtigen Spur. Sie führt mich automatisch zur Frage: Wem bin ich dankbar?

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