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Fall Kalinka: Lindauer Arzt ab Dienstag vor Gericht

Lindau/Paris (VN) -  Im Pariser Justizpalast wird ab heute einer der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre neu aufgerollt: der Fall Kalinka. Knapp drei Jahrzehnte nach dem Tod der 14-Jährigen am Bodensee soll ein Geschworenengericht aus drei Berufsrichtern und neun Schöffen den Fall neu bewerten.
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Die Geschichte könnte aus einem Hollywood-Drehbuch stammen. Aus Angst, der Tod seiner Tochter werde ungesühnt bleiben, übt ein verbitterter Vater auf der Suche nach Gerechtigkeit Selbstjustiz. Er lässt Helfer (u. a. ein in Vorarlberg lebender Staatenloser aus dem Kosovo) den mutmaßlichen Mörder seiner Tochter aus Deutschland nach Frankreich entführen. Geknebelt, gefesselt und geschlagen findet die französische Polizei den Entführten – und nimmt ihn fest. Seit Oktober 2009 sitzt er in einem Pariser Gefängnishospital.

Bereits verurteilt

Kalinkas leiblicher Vater André Bamberski ist ein pensionierter französischer Steuerberater. Er hat sein Leben seit rund einem Vierteljahrhundert der Jagd nach dem Mann gewidmet, den er für den Mörder seiner Tochter hält: Kalinkas Stiefvater Dieter K., einen deutschen Mediziner. Der vom Bodensee stammende Mann war 1995 in Abwesenheit in Frankreich zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der heute 75-Jährige den Tod seiner Stieftochter verursachte. Die Bundesrepublik lieferte ihn aber nicht aus, weil die deutsche Justiz zuvor ein Ermittlungsverfahren eingestellt hatte. Das in Frankreich verhängte Urteil war vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beanstandet worden, da das Verfahren in Abwesenheit des Angeklagten ablief und nicht einmal sein Anwalt gehört wurde.

Tödliche Spritze

Dieter K. ist kein unbeschriebenes Blatt. Seine Vergangenheit wird während des Verfahrens unweigerlich eine Rolle spielen: 1997 wurde er in Deutschland wegen einer Sexualstraftat verurteilt. Ein Gericht verhängte eine zweijährige Bewährungsstrafe, weil er eine 16-Jährige betäubt und vergewaltigt hatte. Der Mediziner bekam dafür zwei Jahre Haft auf Bewährung, übte seinen Beruf aber illegal weiter aus. Nach Überzeugung von Kalinkas Vater hatte der Mediziner auch seine Tochter vergewaltigt und ihr eine tödlich wirkende Spritze gegeben.

Die 14-Jährige hatte im Sommer 1982 mit ihrer Mutter bei deren neuem Partner am Bodensee gelebt. Das Mädchen war an Erbrochenem erstickt und hatte mehrere Einstiche am Arm. Dieter K. hatte erklärt, er habe dem Mädchen nur eine Spritze mit einem Mittel gegen Eisenmangel gesetzt, das auch die schnellere Bräunung der Haut bewirkt. Später habe er Wiederbelebungsversuche unternommen. Doch Frankreichs Ermittler sahen sein Handeln als ursächlich für den Tod an.

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