Von Anja Förtsch/Wann&Wo
Pascal Laatschs Handy klingelt, am anderen Ende sein Arbeitskollege. Er ruft aus dem Urlaub an, will ein bisschen plaudern und fragt, wie es Pascal geht. „Mir geht es total dreckig“, antwortet der Lustenauer, „ich glaube, ich bekomme eine Grippe oder so etwas.“ Sein Kollege lacht nur kurz. „Nein nein, das ist keine Grippe. Du bist auf Entzug.“ Entzug? Pascal glaubt, sich verhört zu haben. Wovon soll er denn bitte einen Entzug haben? „Was denkst du denn?“, fragt der Kollege zurück. „Du hast Heroin genommen.“
Alles, nur nicht fühlen
„Als ich 15 war, ist mein Vater gestorben“, erzählt Pascal WANN & WO. „Zu der Zeit habe ich angefangen, zu kiffen. Ich wollte einfach die Gedanken und die Trauer verdrängen.“ Der heute 34-Jährige raucht ab da regelmäßig Gras, zieht beim Weggehen hin und wieder mal Koks. „Das war damals so gelegentlich, an den Wochenenden. Ein wirkliches Problem hatte ich da aber noch nicht, ich hatte das im Griff und im Alltag keine Schwierigkeiten.“ Was ihn aber im Alltag immer begleitet sind Schmerzen: Pascal hat einen Haltungsschaden, hat höllische Rückenschmerzen. „Mit 21 Jahren konnte ich kaum noch arbeiten“, erinnert sich der gelernte Konditor. „Ich war bei verschiedenen Ärzten, aber niemand konnte mir weiterhelfen. Die Schmerzen waren einfach immer da.“ Ein Arbeitskollege hat schließlich den scheinbar rettenden, aber in Wirklichkeit fatalen Tipp für ihn: „Probier doch mal ‚Shore‘.“
Vom Kollegen verführt
„Den Begriff ‚Shore‘ hatte ich bis dahin noch nie gehört“, sagt Pascal. „Ich hatte keine Ahnung, was das eigentlich genau ist, aber wenn es mir gegen meine furchtbaren Rückenschmerzen helfen sollte, wollte ich es probieren.“ Sein Kollege schüttet ein wenig weiß-bräunliches Pulver auf ein Stück Alufolie, hält ein Feuerzeug darunter und weist den Lustenauer an, den aufsteigenden Rauch einzuatmen. „Es war unglaublich“, erinnert der sich. „Meine Rückenschmerzen waren nicht nur gelindert, sie waren vollständig verschwunden. Fünf Minuten vorher konnte ich mich kaum bewegen und plötzlich konnte ich springen wie eine Gazelle.“ Sein Kollege gibt ihm von da an öfter etwas von dem Pulver, Pascal raucht den Stoff regelmäßig, immer, wenn ihn die Rückenschmerzen übermannen – oder wenn er das drückende Gefühl hat, das Zeug irgendwie zu brauchen. Was er da eigentlich raucht, weiß er nicht. Bis zu eben jenem Anruf von seinem Kollegen und der vermeintlichen Grippe – bis Pascal erfährt, das „Shore“ nur ein anderes Wort für Heroin ist.
Bereits zu tief drin
„Das war so dumm von mir, so unendlich dumm“, ärgert sich der 34-Jährige noch heute. „Wie konnte ich etwas nehmen, von dem ich nicht mal wusste, was es war?“ Als er erfährt, dass er da nicht einfach irgendetwas, sondern tatsächlich Heroin nimmt, eine der gefährlichsten Drogen überhaupt, ist es zu spät. Pascal ist abhängig. „Ich habe angefangen, mir das Zeug selbst zu besorgen, bin schließlich sogar bis nach Holland gefahren, weil es dort günstiger und stärker ist“, schildert Pascal. „Irgendwann ist mir das Geld ausgegangen. Also habe ich angefangen, zu dealen und zu stehlen. Wenn man süchtig ist und den Stoff braucht, gibt es keine Tabus mehr. In dem Moment würde man seine Mutter verkaufen.“
Pascal gerät immer tiefer in den Drogensumpf – und versucht immer wieder, dort herauszukommen. „Ich habe Entziehungen probiert, aber keine hat etwas gebracht“, erinnert er sich. „Ich bin da raus und habe mir direkt auf dem Heimweg den nächsten Stoff besorgt.“ Fünf, sechs Jahre geht das so. Bis zu dem Tiefpunkt, der Pascal sein Leben ändern lässt …
Fortsetzung folgt
Lesen Sie in den nächsten Teilen, wie Pascal es aus der Heroinsucht heraus geschafft hat, wie seine Familie die schwere Zeit erlebt hat und wie die Szene in Vorarlberg funktioniert.
(Red.)
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