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Fall Winter bewegt Parlament

Auch dem Nationalrat ist es nicht erspart geblieben, sich mit den Islam-feindlichen Äußerungen der Grazer FPÖ-Spitzenkandidatin Susanne Winter auseinander zu setzen.

Sowohl VP-Klubchef Wolfgang Schüssel als auch Grünen-Bundessprecher Alexander Van der Bellen verurteilten die Aussagen der freiheitlichen Politikerin scharf und warnten vor den Gefahren für Österreich, die durch die wilden Angriffe Winters entstanden seien. FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache ging auf diese Wortmeldungen nur indirekt ein und erregte sich über die fehlende Integrationsbereitschaft von Moslems in Österreich.

Der freiheitliche Chef behauptete, dass 50 Prozent der Moslems in Österreich gemäß einer von der früheren Innenministerin Liese Prokop (V) in Auftrag gegebenen Studie nicht integrationsbereit seien. Es gebe Zwangsverheiratungen und Ehrenmord-Drohungen – “und das in Österreich und nicht in Afghanistan”. Die “Werte unserer Gesellschaft” müssten auch verteidigt werden.

Schüssel hatte davor eine Klarstellung Straches verlangt. Er habe die Aussagen der FP-Lokalpolitikerin mit großem Befremden und großer Sorge vernommen. Damit werde bewusst das in Österreich ganz besondere Modell des Zusammenlebens der Bevölkerungsgruppen gefährdet. Natürlich gelte es, manche radikale Tendenzen trocken zu legen. Das werde aber schwierig, wenn absichtlich Äußerungen in einer nicht differenzierenden, pauschalierenden Form kämen, die eine große Gefahr für den inneren Frieden darstellten: “Österreich könnte dadurch zur Zielscheibe werden.”

Van der Bellen warf Winter vor, ganz bewusst den Religionsfrieden in Österreich zu sabotieren und Hassobjekte aufzubauen. Das sei “unsäglich dumm und gefährlich”. Ein kritischer Dialog etwa über die Rolle der Frauen im Islam müsse geführt werden, er verstehe aber jeden, wenn er sich nicht mit Menschen zusammensetzen wolle, die einen Propheten mit verleumderischen Worten bedächten. Den Vergleich von Strache vom vergangen Sonntag zwischen dem Anschluss an Hitler-Deutschland und dem EU-Reformvertrag bezeichnete Van der Bellen als “widerwärtig und lächerlich”. Im Grund handele es sich um eine Verharmlosung des Nazi-Regimes. Schüssel empfahl Strache in dem Zusammenhang, ein bisschen Geschichte zu lernen.

Für den Koalitionspartner hatte Schüssel ein wenig Spott parat. Angesichts der Kritik vor allem des BZÖ, wie weit die SPÖ von ihren Ankündigungen in der Opposition entfernt sei, sprach der Altkanzler von “Spiegelstrafen” – “was früher gesagt wurde, wird jetzt vorgehalten und umgekehrt.” Die Pflege-Lösung verteidigte der Klubchef hingegen als “gemeinsamen Erfolg im Interesse der Menschen”. Es handele sich um eine sehr nachdrückliche Einladung zur Legalisierung. Angesichts der vor allem orangen und blauen Forderungen nach weiteren Entlastungen auf allen möglichen Ebenen verwies Schüssel auf sich ändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen und plädierte dafür, von der Philosophie “alles ist möglich” abzugehen.

Auch SPÖ-Klubchef Josef Cap wollte nicht ohne kleinen Tadel an den Koalitionspartner auskommen. Er echauffierte sich ein wenig über Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V), der mit traurigem Blick nach einem neuen Wahlrecht schiele, nur weil die ÖVP beim letzten Mal nicht Nummer eins geworden sei. Als Cap das Koalitionsklima ein wenig schön redete, gab es nicht nur Lachen in den Oppositionsreihen sondern auch auf der Regierungsbank, woraufhin Cap feixte: “Die lachen da hinten, das geht natürlich nicht.” Insgesamt forderte der Klubobmann, die gemeinsamen Erfolge in den Mittelpunkt zu rücken, dem BZÖ riet er angesichts der düsteren Bilder von Bündnischef Peter Westenthaler, lieber keine Vorträge über den russischen Winter 1918 zu halten.

BZÖ-Vizeklubobmann Herbert Scheibner wiederum belustigte sich über die volle Regierungsbank und sah es als eines der wichtigsten Projekte der Regierung, das Minister- und Staatssekretäre-Team so groß zu machen wie seit Jahrzehnten nicht. Gleichzeitig verwies er darauf, dass die einzigen Erfolge wie der Rückgang der Arbeitslosigkeit auf Maßnahmen der letzten Regierung fußten, in der ja noch das BZÖ gesessen war. Insgesamt urteilte Scheibner, dass das Fehlen von Reformen ja ganz logisch sei, wenn sich die Koalitionspartner nur belauerten.

Van der Bellen konnte sich nicht so recht entscheiden, was ihm mehr auf die Nerven gegangen war – “das Superkabarett von Kollegen Cap” oder das “Marktgeschrei von Westenthaler”. Das BZÖ habe zwar mit so manchem Kritikpunkt recht, bleibe aber immer an der Oberfläche hängen, statt dass man wie die Grünen vernünftige Projekte wie die Energiewende anstrebe. Zusätzlich erinnerte der Grünen-Chef Westenthaler in der Pflege-Debatte daran, dass dieser noch im letzten Wahlkampf alle ausländischen Pfleger abschieben habe wollen. Bei der SPÖ ärgerte Van der Bellen vor allem die Bekenntnisse von Cap zu mehr Demokratie – und das nachdem vor Weihnachten 60 Gesetze in einem Guss durchgezogen worden seien, das teilweise ohne Begutachtung.

Auch Strache nahm diesmal die SPÖ besonders ins Visier. Deren Performance mache klar, warum die Sozialdemokraten die Noten abschaffen wollten: “Bei der Leistung, die diese Regierung gebracht hat, würde die SPÖ sitzen bleiben.” Der Kurs der Regierung Schüssel werde 1:1 fortgesetzt, befand der FP-Obmann, bezeichnete aber gleichzeitig auch die Kritik des BZÖ als nicht glaubwürdig, hätte diese ihre Chance in der Regierung ja auch gehabt. In der Pflegedebatte gestand Strache, dass man die ausländischen Pflegekräfte natürlich brauche, die echten Helden seien aber jene, die ihre Familienangehörigen selbst daheim pflegten. Um hier Entlastung zu schaffen, brauche es ein höheres Pflegegeld.

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