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Experimente an Kindern gedeckt

Kinderpsychiaterin in Gutachten entlastet
Kinderpsychiaterin in Gutachten entlastet ©dpa (Symbolbild)
Innsbruck, Rankweil - Staatsanwalt ermittelte gegen umstrittene Kinderpsychiaterin. Ihr Chef entlastete sie.
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Neu ist die skandalöse Geschichte rund um die Leiterin der Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation, Maria Nowak-Vogl, ja nicht. Bereits 1980 deckte ein Fernsehbeitrag die schrecklichen Zustände innerhalb der Kinderpsychiatrie auf, in der auch zahlreiche Vorarlberger Kinder oft monatelang begutachtet wurden – die VN berichteten. Dass sie etwa Mädchen das Tiermedikament Epiphysan verabreicht hat, sobald sie den Verdacht auf Selbstbefriedigung hegte, gab Nowak-Vogl in dem Interview zu. Warum blieb sie dennoch weitere sieben Jahre im Amt? „Das dürfen Sie nicht mich fragen“, antwortet der Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft, Hansjörg Mayr (39). Seinen Recherchen zufolge hat die Anklagebehörde nach Bekanntwerden der Missstände ein Ermittlungsverfahren eröffnet. „Das war im September 1980.“

Ohne Einvernahme

Dass die umstrittene Psychiaterin Maria Nowak-Vogl dabei befragt wurde, schließt er aus: „Ich geh davon aus, dass das ein reines Sachverständigenverfahren war.“ Das Gericht gab ein Gutachten in Auftrag. Als Sachverständigen wählte es Cornelius Kryspin-Exner, den unmittelbaren Vorgesetzten von Maria Nowak-Vogl. „Heute“, beteuert Staatsanwalt Mayr, „wäre das nicht mehr möglich, einen Sachverständigen zu wählen, der so nahe dran sitzt.“ Das Gutachten Kryspin-Exners fiel dann „durchaus kritisch“ aus. Aber es kam zum Ergebnis, „dass bei der Verabreichung des Medikaments Epiphysan nicht mit Nebenwirkungen zu rechnen sei“. Zusätzliche Stellungnahmen weiterer Professoren wurden eingeholt. Dass Epiphysan u. a. zur Unterdrückung der Brunst bei Kühen verwendet wurde, schien keine große Rolle zu spielen. Am 2. Juni 1981 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Maria Nowak-Vogl ging 1987 in Pension. Sie starb 1998. Erst nachdem der Historiker Horst Schreiber die Methoden Nowak-Vogls thematisiert hat, befasst sich die Öffentlichkeit erneut mit ihr. Die unfassbaren Zustände in ihrer Anstalt sollen historisch aufgearbeitet werden. Viele Vorarlberger Kinder waren ihre Patienten. Die Tiroler Opferschutzkommission hat 49 Betroffene entschädigt.

Betroffene, die in Maria Nowak-Vogls Kinderbeobachtungsstation gelitten haben, können sich mit ,Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch in Verbindung setzen: Tel. 05522 84900

“Im Namen der Ordnung”

„Es geht um Praktiken des systematischen Quälens, Schlagens und der Erniedrigung, die in anerkannten Institutionen der Fürsorgeerziehung bis in die 1980er-Jahre ausgeführt wurden“, sagt der Innsbrucker Historiker Horst Schreiber (51). Mit seinem Buch „Im Namen der Ordnung“ widmet er sich als einer der ersten Wissenschaftler in Österreich dem Themenkomplex Heim­erziehung und weist darin eine systematische und strukturelle Missachtung der Menschenrechte nach. Für das Buch hat er mit vielen ehemaligen Zöglingen aus Tiroler Heimen lebensgeschichtliche Interviews geführt.

Schreiber, Horst, „Im Namen der Ordnung. Heimerziehung in Tirol“, StudienVerlag, Innsbruck 2010. Preis 19,90 Euro, Umfang 405 Seiten

(VN/ Thomas Matt)

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