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Fall Hirtzberger: Anklage umfasst ganze sieben Seiten

Ganze sieben Seiten umfasst die Anklage gegen Helmut O., dem die Staatsanwaltschaft Krems versuchten Mord am Bürgermeister von Spitz an der Donau, Hannes Hitzberger, vorwirft.

Der 56-Jährige muss sich deswegen ab 19. Mai vor Kremser Geschworenen verantworten. Sei Verteidiger Nikolaus Rast geht von einem Freispruch aus. “Die Anklage enthält keine schlüssige, nachvollziehbare Begründung, warum mein Mandant den Bürgermeister umbringen hätte sollen”, meinte der Anwalt am Mittwoch im Gespräch mit der APA.

Staatsanwalt Friedrich Kutschera geht in der Anklageschrift auf die Schwierigkeiten ein, die Helmut O. mit seinem Weingut “Klosterhof” hatte. Der verschuldete Mann hatte den Winzerhof umgebaut und wollte 2004 eine Thermalanlage samt einem Hotel errichten, wobei die Gemeinde die Genehmigung an gewisse Auflagen knüpfte. Zudem schaltete sich 2007 das Bundesdenkmalamt ein, das den Klosterhof als ehemaligen Zehenthof für schutzwürdig befand.

“Helmut O. war der Überzeugung, dass der Bürgermeister der Marktgemeinde Spitz, Dr. Hannes Hirtzberger, einer Umwidmung negativ gegenüberstand und zumindest versuchte, diese durch die Auflagen zu verzögern. Er führte es darauf zurück, dass ein Bruder des Dr. Hirtzberger Weinhauer ist und er sohin eine Konkurrenz darstellte”, ist der Anklage nun zum angeblichen Motiv für den Giftanschlag zu entnehmen, den Helmut O. mit einer mit Strychnin versetzten “Mon Cherie”-Praline ausgeführt haben soll.

“Blödsinn”, hält dem der Verteidiger entgegen, “die Auflagen sind lächerlich. Jeder weiß, dass er beim Einreichen um eine Baubewilligung ein realisierbares Projekt vorlegen muss und Förderungen braucht, wenn das Eigenkapital nicht ausreicht.” Aufgrund dieses Punkt hätte Helmut daher sicher keine Feindschaft zu Hirtzberger empfunden, der ja sogar die Umplanung des “Klosterhofes” begrüßt habe. “Die Anklage kennt also kein Motiv”, so Rast.

Laut Anklage soll Helmut O. jedoch “bereits vor Jahren” geäußert haben, “bevor er sterben müsse, werde er noch Dr. Hannes Hirtzberger sowie einen zahlungsunwilligen Schuldner und den Lebensgefährten seiner von ihm getrennt lebenden Gattin umbringen”. Der 56-Jährige habe “zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 8. Februar 2008” die Praline präpariert und diese am 8. Februar samt einem Billett zwischen 18.20 Uhr und 19.00 Uhr am Pkw des Bürgermeisters angebracht.

“Lebenslang” droht

Hannes Hirtzberger verzehrte das mit 700 Milligramm Strychnin versetzte “Mon Cheri” am nächsten Tag während der Autofahrt in seine Kremser Anwaltskanzlei. Er konnte gerade noch den Pkw anhalten und ärztliche Hilfe erbitten. “Sodann wurde er bewusstlos, die Atmung setzte aus”, heißt es nun in der Anklage gegen Helmut O., dem im Fall eines Schuldspruchs für den inkriminierten versuchten Mord zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft drohen.

Die Staatsanwaltschaft hat für den Prozess lediglich zwei Zeuginnen beantragt: Renate Hirtzberger, die Ehefrau des Opfers, und eine Passatin, der der Bürgermeister noch zugerufen haben soll: “Hilfe! Ich habe ein Mon Cheri gegessen und bin vergiftet worden!” Zudem sind drei Sachverständige geladen. Das Verfahren ist auf zwei Tage anberaumt.

Der Spitzer Bürgermeister war zunächst ins Krankenhaus Krems eingeliefert und in künstlichen Tiefschlaf versetzt worden. Seit 19. März befindet sich der Ortschef zur neurologischen Rehabilitation in St. Pölten. “Trotz intensiver medizinischer Betreuung bestand wochenlang Lebensgefahr, er ist seither nicht mehr ansprechbar und ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine massive bleibende körperliche und geistige Behinderung zu erwarten”, beschreibt die Anklageschrift die Folgen des heimtückischen Giftanschlags.

Staatsanwalt Friedrich Kutschera räumt ein, dass bei der Hausdurchsuchung bei Helmut O. weder Strychnin noch Werkzeug gefunden wurde, das geeignet gewesen wäre, damit Gift in eine Praline zu spritzen. Der Ankläger verweist aber darauf, der 56-Jährige sei wie schon sein Vater passionierter Jäger: “Im jagdlichen Betrieb war das Auslegen von Giftködern zur Bekämpfung von Raubzeug üblich, wobei hiebei Strychnin verwendet wurde. Solche Giftköder wurden sogar vom Landesjagdverband zur Bekämpfung der Tollwut ausgegeben. Es ist daher wahrscheinlich, dass Helmut O. Altbestände besaß.”

Das fehlende Gift überrascht den Ankläger nicht: “Natürlich hat Helmut O. alle Spuren der Tat zu beseitigen versucht, insbesondere das sicher noch vorhandene Strychnin und das Werkzeug, mit welchem er das Strychnin in das Mon Cheri platzierte. Eine andere Vorgangsweise wäre von ihm ja gar nicht zu erwarten gewesen, wie der Aussage eines Zeugen, dass er bereits von seinem Vater lernte, immer besonders vorsichtig und auf der Hut zu sein, zu entnehmen ist.”

Die Anklage verweist vor allem auf die DNA-Spur, die Helmut O. an der Innenseite des der Praline beigelegten Grußbilletts hinterlassen habe: “Es ist auszuschließen, dass diese Spur von jemand anderem als dem Täter stammen könnte.”

Zudem habe der Mann versucht, bei der Abgabe seines Mundhöhlenabstrichs die Beamten zu täuschen, indem er zunächst Familienmitglieder ersuchte, in ein Marmeladeglas zu spucken.

“Der eine Zeuge lehnte ab, der andere kam seinem Ersuchen widerwillig nach. Tatsächlich hat Helmut O. vor Abgabe seines eigenen Mundhöhlenabstrichs den Speichel des Zeugen in den Mund genommen und versucht, solcherart die eigene DNA zu verfälschen. Der Versuch wurde allerdings sofort erkannt (…). Eine solche Verhaltenweise ist nur vom Täter zu erwarten, der bereits vor Vergleich der DNA-Spuren weiß, dass die Spur auf dem Billett von ihm stammt”, ist in der Anklageschrift abschließend beschrieben, weshalb der Staatsanwalt mit den Worten schließt: “Helmut O. wird daher durch die beantragten Beweise im Sinn der wider ihn erhobenen Anklage zu überführen sein.”

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