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Fall Cain: Tod des Dreijährigen jährt sich am 8. Jänner

Bub soll von Lebensgefährten der Mutter totgeprügelt worden sein.
Bub soll von Lebensgefährten der Mutter totgeprügelt worden sein.
Bregenz - Vor knapp einem Jahr, am 8. Jänner 2011, starb der dreijährige Cain in Bregenz in Folge schwerer Misshandlungen, die ihm der damals 25-jährige Lebensgefährte der Mutter zugefügt haben soll.
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Der Mann wurde wenige Tage später festgenommen, seither wartet er in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Feldkirch auf seinen Prozess. Die Anklage lautet auf Mord. Mit einem Prozessbeginn wird noch im ersten Quartal 2012 gerechnet. Der “Fall Cain” löste große Bestürzung aus und hatte in Vorarlberg eine intensive Diskussion über die Jugendwohlfahrt samt zahlreicher Verbesserungen zur Folge.

Erster Notruf: Treppensturz

Der arbeitslose Freund der Mutter hatte am 8. Jänner 2011 in der Wohnung auf den kleinen Cain und den damals sechsjährigen Bruder aufgepasst, während die Mutter bei der Arbeit war. Gegen 19.20 Uhr ging ein Notruf bei den Rettungskräften ein, der Bub sei über eine Treppe gestürzt und atme nicht mehr. In der Wohnung fand das Notarzt-Team ein regungslos auf dem Boden liegendes Kind vor. Die Einsatzkräfte versuchten vergeblich, den Dreijährigen zu reanimieren. Der 25-Jährige, der wegen Gewaltdelikten amtsbekannt war, flüchtete vor Eintreffen der Polizei.

Freund der Mutter in der Schweiz verhaftet

Der Tatverdächtige wurde am 11. Jänner nach einer internationalen Fahndung im Schweizer Kanton Appenzell-Ausserrhoden verhaftet. Wegen seines gesundheitlichen Zustands – der inzwischen 26-Jährige galt als suizidgefährdet und leidet an einer Muskelschwächekrankheit – konnte er erst am 25. Jänner erstmals einvernommen werden. Gerichtsmediziner Walter Rabl stellte bei der Obduktion fest, dass das Kind durch Schläge mit einem Gegenstand schwerst misshandelt worden war und an diesen Verletzungen starb. Auch der Bruder wies Verletzungen auf. Gegen die Mutter Cains wurden Erhebungen wegen einer möglichen Vernachlässigung ihrer Fürsorge- und Obhutpflichten eingeleitet, in ihrem Fall hat die Staatsanwaltschaft Feldkirch über eine Anklageerhebung noch nicht entschieden.

Veith will Verlegung des Prozesses

Während die Staatsanwaltschaft gegen den 26-Jährigen wegen Mordes ermittelte, bestreitet der Pflichtverteidiger des Tatverdächtigen, Edgar Veith, eine Tötungsabsicht seines Mandanten. Er beeinspruchte erfolglos die Bestellung von Reinhard Haller als psychiatrischer Gutachter, dessen Objektivität er anzweifelte, und legte Einspruch gegen die Mordanklage ein. Diese sei zu früh erfolgt, im Gutachten Hallers gebe es Widersprüche. Das Oberlandesgericht Innsbruck wies diesen Einspruch ab, die Anklage ist damit seit kurzem rechtskräftig. Ein objektiver Prozess in Vorarlberg ist laut Veith wegen der Berichterstattung kaum noch möglich. Er werde eine Verlegung des Prozesses in ein anderes Bundesland beantragen. Über eine Delegierung muss das Oberlandesgericht Innsbruck entscheiden.

Anwalt erhielt Drohungen

Wenn man sich die Berichterstattung in Vorarlberg ansehe, dann sei hierzulande “die Unschuldsvermutung schon verworfen und mit Füßen getreten”, befand Veith. Unter diesen Voraussetzungen sei ein objektiver Prozess für seinen Mandanten nicht möglich. Auch er selbst habe über 100 E-Mails und Anrufe mit Drohungen erhalten. “Es hieß etwa, dass man meine Kanzlei niederbrenne oder dass meine Familie in Gefahr sei, wenn mein Mandant nicht wegen Mordes verurteilt würde”, so Veith. Er sei weiter der Ansicht, dass es sich im juristischen Sinne nicht um einen Mord handle. In anderen Bundesländern sei zwar ebenfalls über den Fall berichtet worden, “aber nicht in der Intensität”.

Der “Fall Cain” schlug in der Bevölkerung wie in der Politik hohe Wellen: In Mahnwachen und Demonstrationen für härtere Strafen für Kinderpeiniger zeigte sich tiefe Betroffenheit, und die Jugendwohlfahrt wurde mit Hinweisen aus der sensibilisierten Bevölkerung auf Gewalt gegen Kinder geradezu überschwemmt. Im Landtag gab es intensive Diskussionen über das Jugendwohlfahrtssystem. Die Opposition forderte vergebens die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (Untersuchungsausschuss) zu dem Fall, die ÖVP war mit ihrer absoluten Mehrheit dagegen.

Kritik an Jugendwohlfahrt

Bei der Untersuchung des Falls durch eine von der Landesregierung eingesetzte Expertenkommission offenbarte sich eine ungenügende Vernetzung der verschiedenen Stellen: Die Jugendwohlfahrt, die seit 2005 wegen Unterhaltsangelegenheiten Kontakt mit der Familie hatte, hatte zwar einen Hinweis auf eine Vernachlässigung der Kinder erhalten sowie eine Meldung, dass die Mutter mit einem drogenabhängigen Mann eine Beziehung habe, wusste aber offensichtlich nicht, dass der Mann bei der Familie lebte und auf die Kinder aufpasste. Hinweise auf eine Gefährdung der Kinder habe es nicht gegeben, hieß es. Der Luca-Kinderschutzverein und das BZÖ zeigten die Behörden an, die Korruptionsstaatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren im September ein.

Die Expertenkommission unter Leitung von Landesamtsdirektor Günther Eberle untersuchte den Fall und die Informationsflüsse und sprach in ihren Berichten an den Kontrollausschuss des Landtags 14 Empfehlungen für eine Verbesserung des Systems aus. So sollten Jugendwohlfahrtsmitarbeiter bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung einen erweiterten Zugriff auf das Strafregister erhalten sowie Einträge im kriminalpolizeilichen Aktenindex (KPA), in der Gewaltschutzdatei und im Melderegister abfragen können. Bei der Gefährdungsabklärung soll ein Vier-Augen-Prinzip gelten, auch die Rahmenbedingungen sollen verbessert werden. Viele der Vorschläge sind bereits umgesetzt, in einigen Bereichen ist eine Abstimmung mit dem Bund im Gange. Die Empfehlungen fließen auch in ein neues Vorarlberger Jugendwohlfahrtsgesetz ein, das seit 2009 erarbeitet wird. (APA)

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